• 23.08.2007 10:20

  • von Pete Fink

Ein NASCAR-Rennwochenende mit Red Bull Racing (1)

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Pete Fink hat am Rennwochenende von Bristol die Gelegenheit, sich unter das NASCAR-Team von Red Bull zu mischen

Mittwoch:

Titel-Bild zur News: Truck von Brian Vickers

Das Red-Bull-NASCAR-Team wird derzeit von 'Motorsport-Total.com' begleitet

Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich nicht damit gerechnet, dass von München aus ein direkter, täglicher Linienflug nach Charlotte existiert, doch ein Blick in den Atlas klärt mich auf: Nicht weit weg von der Neo-Bankenmetropole Charlotte liegt Spartanburg, eines der großen amerikanischen BMW Werke - und das macht die Anreiseproblematik ohne jegliches Umsteigen doch sehr einfach.

Neun Stunden Nonstop-Flug - und schon ist man im Herzen der NASCAR. Doch womit ich ebenfalls nicht gerechnet habe, ist die Bullenhitze, die einem entgegenschlägt, wenn man den Douglas-Airport in Charlotte, North Carolina, verlässt: Schlappe 38 Grad Celsius und staubtrockene Luft hat es hier Mitte August um 18:00 Uhr nachmittags - und sofort schickt man ein großes Stoßgebet in die Richtung der nächstbesten Klimaanlage.#w1#

Gute Stimmung nach Michigan

Dafür ist nach dem achten Platz von Brian Vickers, den die 'USA Today' als ein "tolles Ergebnis" beschrieb, die Stimmung im Team Red Bull umso besser. Da ist es auch nicht so schlimm, dass die Rennvorbereitungen für das Bristol-Wochenende jetzt unter absolutem Zeitdruck ablaufen müssen, denn der Vickers-Truck kam am Dienstagnachmittag erst gegen 15:00 Uhr im wegen Regens zweimal verschobenen Michigan los.

"Bei etwa zehn Stunden Nonstop-Fahrtzeit und zwei sich abwechselnden Fahrern war der Truck kurz nach Mitternacht am Shop in Mooresville", erzählt Red-Bull-Teamchef Günther Steiner. "Jetzt gibt es richtig was zu tun. Alte Autos raus, alles saubermachen und auffüllen, neue CoTs rein in die Trucks, und in der Nacht geht es weiter nach Bristol." Das liegt Gott sei Dank nur knapp drei Autostunden von Charlotte entfernt.

So ist optimistische Hektik an der Tagesordnung. Steiner hält am späten Vormittag eine kurze Ansprache im Teammeeting, bei dem alle 140 Red-Bull-Mitarbeiter anwesend sind, und über dessen Inhalt natürlich nichts nach außen dringen darf.

Das Backup-CoT von A.J. Allmendinger ist bereits im Truck verzurrt, während sein Primary-Auto noch den letzten Basisschliff in Sachen Setup bekommt. Das ist der letzte von insgesamt 286 Arbeitsschritten, die nötig sind, um einen Red-Bull-Boliden von der Fabrik aus rennfertig zu bekommen, bevor es an die Strecke geht.

Hektik wegen spätem Michigan-Rennen

In einer anderen Halle wird noch an den beiden Vickers-CoTs geschraubt. Die Mechaniker waren am Dienstagvormittag noch im Renneinsatz in Michigan, das mit den alten Silhouetten gefahren wurde. Jetzt werkelt die Mannschaft an den neuen CoTs und Crewchief Doug Richert ist alle zehn Minuten vor Ort, um die Arbeiten zu überwachen.

Auffällig ist die relative Enge im Red-Bull-Shop. Das Team hat vor nicht ganz einem Jahr bei Null angefangen und in der Chassisabteilung entsteht aktuell bereits die Rahmenkonstruktion von Chassis Nummer 47 - die letzten Produktionen waren allesamt CoTs. In der großen Montagehalle habe ich über 20 Boliden gezählt. Vom mausgrauen Daytona-Testauto über diverse Superspeedway-Boliden bis hin zu den Intermediate-Silhouetten und natürlich auch einige CoTs.

An allen Ecken wird gebaut und betoniert, was das Zeug hält, während direkt nebenan das Roush-Team in der sengenden Mittagshitze Boxenstopps übt. Überhaupt ist Mooresville das Mekka des NASCAR-Sports. Red Bull hat für seinen StockCar-Einstieg die alte Penske-Fabrik gekauft, und nach nicht einmal einem Jahr platzt der Shop bereits aus allen Nähten.

Roger Penske hat derweil ein paar Kilometer weiter in Richtung Concord sein neues Domizil hochgezogen. Dort sind neben der NASCAR-Abteilung auch die IRL- und die ALMS-Teams untergebracht, und angeblich plant Penske hinter den Hauptgebäuden bereits den Bau eines kleinen Testovals. In Sachen Ausdehnung und schiere Größe ist das Penske-Areal mit Sicherheit eine Anlage, mit der auch eine Williams-Fabrik in Grove oder Renault in Enstone nicht mithalten können.

Das Mekka des NASCAR-Sports

Red-Bull-Workshop

So sieht es im NASCAR-Workshop des Red-Bull-Teams in Charlotte aus Zoom

Natürlich bin ich jetzt neugierig geworden, und weil alles praktischerweise so dicht beieinander liegt, haben wir noch einen kleinen Abstecher zu den Shops von Ganassi, Hendrick und Earnhardt Inc. unternommen - alle in etwa so groß, wie das Penske-Areal. Eines wird dem staunenden Besucher sofort sonnenklar: Die NASCAR-Facilities brauchen sich in keinster Weise hinter denen der meisten Formel-1-Teams zu verstecken.

Doch zurück zu Red Bull: Die Vorbereitungen an den vier Autos sind heute Abend abgeschlossen und noch in der Nacht brechen die Trucks in Richtung Bristol auf. Die Vorfreude auf den anstehenden Short-Track-Event ist riesig, die NASCAR-Mannschaft spricht in Zusammenhang mit dem dortigen Nachtrennen von "der verrücksteten Party des ganzen Jahres".

Die Bahn in Bristol misst gerade einmal 800 Meter und auf den Tribünen haben über 160.000 Menschen Platz. Die Tickets für das Nachtrennen sind für gewöhnlich binnen einer Woche ausverkauft, und mich freut besonders, dass ich - wenn alles klappt - an den Renntagen direkt in der Nähe der Boxenmauer auf Beobachtungsposten gehen darf. Doug Richert, der Crewchief von Brian Vickers, meint zu diesem Thema nur grinsend: "Wenn die Boxenstopps gemacht werden, dann will ich dich dort nicht sehen, sonst wird es ungemütlich." Klar, kein Problem, das kriegen wir schon hin.

Morgen früh geht es los nach Bristol, etwa drei Stunden Fahrt durch die wunderschöne hügelige Südstaatenlandschaft von North Carolina in Richtung der Appalachen liegen vor uns. Ich bin schon gespannt, wie eine Herde Flitzebogen und eines ist klar: Es wird in jedem Fall eine heiße Angelegenheit werden.