• 30.01.2009 14:42

  • von Pete Fink

Die Geschichte des Daytona 500 (1)

Am 15. Februar startet die 51. Auflage des Daytona 500 - 'Motorsport-Total.com' beschreibt ausführlich die Historie des "Great American Race"

(Motorsport-Total.com) - Daytona und Indianapolis. Diese beiden Orte sind nicht nur in den USA die großen Synonyme für den US-amerikanischen Motorsport. Was das traditionsreiche Indy 500 für die Formelszene darstellt, ist das Daytona 500 für die mittlerweile wesentlich populäreren StockCars der NASCAR-Serie. Am 15. Februar 2009 fällt die Startflagge zur 51. Ausgabe.

Titel-Bild zur News: 1956 Sandkurs Daytona

Heute unvorstellbar: In Daytona wurde früher direkt am Meer gefahren

Das Daytona 500 ist zugleich Saisonauftakt und Saisonhöhepunkt der NASCAR, bei dem wieder weit über 200.000 Zuschauer das mächtige 2,5 Meilenoval des Daytona International Speedways bevölkern werden. Über 30 Millionen Amerikaner werden das "Great American Race" an den TV-Bildschirmen verfolgen. 'Motorsport-Total.com' gibt einen ausführlichen Einblick in die umfangreiche historische Tradition des Daytona 500.#w1#


Fotos: Die Daytona-Geschichte in Bildern


Schon über 50 Jahre vor dem Bau des heutigen Daytona International Speedways gab es am Strand von Daytona automobile Aktivitäten. Der etwas nördlich gelegene Ormond Beach war im Februar 1903 der Schauplatz des ersten organisierten Motorsportrennens in den USA. Ein gewisser Alexander Winston fuhr seinen Winston Bullet mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 68,19 Meilen (109,7 Stundenkilometer) vor einer Handvoll fröstelnder Schaulustiger zum Sieg.

Es war der Auftakt zu einem alljährlich wiederkehrenden Treffen von abenteuerlustigen Erfindern, deren Geldbeutel so gut gefüllt waren, um teilweise sonderbar anmutende Vehikel im Eigenbau zu neuen Geschwindigkeitsrekorden zu führen. So gewann der kleine Badeort Daytona Beach auch schnell an internationalem Ruf.

Bonneville statt Daytona

Der lange Sandstrand von Daytona diente früher fast nur zu Rennzwecken Zoom

Die Entwicklung und die erreichten Geschwindigkeiten schritten schnell voran. 1935 stellte der Engländer Sir Malcolm Campbell einen neuen sagenhaften Rekord auf: Mit sage und schreibe 276,82 Meilen pro Stunde - das sind 445,5 Stundenkilometer - raste Campbell den Strand zwischen Daytona und Ormond entlang.

Es war die große Zeit der Rekordfahrten. Gemessen wurden zwei Läufe in je eine Richtung. Bei einem Lauf durchbrach Campbell sogar die 300-Meilenmarke, konnte diesen Schnitt auf dem Rückweg jedoch nicht bestätigen. Zu rau und zu wechselhaft waren die Bedingungen direkt am Atlantik, weshalb sich das Rekordgeschehen in der Folge in Richtung der großen Salzseen von Bonneville im US-Bundesstaat Utah verlagerte.

Das gefiel den Bewohnern Daytonas natürlich ganz und gar nicht. Ruf und Einnahmen standen auf dem Spiel. In Windeseile stecke man einen 3,2 Meilen langen Kurs ab, der direkt am Meer entlang in Richtung Norden führte. Für den Rückweg benutzte man der Einfachheit halber die Hauptstrasse. Zwei fast komplett flache 180-Grad-Kurven verbanden die beiden Geraden und bereits 1936 fand das erste StockCar-Rennen von Daytona Beach statt. Der New Yorker Milt Marion gewann in einem Ford V8, aber das Event wurde zu einem finanziellen Desaster.

Zwei Jahre zuvor war Bill France mit seiner Familie von Washington nach Daytona Beach gezogen und unterhielt in Florida eine Tankstelle. Auch France nahm an dem Rennen 1936 teil und wurde Fünfter. Es war die wilde Zeit vor der NASCAR, in der einige StockCar-Promoter nur allzu gerne mit der Eintrittskasse durchbrannten - während das Rennen noch lief. Die Preisgelder verschwanden auf diese Art und Weise natürlich genauso.

Daytona und das Meer

Action: Die Zuschauer strömten schon vor NASCAR in Scharen nach Daytona Zoom

In jedem County gab es andere Regeln, doch die spektakulären Rennen zogen auch immer mehr Zuschauer in ihren Bann. Die StockCar-Szene wuchs und wuchs, und am 14. Dezember 1947 gelang es France schließlich, die diversen Interessen unter einen Hut zu bringen. Ort der Verhandlungen war das Streamline Hotel in Daytona Beach.

Unter dem Dach der NASCAR organisiert, nahm die junge Serie nun noch schneller an Fahrt auf. Was deren Chef Bill France jedoch fehlte, war ein Symbol. Die Monoposto-Piloten hatten ihren Indianapolis Motor Speedway und France schielte durchaus neidisch nach Indianapolis.

In Daytona wurde währenddessen nach wie vor am Strand gefahren. Die Veranstalter waren also stark abhängig von den Gezeiten, und die Familie France war es müde, den Beach-Campern am Morgen des Renntages mitzuteilen, dass sie ihre Zelte besser abbrechen sollten, da hier in wenigen Stunden ein Rennen ausgetragen werden würde.

"Wir wussten nie, welche Art von Strecke wir vorfinden würden, nachdem sich die Flut zurückgezogen hatte", erinnerte sich France einmal. "Wir wussten auch nicht, wie hart der Untergrund sein würde. Alles hing davon ab, aus welcher Richtung gerade der Wind blies."

Die Zuschauer strömen in Scharen

Curtis Turner gewann in Daytona 1956 noch auf der Hauptstrasse Zoom

Viele NASCAR-Fans konnten den Eintritt auch komplett umgehen und die Rennen mitverfolgen, ohne einen Dollar zu bezahlen. Allerdings nicht zur Gänze, denn die Strecke war flach und aus keiner Position heraus komplett einzusehen. Nicht einmal von den mittlerweile errichteten Tribünen.

Für die Startaufstellung - von einer Qualifikation im heutigen Sinne war kaum die Rede - fuhren die Piloten am Strand eine Meile lang geradeaus. Das hatte Konsequenzen, denn somit drehte kein Fahrer vor dem Start eine komplette Runde. "Es ging immer ziemlich langsam los, wurde aber nach der Zwei-Meilen-Gerade vor Turn 3 richtig turbulent. Die erste Runde war zugleich Training und die erste Rennrunde. Speziell für die Rookies war das sehr schwierig."

Die Gezeiten bestimmten auch den Zeitplan: Insgesamt standen nur sechs Stunden zur Verfügung, damit die Fans an die Strecke kommen konnten, das Rennen durchgeführt wurde und die Zuschauer im Anschluss wieder nach Hause fahren konnten.

Das bestimmte die Renndistanz: Zunächst fuhr man in Daytona 200 Meilen, die später auf 160 Meilen verkürzt wurden. Bis zu 30.000 Zuschauer strömten Anfang der 1950er Jahre nach Daytona, doch der Ozean hielt sich nicht an die Zeitpläne der NASCAR und forderte in schöner Regelmäßigkeit seinen Tribut ein.

Spionage in Indianapolis

William Bill France NASCAR Gründer

NASCAR-Gründer William "Bill" France Sr. verstarb am 7. Juni 1992 Zoom

In Darlington war in der Zwischenzeit ein erstes komplett asphaltiertes Oval entstanden, doch France dachte in noch größeren Dimensionen. Er wollte seinen Speed-Palast haben - ein mächtiges Oval mit zwei noch mächtigeren Steilkurven. Eine Strecke also, auf der die Zuschauer jeden Winkel des Geschehens mitverfolgen konnten und, ganz entscheidend, auf der die Speeds höher sein sollten als in Indianapolis.

Es war von Anfang an ein wahres Mammutprojekt. "Wenn wir den Motorsport und die damit verbundene Wirtschaftskraft behalten wollen, dann brauchen wir einen Speedway", war das schlagkräftige Argument, das France den Stadtvätern Daytonas unter die Nase rieb.

Im April 1953 begann die Planungsphase. Geldgeber kamen und gingen, das ganze Land interessierte sich plötzlich für dieses Projekt. Speziell in Indianapolis verfolgte man mit Argusaugen die Geschehnisse im Süden. Ein Beispiel? Im Mai 1954 warf die AAA France aus dem Brickyard. Der NASCAR-Chef hatte sich heimlich einen Gästepass organisiert, wurde aber in der Gasoline Alley erkannt und prompt hinaus komplementiert.

Widerstände, Probleme und Schwierigkeiten gab es also viele, doch im November 1957 unterzeichnete France einen Vertrag, in dem er sich ein 200 Hektar großes, mit Zypressen bewachsenes Sumpfgelände im Südwesten der Stadt sicherte. Die Bauarbeiten begannen sofort.

Keine zwei Millionen US-Dollar

Bill France Jr Bill France Sr. 1957

1957: Bill France Jr. (li.) und Bill France Sr. (re.) planen den Daytona-Speedway Zoom

Auch Bauleiter Charles Moneypenny war während der Bauphase mit einigen größeren Problemen konfrontiert. Vor allem, weil France eine maximale Kurvenerhöhung sehen wollte. Diese beträgt auch heute noch 31 Grad, denn diese Steigung war die höchstmögliche für das aufzuschüttende Erdreich. Bei jedem Grad mehr begann das Erdreich wieder den Berg hinunter zu rieseln.

Aus dem Infield musste also tonnenweise Erdreich als Fundament für die beiden mächtigen Steilkurven herangeschafft werden. Die Folge ist der Lake Lloyd, der heute noch das Infield des Superspeedways ziert. Er wurde übrigens benannt nach dem Mäzen J. Saxton Lloyd, dem Chef der Daytona Motor Company, für die France früher arbeitete.

Um die Kurven so plan und eben wie nur möglich zu asphaltieren, wurden die dazu notwendigen Geräte an Ketten befestigt, die wiederum mit oben an dem Bankett verankerten Bulldozern verbunden waren. Die erste Ausbaustufe der Haupttribüne gab 10.000 Zuschauern Platz und als 1959 die Bauarbeiten beendet waren, hatte das Projekt stolze 1,6 Millionen US Dollar verschlungen.

300.000 US-Dollar davon holte France über Aktien herein, die er zum Stückpreis von einem Dollar verkaufte. Unter anderem war Pepsi einer der ersten Daytona-Teilhaber. Ein stolzer France bekannte damals: "Wir haben zwischen dem ersten gefällten Baum und der völligen Fertigstellung keine zwei Millionen US-Dollar verbraucht."

Todesängste und eine Tragödie

Fireball Roberts

Fireball Roberts gewann 1962 in Daytona und kam zwei Jahre später ums Leben Zoom

Die ersten Shakedown-Fahrten begannen und die Piloten waren beeindruckt. "Die einzige Geschwindigkeitsgrenze ist die Frage, wie schnell dein Auto geht - und wie weit deine Nerven ausreichen, um es zu fahren", sagte etwa Fireball Roberts. Lee Pettys Kommentar lautete: "Es gibt keinen Mann, der vor diesem Ort nicht Todesängste hat."

Doch das schönste und auch berühmteste Daytona-Zitat aus dieser Zeit stammt von Jimmy Thompson, das an dieser Stelle ausnahmsweise im englischen Original wieder gegeben werden soll: "There have been other tracks that separated the men from the boys. This is the track that will separate the brave from the weak after the boys are gone."

Und dann drohte alles gleich wieder zu kippen, noch bevor überhaupt die erste Startflagge gefallen war. Lokalmatador Marshall Teague, der in den Jahren 1951 und 1952 eines der Aushängeschilder des Hudson-Hornet-Teams war und die NASCAR ein Jahr später im Streit verließ, wollte am 11. Februar 1959 mit seinem Sumar Special Indy Car einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen.

Doch das Fahrzeug fing Unterluft, hob ab und überschlug sich mehrfach. Teague starb nach einem heftigen Unfall an Ort und Stelle. Dies führte natürlich zu sofortigen Diskussionen zum Thema Sicherheit und für eine kurze Zeit wurden die Sprüche über "France's folly", die Torheit von Bill France in Bezug auf das Daytona-Projekt, wieder hervorgeholt.

Mit einem Fotofinish zum großen Ruhm

Daytona 1959 Lee Petty Johnny Beauchamp

Der legendäre Zieleinlauf von 1959: Lee Petty (mi.) gewinnt vor Beauchamp (u.) Zoom

Aber das weitere Renngeschehen der Daytona-Speedweek blieb von schweren Unfällen verschont. Im Gegenteil, die Zuschauer sahen am 22. Februar 1959 beim Start des ersten Daytona 500 der Geschichte nicht weniger als 59 Autos. Nach 500 Meilen, also 200 Runden später, sahen sie einen Side-by-Side Zieleinlauf zwischen Lee Petty (Oldsmobile) und Johnny Beauchamps (Ford Thunderbird).

Beauchamp wurde als Sieger gefeiert, doch Petty - der Vater der späteren NASCAR-Legende "King" Richard Petty - legte Protest ein. NASCAR sah sich nicht in der Lage, den Zieleinlauf aus eigenen Kräften heraus eindeutig aufzuklären, und France wandte sich via Presse an die Bevölkerung, alle Film- oder Fotodokumente einzureichen, die zur Aufklärung beitragen konnten.

Zwei Tage später wurde Petty zum Sieger des allerersten Daytona 500 erklärt. Doch diese Kontroverse sollte eine Konsequenz haben: "Das war der Moment, in dem Bill France und Lee Petty das Bild des Rennsports von einer reinen Ingenieursübung in eine Form der Unterhaltung überführten" schrieb der Berichterstatter Ed Hinton. "In diesem Augenblick stahl NASCAR die Herzen von allen anderen Formen des Motorsports, und brannte sich im Hirn von Otto Normalverbraucher ein."

Teil zwei des Daytona-Specials beschäftigt sich am Samstag mit dem unaufhaltsamen Aufstieg des Superspeedways, der 1979 eine ungewöhnliche Krönung fand.