• 12.01.2009 14:00

  • von Stefanie Szlapka

Serieys: "Das ist eben Dakar - ein Extrem-Abenteuer"

Mitsubishi-Teamchef Dominique Serieys über die Lage in seinem Team, die nächsten Etappen sowie Reiz und Gefahren der neuen Dakar in Südamerika

(Motorsport-Total.com) - Mitsubishi war mit der Vorgabe bei der Rallye Dakar angetreten, mit dem neuen Diesel-Racing-Lancer den achten Sieg in Folge zu holen. Doch nun, wo es in die zweite Woche der Härteprüfung geht, scheint diese Vorgabe immer schwerer umsetzbar zu sein. Von vier Mitsubishi-Piloten ist nur noch einer dabei: Nani Roma liegt im Gesamtklassement auf Rang vier, Rekordsieger Stéphane Peterhansel, Luc Alphand und Hiroshi Masuoka sind bereits zum Zuschauen verdammt. Mitsubishi-Teamchef Dominique Serieys stellte sich in Chile den Fragen der Reporter über die Lage in seinem Team, die Herangehensweise an die zweite Woche sowie die Reize und Gefahren der Dakar 2009 in Südamerika.

Titel-Bild zur News: Nani Roma

Mitsubishi muss sich beim Abenteuer Dakar nun ganz auf Nani Roma verlassen

Frage: "Es läuft nicht optimal für Mitsubishi - wie ist die Stimmung im Team?"
Dominique Serieys: "Es ist nun einmal die Dakar. Das ist unsere erste Analyse: Es ist die Dakar. Und die Dakar ist nie einfach. Man kann es drehen wie man will: Die Dakar ist sehr hart und wir dürfen uns nicht darüber beschweren, dass es schwierig ist. Wir haben sieben Jahre in Folge gewonnen und wir sind hier mit einem neuen Auto und einem neuen Motor. Warum sollten wir uns also beschweren? Wir sind nicht verärgert, wir sind nicht traurig. Wir sind hier, um uns dem Wettbewerb zu stellen."#w1#

Kein Grund, den Kopf hängen zu lassen

Frage: "Denken Sie, dass die Lage anders wäre, wenn Sie mehr Zeit gehabt hätten, den Motor zu entwickeln?"
Serieys: "Sicher, die Zeit arbeitet gegen einen. Aber hätten wir die Teilnahme an der Dakar absagen sollen? Man muss antreten. Man muss nur den Vergleich zu Peugeot sehen. Peugeot ist angetreten, um in Le Mans zu fahren und muss auch noch auf den Sieg warten - aber sie müssen fahren. Man engagiert sich im Motorsport, um sich dem Wettbewerb zu stellen. Man darf nicht sagen: 'Oh, wir denken, dass wir vielleicht erst antreten sollten, wenn wir gewinnen können'. Nein - wir haben die beste Entscheidung getroffen, nämlich hier mit zu fahren. Es wäre einfach gewesen zu sagen: 'Wir haben gewonnen und jetzt hören wir auf'. Aber wir stellen uns jetzt der neuen Herausforderung - und noch haben wir nicht verloren."

"Wir stellen uns jetzt der neuen Herausforderung - und noch haben wir nicht verloren." Dominique Serieys

Frage: "Mit welcher Strategie fährt das Team jetzt, nachdem nur noch Nani Roma im Rennen ist?"
Serieys: "Wir fahren genauso weiter. Wir dürfen nicht zurückstecken, denn die Lücke nach vorn ist nicht so groß. Die anderen an der Spitze werden weiter kämpfen, selbst wenn Volkswagen eine Teamorder ausgeben sollte - ich kenne die Charaktere einiger der Fahrer. Und wir werden sehen, wie es für unser Team und für Nani läuft. Wenn er ein gutes Ergebnis holt - prima. Und wenn nicht - dann ist das eben so im Leben und dann werden wir uns im nächsten Jahr zurückmelden."

Frage: "Wo liegen im Moment die Stärken und die Schwächen des Autos?"
Serieys: "Es gibt keine wirklichen Schwächen. Wenn man sich die Performance auf diesen langen Etappen anschaut, dann würde ich sagen, dass uns in Sachen Motorleistung etwa zehn Prozent fehlen. Aber wir sind im ersten Jahr, die anderen haben viel Entwicklungs-Vorsprung. Und wir wissen, dass auch sie hart arbeiten. Wir dürfen jetzt nicht sagen: 'ah, das ist so blöd, das ist so schade' - nein, wir engagieren uns hier im Motorsport und dann gewinnen wir eben später."

Südamerika Serieys' Wunschkontinent

Frage: "Die Dakar fährt erstmals in Argentinien und Chile. Wurde die Route extra so anspruchsvoll und heftig angelegt, damit die Fahrer Afrika nicht vermissen?"
Serieys: "Man kann Afrika nicht vermissen. Es wäre falsch, zurückzublicken, man muss das nehmen, was sich im Moment bietet. Heutzutage ist Südamerika ein großartiger Kontinent, die Leidenschaft der Leute in Argentinien und Chile ist unglaublich und die Organisatoren haben in nur neun oder zehn Monaten einen herausragenden Job gemacht. Und wenn wir im nächsten Jahr wiederkommen sollten, dann wird es mit Sicherheit noch viel, viel größer sein. Denn die Leute werden uns erwarten, die Organisatoren werden dazulernen. Und die Dakar muss hart sein - sie ist ein Extrem-Abenteuer."

"Ich war derjenige, der sich dafür stark gemacht hat, dass wir hier fahren." Dominique Serieys

Frage: "Gefällt es Ihnen hier?"
Serieys: "Ganz klar. Ich war derjenige, der sich dafür stark gemacht hat, dass wir hier fahren. Vor ein paar Jahren, 2005 und 2006, habe ich die ASO gebeten, hier zur Pampas-Rallye zu kommen, um sich den Kontinent anzusehen. Und als die Dakar im vergangenen Jahr abgesagt wurde, war ich derjenige, der gesagt hat, dass wir die Option wahrnehmen müssen, in Südamerika zu fahren."

Frage: "Werden die nächsten Tage noch härter als die erste Woche?"
Serieys: "Das scheint so, aber wir wissen es noch nicht. Wir haben vielleicht in der zweiten Hälfte einen kleinen Vorteil. Luc Alphand und Nani Roma sind hier schon ein paar Mal gefahren, damit kennt Nani zumindest ein paar der Etappen. Wir wissen, dass sie sehr hart werden. Die Etappen zehn und elf, von Copiapo nach Fiambala, werden richtig heftig. Wir müssen abwarten."

"Die Etappen zehn und elf, von Copiapo nach Fiambala, werden richtig heftig." Dominique Serieys

Frage: "War die Vorbereitung für Autos und Fahrer auf Südamerika anders als auf Afrika?"
Serieys: "Nein, da war nicht viel Unterschied. Natürlich muss man anders mit der Höhe und den Temperaturen umgehen können. Da stimmt man das Auto anders ab, denn in Afrika sind die Temperaturen geringer, da wir im Winter auf der Nordhalbkugel der Erde gefahren sind. Durchschnittlich war es in Afrika vielleicht 15 Grad kühler. In Marokko konnte es sogar noch kälter werden, da hat es morgens schon mal minus zwei, minus drei Grad gehabt."

Sorgen um die Sicherheit

Frage: "In der ersten Etappe war es für die Autos sehr schwierig, die Motorräder zu überholen. Sollte man da eine andere Lösung suchen - denn es ist ja auch gefährlich? Oder gehört das einfach zur Dakar dazu?"
Serieys: "Ich möchte nicht sagen, dass es zur Dakar dazugehört. Und es ist auch eine Frage der Sicherheit, wenn man erst die Motorräder, und dann die Autos, Quads und Trucks hat. Aber die Organisatoren vom ASO sind sehr erfahren, sie haben dann sofort die Lücke zwischen den Kategorien um eine Stunde vergrößert. Aber es ist sehr schwer, bei dieser langen Karawane von Teilnehmern für Sicherheit zu sorgen. Denn die Sicherheits- und Medizincrews fahren ja auf derselben Route wie die Teilnehmer. Deshalb ist es schwierig, wenn man das Feld noch weiter auseinanderzieht."

"Wenn einen ein Renntruck überholt, hat man für den Rest seines Lebens Angst." Dominique Serieys

"Wir sind schon besorgt, aber man muss einfach umsichtig vorgehen. Zu Beginn der ersten Etappe habe ich zu Stéphane Peterhansel, der als Erster gefahren ist, gesagt: 'Gehe kein Risiko ein, fahr kein Motorrad um'. Aber es ist nicht so einfach, denn das Auto läuft auch sehr ruhig. Früher war das Auto sehr laut, jetzt hört man nichts mehr. Selbst wenn das Sentinel-System startet, realisieren rund 60 Prozent der Biker nicht, dass ein Auto kommt. Sie bekommen das Signal und denken vielleicht, dass hinter ihnen ein weiteres Motorrad ist, sie denken nicht daran, dass es das erste Auto sein könnte."

"Noch schlimmer wird es für die Motorräder, wenn die ersten Renntrucks kommen. Denn wenn die vorbeifahren, dann staubt es richtig, das ist unglaublich - als ob es Nacht wird. Selbst wenn man in einem Rennauto sitzt: Wenn einen ein Renntruck überholt, hat man für den Rest seines Lebens Angst. Man kann das kaum glauben. Yvan Muller ist das passiert - er hat geweint, weil er dachte, dass er stirbt. Er sagte: 'Ich war mir sicher, dass ich tot sein werde. ich bin 130, 140 gefahren und plötzlich habe ich gar nichts mehr gesehen.' Das nächste Problem sind die tiefen Spurrillen, die von den Trucks hinterlassen werden - und wir sind nicht in der Wüste und können einfach ausweichen. Wenn man von der Piste fährt, bleibt man stecken. Viele sagen, dass es ein Albtraum ist. Vielleicht treffen die Organisatoren die Entscheidung, dass der erste Truck später, nach dem letzten Auto startet."