• 27.12.2012 08:08

  • von Roman Wittemeier

Gass: "Wertigkeit der WEC wird steigen"

In Le Mans gewonnen, in der WEC alle Titel eingefahren: Audi blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück - Rennleiter Dieter Gass im Interview

(Motorsport-Total.com) - Auf der Zielgeraden der WEC-Saison 2012 war Toyota der Konkurrenz von Audi ebenbürtig, phasenweise sogar voraus. Allerdings können die Ingolstädter mit dieser Tatsache gut leben. Man feierte beim Highlight des Jahres in Le Mans einen Dreifach-Triumph, ließ sich den ersten Hybridsieg in der Geschichte des berühmten 24-Stunden-Rennens notieren und räumte in der neuen WM alle Titel ab. Die Bilanz könnte besser nicht sein. Audi-WEC-Einsatzleiter Dieter Gass über die Saison 2012 und die Hoffnungen für die Zukunft.

Titel-Bild zur News: Dieter Gass (Chefingenieur)

Dieter Gass rechnet in Zukunft mit einem höheren Stellenwert für die WEC Zoom

Frage: "Dieter Gass, wie fällt die Bilanz der ersten WEC-Saison aus Sicht von Audi aus?"
Dieter Gass: "Grundsätzlich sind wir zufrieden. Es war im ersten Jahr der neuen WM eine interessante Meisterschaft. Der Publikumszuspruch an den Rennstrecken spiegelte den guten Sport eher mit wechselndem Erfolg wider. In der Vermarktung der Serie sehen wir deutliches Verbesserungspotenzial - vor allem im Bereich TV. Das muss man in den kommenden Jahren angehen, man muss aktiver und präsenter werden."

"Man konnte allerdings auch nicht davon ausgehen, dass in der ersten Saison bereits alles perfekt sein würde. Wir selbst sind bereits jetzt sehr aktiv. Wir haben zum Beispiel Audi TV, wo sich interessanterweise auch Leute von der Konkurrenz immer gern einige Informationen holen. Audi TV werden wir sicherlich weiterführen. Es müssen aber auch von Seiten der Veranstalter entsprechende Prioritäten gesetzt werden."

Bisher überstrahlt Le Mans alles

Frage: "Wie bewerten sie den Kalender 2013? Wie sehr schmerzt der Verlust des Klassikers in Sebring?"
Gass: "Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir auch 2013 gern wieder einen WEC-Lauf in Sebring gehabt hätten. Die Strecke in Austin sieht interessant aus. Aber man hat dort - im Gegensatz zu Sebring - keinerlei Langstrecken-Tradition. Dort muss man sich erst einmal ein gewisses Standing erarbeiten. Eine etwas größere Präsenz auf dem asiatischen Markt würden wir begrüßen - Indien zum Beispiel wäre gut."

Sebastian Vettel, Lewis Hamilton

2013 wird die WEC auf der neuen Strecke im texanischen Austin gastieren Zoom

Frage: "Le Mans war das Highlight des Jahres. Wir die neue WM irgendwann so wichtig, dass sie in ihrer Gesamtheit ähnlich starke Aufmerksamkeit erhalten wird wie der Einzelevent an der Sarthe?"
Gass: "2012 hat Le Mans die weiteren WEC-Läufe noch überstrahlt. Ich gehe aber davon aus, dass sich dies in Zukunft schrittweise verschieben wird."

"Bei entsprechender Vermarktung wird die WM als Gesamtpaket einen besseren Stellenwert bekommen. In Bezug auf die Wertigkeit wird es in Zukunft vielleicht zwischen WEC insgesamt und Le Mans als Einzelevent bei 50 zu 50 sein. Le Mans als Highlight hat immer eine gewisse Nachwirkung, aber eine WM ist etwas, womit man auf langfristige Sicht etwas anfangen kann."

Traditionen sollen fortgeführt werden

Frage: "In Le Mans hält man an alten Traditionen fest. So dauert der Event insgesamt über eine Woche, zieht sich also erheblich in die Länge. Ist dies noch zeitgemäß?"
Gass: "Le Mans ist ein ganz besonderes Thema mit vielen Traditionen. Man sollte ganz vorsichtig sein bezüglich etwaiger Veränderungen. Rein technisch gesehen braucht man beispielsweise diese vier langen Trainingssitzungen nicht. Die Fahrer brauchen selbstverständlich ihre Zeit im Auto, um sich auf das Rennen vorzubereiten, aber bezüglich des Autos braucht man nicht so viel Zeit."

"Wenn man rein auf die Kosten schaut, dann wären verkürzte Trainingssitzungen wahrscheinlich auch ausreichend und einfacher zu handhaben. Le Mans lebt von Traditionen. Das fängt schon mit der Fahrzeugabnahme in der Innenstadt an. Wir reisen eine Woche vorher an, wenn wir die Abnahme am Sonntag in der City haben. Die Begeisterung vor Ort und die Leidenschaft, mit der die Menschen es diese Prozedur verfolgen, lassen keinen Bedarf an Veränderung erkennen."


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Frage: "Inwieweit hat der Einzug der Hybridsysteme den Sport verändert?"
Gass: "Der Hybrid verändert die Herangehensweise an ein Rennwochenende und die Abstimmung des Autos deutlich. Auch die Fahrzeug-Performance ist anders zu bewerten. Der Hybrid ist hierbei ein wichtiger Faktor, der sich in Zukunft noch verstärken wird."

"Hat der Hybrid den Motorsport allgemein verändert? Eher nein, würde ich sagen. Für den Ingenieur ist es ein weiteres Element, um das Auto schneller zu machen. So gesehen ist dies kaum anders zu betrachten als ein neuer Motor. Der Hybrid hat allerdings den charmanten Effekt, dass er als umweltverträgliches Element gilt, der im Motorsport für die Serie entwickelt wird."