24h-Hitzerennen: Selbst für erfahrene Teams ein Schuss in Blaue
Die 24 Stunden vom Nürburgring 2025 werden besonders: Ein solches Hitzerennen ist in der Eifel selten - Warum die Karten völlig neu gemischt werden
(Motorsport-Total.com) - Mehr als 30 Grad Celsius, strahlender Sonnenschein, komplette Trockenheit: Was sich nach einem Italien-Urlaub anhört, ist der Wetterbericht für das 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 2025. Während die Fans sich auf eine Sommerparty freuen dürfen, sorgen die Bedingungen bei den Teams durchaus für Konfusion.

© Gruppe C Photography
Herausforderung Gluthitze: Falken ist eines der wenigen Teams, die für solche Bedingungen üben konnten Zoom
Denn niemand hat in jüngerer Zeit für solches Wetter trainieren können. Motorsport-Total.com sprach mit verschiedenen Fahrern und GetSpeed-Teamchef Adam Osieka über die Herausforderung der Hitze. Dabei geht es vor allem ums Thema Reifen, denn Asphalttemperaturn von 45 bis 50 Grad Celsius sind am Nürburgring absolute Ausnahmeerscheinungen.
Kaum belastbare Daten vorhanden
"Wir hatten noch nie so heiße Temperaturen hier", sagt Adam Osieka, Teamchef von GetSpeed. "Wir müssen uns jetzt bei den Temperaturen mit dem Reifen-Compound 'Hot' auseinandersetzen und schauen, dass wir das, was wir aus den letzten Rennen gelernt haben, auf den Hot-Reifen umsetzen können."
Doch Tests unter vergleichbaren Bedingungen gab es kaum. "Wir haben das mal in der NLS versucht, aber da bekommt man keine genauen Daten", erklärt Osieka. "Bei so einem Wetter ist das selbst mit einem bekannten Auto ein Schuss ins Blaue."
Hinzu kommt, dass Michelin einen neuen Reifen für diese Saison entwickelt hat, um die Problematik mit den Reifenschäden aus den vergangenen Jahren in den Griff zu bekommen. "Den sind wir vorher nie gefahren. Und wenn man den Reifen für diese Temperaturen bei kälteren Temperaturen testet, dann bekommt man da keine klaren Aussagen."
Adam Christodoulou, Fahrer im GetSpeed-AMG #17, ergänzt: "Mit Medium-Reifen bist du zwei Runden schnell, dann bauen die Reifen ab. Da können wir nur auf die Nacht hoffen [wenn wir den bekannten Medium fahren wollen]."
Selbst die Favoriten tappen im Dunkeln
Auch Rowe Racing setzt an seinem BMW M4 GT3 Evo setzt die neuen Michelin-Reifen ein am Start und hat mit Raffaele Marciello, Jesse Krohn, Kelvin van der Linde und Augusto Farfus hochkarätige Namen im Auto. Doch diese Bedingungen sind auch für sie Neuland. Noch heftiger ist gerade für Marciello, van der Linde und Farfus aber die physische Belastung, denn sie wagen den 24h-Triple-Header.
"Das wird eine harte 24-Stunden-Schlacht", sagt Marciello. "Man schwitzt mehr, das Auto leidet mehr, die Reifen leiden mehr - alles wird schwieriger. Der Juni ist mit den drei 24-Stunden-Rennen sehr anstrengend, da sind solche Bedingungen für uns natürlich noch härter."
Kelvin van der Linde ergänzt: "Bei diesen Temperaturen wird auch der Turbolader stärker belastet. Und klar, auch die Reifen nutzen sich schneller ab." Für sich selbst sieht er weniger Probleme: "Zu diesem Zeitpunkt im Jahr sind wir 'car-fit', wie wir es nennen. Wir sind so viel gefahren, dass wir jetzt in einem guten Rhythmus sind."
Jesse Krohn setzt auf knallharte Vorbereitung für genau solche Fälle: "Ich gehe regelmäßig in die Sauna. Wenn du die Hitze nicht verträgst, bringt dir die beste Fitness nichts."
Farfus erwartet Überraschungen: "Ich erinnere mich nicht an ein so warmes 24h-Rennen. Das Set-up, die Reifen - alles wird anders beansprucht. Im Cockpit wird es wärmer. Selbst Michelin war vom Wetter überrascht. 50 Grad Streckentemperatur sind ein seltenes Ereignis in der Eifel. Ich denke, wir werden Überraschungen erleben."
Ferrari mit Yokohama-Reifen: Plötzlich auf Augenhöhe?
Besonders spannend ist die Situation beim Ferrari 296 GT3 des Kondo-Teams, das auf Yokohama-Reifen setzt. Die von Rinaldi Racing betreute Mannschaft steht im ersten Jahr. Da aber sonst auch niemand Erfahrungen bei dieser Hitze hat, sind die Voraussetzungen plötzlich gleuch, zumindest auf dem Papier.
"Jedes Mal, wenn wir rausfahren, ist es ein neues Erlebnis", sagt Thomas Neubauer. "Wir haben kaum Erfahrung - und mit dem harten Reifen, den wir jetzt fahren sollen, haben wir noch nie auf der Nordschleife getestet." So geht es aber eben auch zahlreichen Michelin-Teams.
Immerhin brachte eine rote Flagge im Top-Qualifying dem Team noch wichtige Erkenntnisse: "Da konnten wir noch ein bisschen in das Fenster rücken, das wir gesucht haben." Das zahlte sich aus, im Top-Qualifying stellte er den Ferrari 296 GT3 sensationell in die erste Startreihe.
Die Pole-Runde von Kevin Estre im "Grello"
An einen Vorteil glaubt er aber nicht: "Wir haben weniger Autos im Rennen als Michelin und lernen entsprechend langsamer. Und dann sind wir auch noch ein frisches Team hier oben."
Marco Mapelli, der im Abt-Lamborghini #28 fährt, ist den harten Reifen immerhin schon einmal gefahren, allerdings natürlich bei ganz anderen Temperaturen: "Wir haben schon ein paar Daten aus der NLS, aber nicht genug für solche Temperaturen. Michelin gibt Empfehlungen, aber es bleibt kompliziert. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht ist groß, das Set-up muss beides können."
Scherer-Phx mit Michelin statt Yokohama
Luca Ludwig geht im Titelverteidiger-Auto #1 an den Start und begrüßt das trockene Wetter: "Lieber das als Sturm und Abbruch. Fehler darf man sich jetzt nicht erlauben, denn verlorenen Boden aufzuholen gibt es bei so einem Sprint über 24 Stunden kaum."
Nach dem Wechsel auf Michelin-Reifen schöpft das Team Hoffnung: "Wir wissen, wie das Auto grundsätzlich einzustellen ist. Ein paar Stellschrauben helfen uns, auch bei Hitze konkurrenzfähig zu sein."
Dem Scherer-Team hilft hier die Erfahrunn aus den Zeiten als Phoenix Racing - und die Tatsache, dass man ganzjährig auf der Nordschleife fährt. "Wir haben mit dem Michelin-Reifen viel Erfahrung. Die Mechaniker wissen genau, wie sie das Auto einstellen müssen. Entscheidend sind dann die Asphalt-Temperaturen. Ich mache mir da keine Gedanken."
Falken-Porsche #44: Bestens vorbereitet - weil man viel fährt
Ein weiteres Team, das auch die Hochsommer-Rennen der NLS nach dem 24-Stunden-Rennen mitnimmt, ist Falken Motorsport. Denn hier gab es zumindest einzelne Tage, an denen es echte Hitzeschlachten gab.
Tim Heinemann, einer der Fahrer im Falken-Porsche #44, wittert Morgenluft: "Wir fahren Reifen, die wir kennen - keine Überraschungen. Die Hitze bringt neue Herausforderungen, aber wir wissen, wie wir reagieren müssen. Durch die NLS haben wir einfach mehr Daten."
Heinemann bestätigt, dass Falken die Reifen, die jetzt im Rennen zum Einsatz kommen werden, "schön öfter gefahren" sei. wir haben jetzt keinen speziellen Reifen für heute oder für morgen. Das sind unsere Reifen für diese Bedingungen, für diese Temperaturen. Von dem her haben wir da schon viele Kilometer. Und auch als Fahrer hilft dir jeder Kilometer hier oben."
Ob Michelin, Falken oder Yokohama, ob Mercedes-AMG, BMW, Ferrari, Lamborghini, Audi oder Porsche - alle Hersteller sehen sich mit einer Situation konfrontiert, die auf der Nordschleife äußerst selten ist. Es gilt, den Reifen über acht Runden am Leben zu erhalten und in der Hitze des Gefechts keine Fehler zu machen.
Gerade auch der Übergang von Tag zu Nacht sorgt bei Hochdruck-Bedingungen für großer Unterschiede gerade in der Asphalttemperatur. Der Zeitpunkt zum Wechsel auf die richtige Mischung muss genau getroffen werden. Klar ist: Dieses Rennen könnte für Überraschungen sorgen.


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