• 10.05.2023 11:07

  • von Roland Hildebrandt

Kennen Sie den noch? Unterwegs im Audi 200 5T von 1981

Was heutzutage der A8, war vor über vier Jahrzehnten in gewisser Weise der Audi 200 - Wir sind die erste Generation mit Turbo gefahren

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Heute ist bei Audi gefühlt alles Premium. Ob zu Recht, sei dahingestellt. Aber es war ein langer Weg bis zur Wahrnehmung als noblere Marke im Vollkswagen-Konzern. Wie dieser anfing, zeigt sehr schön der Audi 200 der ersten Generation alias C2 alias Typ 43. Über 40 Jahre später pilotiere ich ein Modell von 1981.

Titel-Bild zur News: Audi 200 5T (1981) im Test

Audi 200 5T (1981) im Test Zoom

Zugegeben: Eigentlich wollte ich von der Audi Tradition einen 200 der zweiten Generation haben. Jener Windkanalkönig, der jetzt 40 Jahre alt wird und als Dienstwagen von Professor Brinkmann aus der Schwarzwaldklinik berühmt wurde. Stattdessen gab es einen 200 5T, Baujahr 1981, also den Vorgänger. Schlimm? Überhaupt nicht! Denn wann haben Sie zuletzt einen frühen Audi 200 gesehen?

Und für mich als Freund des Wankelmotors hat der erste 200 noch eine weitere Bedeutung, doch dazu später mehr. Zunächst einmal mustere ich die silberfarbene Limousine ganz genau. Wer hat den 200 C2 überhaupt noch auf dem Schirm? Ich denke zurück an meine Kindheit: Ein Audi 100 fand sich schon mal in der Nachbarschaft, aber ein 200? Den gab es bei mir nur als Spielzeugauto von Siku in Grünmetallic.

Die nackten Zahlen bestätigen meinen Eindruck: 51.282 Audi 200 C2 wurden in vier Jahren gebaut, im gleichen Zeitraum aber das Zehnfache an Audi 100. Kein Wunder, schließlich kostete ein 200 deutlich mehr. Aber blicken wir gemeinsam zurück: Seit 1975 war Ferdinand Piëch Technikvorstand bei Audi NSU, wie das Unternehmen damals hieß. Im Jahr darauf kam mit dem neuen Audi 100 5E der erste Fünfzylinder-Benziner auf den Markt.

Aber Piech wollte noch mehr. Auf der IAA 1979 stellte Audi den 200 vor. Ein offensiver Vorstoß der bis dato etwas biederen Marke Audi in Richtung obere Mittelklasse. Oder wie es Herr P. im Rahmen der Pressefahrvorstellung Anfang 1980 ausdrückte: "Es hat nach oben was gefehlt."


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Doch der 200 trug einen Makel, den auch sein Nachfolger und der spätere V8 nicht loswurden: Er war ein aufgebrezelter Audi 100 und sah genauso aus. Eine geänderte Frontpartie mit eckigen Doppelscheinwerfern, mehr Chrom und große Alufelgen. Das wars. Wobei die spezielle Frontpartie rückblickend durchaus Sinn ergibt: Sie ähnelt dem Gesicht des 1980 präsentierten Audi quattro. Zwei Modelle, die frischen Wind durch Ingolstadt wehen ließen.

Ich steige in "meinen" 200 5T ein und sehe mich um. Unverkennbar Audi-100-Flair, aber plüschiger eingerichtet. Das Muster der Velourspolster atmet den Zeitgeist von 1981, ein Highlight (und heute gesucht) sind die separaten Kissen auf der Rückbank.

Ausstattungsmäßig ließ sich Audi nicht lumpen. Unter anderem serienmäßig waren Metallic-Lackierung, Zentralverriegelung, elektrische Fensterheber, Stereo-Kassettenradio und vier Rahmen-Kopfstützen. Das möchte man auch meinen bei damals nicht unerheblichen 33.850 DM für den 200 5T Automatik.

Passend zur sachlichen Außengestaltung ist die Bedienung maximal funktional. Vor große Rätsel stellt mich das Cockpit jedenfalls nicht. Interessant: Ein Kippschalter zur manuellen Aktivierung des ABS. Nun aber los!

Der Automatik-Wählhebel gleitet in D, mit sonorem Fünfzylinder-Klang trabt der 200 vorwärts. Sobald ich stärker aufs Gas steige, kündet das Pfeifen des Turboladers vom Hightech-Triebwerk unter der Haube. Auf dem Lenkrad protzt ein fetter Schriftzug und signalisiert DEN Hit der 1980er-Jahre: TURBO.

Ursprünglich war auch eine Version mit Wankelmotor vorgesehen und zwar mit 125 kW (170 PS), von der einige Vorserienfahrzeuge gebaut wurden. Zugunsten des kostengünstiger zu produzierenden Fünfzylinder-Turbomotors wurde der Wankelmotor im VW-Konzern jedoch nicht weiter verfolgt. Hinzu kamen Verbrauchsnachteile und schwieriger zu behandelnde Abgasemissionen. Einen der Wankel-200 bekam Felix Wankel himself zum 80. Geburtstag. Samt Begleitschreiben mit Glückwünschen und der Bitte, den Wagen aufgrund prekärer Ersatzteillage eher nicht zu fahren.

Und der Otto Normalfelix? Im 200 5E gab es saugende 136 PS für die knapp 4,70 Meter lange Limousine (ein 200 Avant kam erst mit dem Nachfolger) und den beliebteren 5T mit Turbo und 170 PS. Beliebter schon deshalb, weil es den 5T nicht im Audi 100 gab. Die Fahrleistungen konnten und können sich sehen lassen: 8,7 Sekunden auf 100 km/h und 202 km/h Spitze mit 5-Gang-Getriebe, mit Automatik immer noch 9,4 Sekunden und 195 km/h.

Audi 200 5T (1981)

Audi 200 5T (1981) Zoom

Viel wichtiger: 265 Nm Drehmoment bei 3.300 Umdrehungen plus innenbelüftete Scheibenbremsen vorne. Damit kann der 5T noch heute gut mithalten, wenngleich die Automatik das Temperament etwas abfedert. Schaltrucke der Dreigang-Box spüre ich aber kaum, was gut zum eher komfortablen Charakter der Limousine passt. Ein allzu großer Dynamiker ist der weich abgestimmte 200 nicht. Wer das wollte, war mit dem 30 PS stärkeren Audi quattro besser bedient.

Wirklich schön ist der markante Fünfzylinder-Klang. In meinen Gruppe-B-sozialisierten Ohren schwingt da stets ein Hauch von Rallye und Walter Röhrl mit. Der Audi-200-Prospekt vom August 1980 brachte es ziemlich gut auf den Punkt: "Unsere unkonventionelle Komfort-Limousine", hieß es dort. Und weiter: "Mit diesem Motor ist der Audi 200 [5T] der stärkste Europäer, der die Vorzüge des Frontantriebs besitzt." Noch mehr Lyrik gefällig? Hochleistungs-Fahrwerk! Höchster Komfort! Zwei Aschenbecher und Zigarrenanzünder für die Fondpassagiere!

Ich bringe den Audi 200 5T in Diamantsilbermetalliic Z4 wieder zurück zu seinen Besitzern und sinniere: In gewisser Weise war dieses Auto der VW Phaeton seiner Zeit, übrigens auch eine Piëch-Kreation. Faszinierende Technik mit höchstem Anspruch, aber optisch zu dicht an gewöhnlicher Massenware. Quasi Drei-Sterne-Küche auf einem Ikea-Teller.

Audi-Klassiker im Fahrbericht:
Zeitreise: Unterwegs im Audi 100 (1968-1976)
Zeitreise: Unterwegs im Audi Sport quattro von 1984

Dennoch war der 200 aus Unternehmenssicht ein wichtiges Modell für die Marke. Autofans merkten: Die können was in Ingolstadt und Neckarsulm. Mehr als brave Audi 50, 80 und 100 bauen. Heute ist der Trendsetter ein echte Rarität, gerade einmal zwei C2 entdecke ich im Netz, beides 5E. Aber Mercedes kann ja jeder kaufen ...

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