• 27.04.2009 12:15

  • von Uwe Winter

Winter-Kolumne: Der "Marrakesch-Express" rollt

Neue Kolumne bei 'Motorsport-Total.com': 'Eurosport'-Kommentator Uwe Winter blickt voraus auf die Rennpremiere auf dem Stadtkurs von Marrakesch

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Titel-Bild zur News: Uwe Winter

'Eurosport'-Kommentator Uwe Winter freut sich schon auf das WTCC-Debüt in Afrika

In wenigen Tagen beginnt ein neues Kapitel der Tourenwagen-WM: Über 50 Jahre nach dem Grand Prix von Marokko in Casablanca freuen wir uns auf den nächsten WM-Lauf auf marokkanischem Boden. Die wenigsten Starter der WTCC waren, im Gegensatz zu meinem 'Eurosport'-Co-Kommentator Dirk Adorf und auch meiner Wenigkeit, bereits 1969 geboren, als Crosby, Stills & Nash den Zug besangen, der nicht nur die Hippies in der Berberstadt Marrakesch beförderte. Für westliche Beobachter bleibt nach wie vor der orientalische Eindruck: Die Streckenführung des neuen 4,6 Kilometer langen Stadtkurses führt zum Glück nicht über den berühmten "Djemaa el Fna", dem "Platz der Geköpften".

Gesunde Härte und spektakuläre Zweikämpfe gehören zum Pflichtprogramm der WTCC, aber ganz so martialisch sollte es bei der Tourenwagen-Premiere in der Königsstadt nicht zugehen - okay, der ein oder andere Pilot im Starterfeld ist für seine (über-) harte Gangart bekannt, leider hat das Sportgericht der FIA mit seinem aktuellen Urteil im "Fall Tarquini" in Puebla wieder mal nicht hart durchgegriffen. Das heißt: Fortsetzung folgt bei einem der nächsten Rennen...#w1#

Chevrolet auf Stadtkursen traditionell schnell

Am Fuße des Hohen Atlas-Gebirges in 450 Meter Höhe sollten die Diskussionen über den Turbo-Vorteil wegen der Höhenluft eher zu vernachlässigen sein: Die Fertigstellung des neuen Straßenkurses läuft in diesen Tagen auf Hochtouren und ich hoffe, dass bis auf kleine Unwägbarkeiten alles funktionieren wird. Selbst das erste Stadtrennen in Helsinki 1995 war nicht frei von Problemen und wir hatten am ersten Trainingstag stundenlange Verspätungen aufgrund der zahlreichen Abflüge. Vom Layout her sollte der Kurs den TDI-Piloten taugen: Enge, spitze Kurven und Schikanen, dazwischen lange Geraden - da werden Erinnerungen an die alte Berliner AVUS wach.

Nicola Larini

Nicola Larini wartet noch auf seinen ersten WTCC-Sieg. Klappt's in dieser Saison? Zoom

Bislang war Chevrolet das Maß der Dinge bei den Stadtrennen - ob Porto, Pau, oder Macao: Der Lacetti war überall wendig und entsprechend erfolgreich. Der neue Cruze wirkte dagegen an den ersten beiden Wochenenden in Curitiba und Puebla weniger agil: Eine gute Grundbasis für ein neues Fahrzeug, neutraler vom Handling, aber fehlender Topspeed aufgrund der großen Stirnfläche des Fahrzeugs.

Alain Menu fehlt als alten BTCC-Hasen das unruhige Heck des Lacetti, mit dem er bislang insbesondere auf den Stadtkursen erfolgreich war. Vielleicht ein Vorteil für Nicola Larini, der seinem ersten Sieg in der WTCC weiterhin hinterher fährt und sich im neutraler liegenden Cruze wohler fühlt. Aber auch für Larini gilt das gleiche wie für einen anderen Ex-Formel-1-Piloten aus der aktuellen DTM: Spätestens in der Saison 2009 muss ein Sieg her!


Fotos: Streckenaufbau in Marrakesch


Neu: Das Kompensationsgewicht

Die für die WTCC neu eingeführten Kompensationsgewichte könnten in Marrakesch erstmals für einige Veränderungen der Kräfteverhältnisse im Starterfeld sorgen: Mit meinem Co. Dirk habe ich mich bereits vor einiger Zeit darauf verständigt, dieses Thema während unserer Berichterstattung eher zu vernachlässigen: Der unbedarfte Zuschauer, der eher unregelmäßig zu "Real Cars. Real Racing" zappt, den würden wir mit diesen Gewichtsregularien eher verwirren.

Yvan Muller

Fragezeichen: Haben Yvan Muller und SEAT ihre Karten komplett aufgedeckt? Zoom

Fakt ist, dass die Ladas und die Chevrolets in Afrika um 60 kg gegenüber den Diesel-SEATs und BMWs leichter sein dürfen. Nach den registrierten Rundenzeiten der beiden ersten Wochenenden in Süd- und Mittelamerika geht diese FIA-Entscheidung nach dem Reglement rechnerisch absolut in Ordnung. Ob alle SEAT-Werksfahrer das wahre Potential des weiter entwickelten TDIs wirklich gezeigt haben, bleibt weiterhin offen.

Die Topspeed-Messungen sehen fast immer die Turbo-Piloten in Front, aber in den Kurven, wo eher selten überholt wird, relativiert sich dies. Ältere Tourenwagen-Insider erinnern sich da an identische Beobachtungen mit leistungsstarken Fahrzeugen aus dem gleichen Konzern zu Beginn der 90er-Jahre, als noch Hubraum statt Diesel angesagt war. Beide Tourenwagen haben eines gemeinsam: "Jede Menge Qualm (und damit auch Drehmoment) an der Kette..."

BMW in Lauerstellung, Lada in Lernphase

Bei BMW - in der Formel 1 bislang auch nicht auf Zielkurs - sieht man die aktuelle Gewichtseinstufung in der WTCC deutlich distanzierter. Hoffen wir auf mehr Klarheit nach den nächsten Rennen in Marrakesch, Pau und Valencia. Das überarbeitete Facelift sollte den Bajuwaren nach meiner Einschätzung weniger Zeitsprünge ermöglichen als bei Chevrolet, wo erstmals die flachen Unterböden im Cruze Verwendung finden werden. Im Lada-Lager muss man realistisch sein und kann nur auf deutliche Verbesserungen mit dem moderneren Priora hoffen, der ab Porto zur Verfügung stehen soll.

Augusto Farfus

BMW wird in Marrakesch mit einem leicht veränderten BMW 320si vorstellig werden Zoom

Mit meinem "Spezi" Dirk tausche ich mich auch mal über Randthemen des Motorsports aus: Wir freuen uns auf den vermutlich orientalisch angehauchten Auftritt der Grid-Girls, dem obligatorischen Bauchtanz oder dem möglichen Besuch von Staatsoberhaupt König Mohammed VI. in Marrakesch. Die obligatorischen Wasser-Pfeifen werde ich als Nichtraucher meiden und auch das Couscous überlasse ich dann lieber meinem Kollegen.

Wie auch immer: Unsere Spannung steigt und die 'Eurosport'-Kameraleute werden die optischen Eindrücke erstmals in bester HD-Qualität einfangen und in viele Länder senden... Freuen wir uns gemeinsam auf das WTCC-Debüt in Afrika und auf die spektakulären Bilder!

Mit sportlichen Grüßen,

Uwe Winter