• 10.07.2011 13:36

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Mehr davon, bitte!

Stefan Ziegler schreibt über den sensationellen Auftritt von Stefano D'Aste in Porto und seinen Wunsch nach viel mehr solcher Rennszenen

Liebe WTCC-Fans,

Titel-Bild zur News: Robert Huff, Yvan Muller, Stefano D'Aste

Stefano D'Aste an der Spitze des Feldes: Erstmals stand Wiechers auf der Pole!

ich muss gestehen: Bei der Startphase des zweiten Porto-Rennens verschlug es mir schier die Sprache. Stefano D'Aste ist ja für seinen spektakulären Fahrstil bekannt, aber was der Italiener auf dem Circuito da Boavista mit seinem BMW 320 TC anstellte, war schlichtweg atemberaubend! Auch rund eine Woche nach diesem Event bin ich noch immer ganz baff, wenn ich nur daran zurückdenke.

Es ist eine Geschichte, wie sie nur der Motorsport schreiben kann: D'Aste kehrte nach einem halben Jahr in die Tourenwagen-WM zurück, stieg bei Wiechers in ein ihm unbekanntes Auto und fuhr auf einem überaus tückischen Stadtkurs auf Anhieb auf Rang fünf. Im Qualifying landete der 37-Jährige in den Top 10 und holte - dank Platz zehn in Q1 - noch dazu die Pole-Position für das zweite Rennen.

D'Aste und Wiechers mischen die WTCC auf

Wiechers stand erstmals überhaupt auf Startplatz eins in der WTCC, ein regelrecht märchenhaftes Comeback! Einzig das Happyend blieb der Mannschaft um Teammanager Dominik Greiner und Technikchef Thomas Schiemann versagt, denn am Rennsonntag lief es in Portugal nicht ganz nach Wunsch. Sehr schade, wie ich finde, denn D'Aste und Wiechers hätten deutlich mehr verdient gehabt.

Alleine schon wegen der herausragenden Show, die der Rennfahrer aus Genua in den Startrunden abzog. Die Medienvertreter im Pressezelt rieben sich, wie auch ich, verdutzt die Augen, als D'Aste alle Register zog, um sich vor seinen Verfolgern Yvan Muller (Chevrolet) und Rob Huff (Chevrolet) zu behaupten. Ich war sicher nicht der Einzige, der dachte: "Eigentlich kann das gar nicht gut ausgehen."


Fotos: Wiechers, WTCC in Porto


Ich wurde aber eines Besseren belehrt, denn D'Aste schlug sich zunächst wirklich famos. Nach einer handvoll Quersteher und haariger Momente hörte ich aber auf zu zählen und genoss einfach nur, was sich mir auf den Bildschirmen offenbarte. Es war die Fahrt eines Piloten, der mit vollem Einsatz und schier grenzenloser Leidenschaft zu Werke ging und auf überhaupt keinen Fall kleinbei geben wollte.

Die Konkurrenz findet einen Weg vorbei

Wie D'Aste den BMW 320 TC durch die Schikanen hämmerte und das Fahrzeug auf den Geraden breiter machte als viele Konkurrenzmodelle, imponierte mir sehr. Da saß einer im Auto, der wirklich am Kämpfen war! Von der vermeintlichen Langeweile des ersten Rennens war in Lauf zwei sicher nichts mehr zu spüren. Dafür sorgte das Feuerwerk, welches D'Aste an der Spitze abbrannte.

Stefan Ziegler

Stefano D'Aste und das Wiechers-Team begeisterten mich in Porto so richtig! Zoom

Dass kurz darauf erst Muller am WM-Rückkehrer vorbeiging und auch Huff eine Lücke fand, kam trotz der außerordentlich tollen Leistung von D'Aste nicht überraschend - zu gut war Chevrolet an diesem Wochenende unterwegs, als dass sich der BMW Privatier gegen diese Übermacht hätte zur Wehr setzen können. Platz drei war ihm gewiss, doch dann folgte der große Rückschlag: eine Strafe.

Jetzt war ich wirklich überrascht, was den Gesichtsausdrücken meiner Kollegen im Pressezelt nach zu urteilen nicht nur mein persönliches Empfinden war. D'Aste hatte offenbar einen Fehlstart begangen und musste dafür einmal langsam durch die Boxengasse rollen. Die Chancen des Wiechers-Piloten waren auf einen Schlag dahin - und das aufgrund einer zweifelhaften Entscheidung, wie ich finde.

Ein vermeidbarer Fehlstart

Erst nach und nach wurde nämlich klar, was das Vergehen gewesen war. D'Aste hatte sich beim Start auf die lokalen Streckenposten verlassen, als er sich in seine Startbox einweisen ließ. Dass er dabei etwas zu weit vorne stand, wurde ihm weder angezeigt, noch griffen die Helfer am Streckenrand ein. Während hinten einige Autos zurückgeschoben wurden, ließ man D'Aste einfach im Regen stehen.

Und mal ehrlich: Bei keiner anderen Position hätten die Streckenposten für das Zurückschieben mehr Zeit zur Verfügung gehabt, als beim Polesitter! Insofern kann ich die Entscheidung der Rennleitung nur bedingt nachvollziehen, auch wenn die Strafe für das begangene Vergehen angemessen ist. Ein bisschen Fingerspitzengefühl beim Start hätte D'Aste und Wiechers aber sicherlich mehr geholfen.

Nach Absitzen seiner Durchfahrts-Strafe fand sich der 37-Jährige nämlich plötzlich außerhalb der Top 10 wieder, was bei einem nur 50 Kilometer kurzen Sprintrennen und bei einem engen Starterfeld ja auch kein Wunder ist. Ärgerlich: Wiechers gingen durch diese umstrittene Strafe sehr viele Punkte durch die Lappen, die angesichts des bisherigen Saisonverlaufs durchaus verdient gewesen wären.¿pbvin|0|3856|inside|0|1pb¿

Kein Happyend für D'Aste und Wiechers

Ohne das ganze Geschehen zu sehr durch die "deutsche Brille" betrachten zu wollen, komme ich nicht umhin, zu sagen: Einen dritten Platz oder dergleichen hätte ich diesem sympathischen Team von Herzen gegönnt! Vielleicht, weil es das typische David-gegen-Goliath-Klischee erfüllt hätte, vielleicht weil der vermeintliche Underdog ruhig einmal einen wirklich großen Treffer landen hätte können.

Stefano D'Aste

Voller Einsatz: Stefano D'Aste fuhr im Training und in den Rennen am Limit Zoom

Am meisten aber, weil es dem ausgezeichneten Wochenende von D'Aste und Wiechers schlichtweg die Krönung aufgesetzt hätte und weil der Italiener den vielen Zuschauern an der Strecke genau das geboten hatte, weshalb jeder einzelne der 80.000 Fans auf den Tribünen saß: Spannung und Action. Eine sehr willkommene Abwechslung in einer Saison, die von Chevrolet souverän bestimmt wird.

Was D'Aste und Wiechers bleibt, ist das Image der tragischen Helden, denn es gab nach den Rennen nicht Wenige, die Fahrer und Team ihren Respekt zollten und ihre Anerkennung aussprachen. Dem möchte ich mich anschließen: Danke Stefano - und mehr davon, bitte! Ein solcher leidenschaftlicher Einsatz ist nämlich genau das, was den Motorsport und die WTCC zu einem echten Erlebnis macht.

Viele Grüße & auf weitere große Überraschungen!

Euer


Stefan Ziegler