• 07.03.2009 19:27

  • von Stefan Ziegler

Hintergrund: Das neue Qualifying

2009 wartet die Tourenwagen-WM mit einem neuen Qualifikationsmodus auf - 'Motorsport-Total.com' erklärt die Hintergründe und den neuen Ablauf

(Motorsport-Total.com) - Genau wie die Formel 1, so sucht auch die Tourenwagen-WM (WTCC) ihren Pole-Sitter künftig in einem mehrteiligen Qualifying. Die WTCC lehnt sich mit ihrem neuen Modus an die Formel 1 an, entschied sich allerdings für ein zweigeteiltes Zeittraining. Während alle Teilnehmer 20 Minuten lang Zeit haben, sich für den zweiten Abschnitt zu qualifizieren, bleibt die zehnminütige Schlussphase den zehn schnellsten Piloten aus Q1 vorbehalten - 'Motorsport-Total.com' erklärt den neuen Quali-Modus.

Titel-Bild zur News: Jordi Gené, Curitiba, Curitiba Circuit

Action gefällig? Die neue Qualifikation der WTCC soll reichlich davon bieten...

In Anlehnung an die Qualifyings der Formel 1 und der DTM führt die Tourenwagen-WM in diesem Jahr ebenfalls ein mehrteiliges abschließendes Zeittraining ein. Ab dem Rennwochenende in Curitiba wird die Startaufstellung in einer zweiteiligen Session ermittelt - bislang waren die Piloten der WTCC in einer durchgängigen, 30-minütigen Trainingssitzung angetreten. Dieser Modus wird 2009 durch ein neues Qualifikationssystem ersetzt.#w1#

Der neue Modus: Q1 und Q2 für die WTCC

Künftig gehen alle Teilnehmer in Q1 für 20 Minuten (30 Minuten bei Stadtkursen) auf die Rennstrecke, um sich für den zweiten Abschnitt der Qualifikation zu qualifizieren. Nach Ablauf der Zeit kehren alle wieder an die Boxen zurück - doch nur die zehn schnellsten Piloten nehmen die Zeitenhatz nach einer fünfminütigen Pause wieder auf. Die Fahrer ab Position elf haben ihre Startposition bereits erhalten, denn ihre in Q1 erzielte Platzierung ist zugleich der Startplatz für das erste der beiden Sprintrennen eines Wochenendes.

Die Top 10 aus dem ersten Durchgang geht noch einmal für zehn Minuten (15 Minuten bei Stadtkursen) auf die Strecke, um die ersten zehn Startpositionen auszufahren. Genau wie in der Formel 1, so werden auch in der WTCC die Rundenzeiten nach Durchgang eins gelöscht, sodass die Piloten in Q2 auf alle Fälle eine gezeitete Runde drehen müssen. Wer sich schlussendlich im Top-10-Qualifying durchsetzt, steht einen Tag später auf der Pole-Position in Lauf eins. Die restlichen Startplätze der Top 10 werden analog zum Q2-Ergebnis vergeben.

"Das war eigentlich eine Idee von Eurosport und Lotti (Marcello Lotti; KSO-Chef; Anm. d. Red.), um die Zuschaueranzahl beim Qualifying zu erhöhen", sagte Chevrolet-Projektchef Eric Nève gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Sie wollten einfach ein bisschen mehr Spektakel einführen. Ich bin eigentlich dafür, denn je mehr Leute sich die Qualifikation ansehen, desto besser fühle ich mich natürlich", meinte das Oberhaupt der Cruze-Piloten.

Lamm: "Zwei Entscheidungen statt einer einzigen"

Auch BMW Team Germany Teammanager Charly Lamm kann dem neuen Quali-System einiges abgewinnen: "Ich denke, dieser neue Modus wurde gewählt, weil die FIA und die Promoter einfach ein noch attraktiveres Qualifying bieten wollten. Neu ist, dass es künftig zwei Entscheidungen geben wird statt - wie bisher - nur einer einzigen. In den ersten 20 Minuten muss also jeder Teilnehmer alles geben, um überhaupt in die Top 10 einzuziehen."

"Den ersten Höhepunkt wird man wohl ab der 15. Minute erleben, wenn dann jeder noch einmal mit einem frischen Reifensatz probiert, alles in die entscheidende Runde hineinzulegen", meinte Lamm. "In den letzten zehn Minuten wird es meiner Meinung nach darum gehen, noch einen neuen Reifensatz zu haben, mit dem man dann in einem finalen Schuss den endgültigen Startplatz erzielen wird", erläuterte der BMW Teammanager.

"Den ersten Höhepunkt wird man wohl ab der 15. Minute erleben." Charly Lamm

"Ich kann mir gut vorstellen, dass für den Promoter und auch für 'Eurosport' in Punkto Spannung einiges drin ist. Für alle Teams sind die Voraussetzungen gleich, sie müssen sich eben auf diesen neuen Ablauf einstellen. Im Prinzip geht es für die Fahrer und Teams darum, in der Schlussphase des ersten Abschnitts gut zu sein und anschließend im zweiten Teil mit einem neuen Reifen noch einmal einen Angriff auf die vorderen Startplätze zu wagen."

Neue Quali als Chance für die Privatiers?

Doch wie Kommentatoren-Legende Murray Walker zu sagen pflegte: "Im Motorsport kann einfach alles passieren und das tut es für gewöhnlich auch" - der neue Modus verspricht reichlich Spannung. Lamm: "Neben der reinen Leistung werden sicherlich auch irrationale Faktoren eine Rolle spielen. Man muss sich nur einmal vorstellen, dass es gegen Ende der ersten Teilsession noch einmal einen kollektiven Anlauf geben wird."

"Gerade in dieser Situation könnte es einige Ausrutscher oder gelbe Flaggen geben, was dazu führen könnte, dass ein Privatfahrer durchaus in die Top 10 rutscht. Wenn ein Werkspilot sich seine schnellste Runde bis ganz zum Schluss aufspart und dann in eine gelbe Flagge fährt, kann es zu Überraschungen kommen. Man kann im Prinzip aber davon ausgehen, dass die schnellen Autos nach den ersten 20 Minuten vorne stehen werden."

Doch welche Farben tragen diese "schnellen Autos" 2009? "Es gibt momentan 16 Werksautos - der Einstieg von Lada verdeutlicht den internationalen Charakter dieser Rennserie noch mehr - und diese 16 Wagen kämpfen um zehn Startplätze", gab Lamm zu bedenken. "Da werden logischerweise einige an dieser Situation scheitern." So muss also künftig bereits am Samstag eine noch höhere Hürde erfolgreich übersprungen werden.

Keine Vorhersagen möglich...

Ex-Champion Andy Priaulx hält den neuen Modus jedenfalls für absolut tauglich, wie er gegenüber 'Eurosport' verriet: "In meinen Augen ist das ein gutes Konzept. Im vergangenen Jahr hat man schließlich bloß gesehen, wie fünf Wagen unmittelbar hintereinander um den Kurs geheizt sind. Das können die Leute sicherlich nur sehr schwer nachvollziehen. Was wir brauchen, ist Action - genau wie in der Formel 1 eben, wo die Qualifikation eine echte Show ist."

"Da kannst du als Fahrer nur eines tun: pushen was das Zeug hält. Und genau das will ich auch bei der Tourenwagen-WM sehen", meinte der BMW Team UK Pilot. SEAT-Fahrer Rickard Rydell wollte indes die versteckte Kritik an der Windschattenprozession seines Teams nicht so stehen lassen: "Wir wissen ja nicht, wer überhaupt in den Top 10 landen wird. Vielleicht sind es nur zwei SEAT-Piloten oder gar nur einer", meinte der Schwede.

"Da kannst du als Fahrer nur eines tun: pushen was das Zeug hält." Andy Priaulx

"Wir wissen es einfach nicht. Eines steht aber fest: Wenn dir jemand in den ersten 20 Minuten geholfen hast, dann musst du dich dafür natürlich revanchieren. Aber bei zehn Minuten könnte alles auf einen einzigen sauberen Run hinauslaufen. Daher kann man sich vorab nur bedingt eine gut funktionierende Strategie zurechtlegen", erklärte der 41-Jährige. Im Fahrerfeld der WTCC findet die neue Qualifikation aber nicht nur Zuspruch.

Müller ist kein Fan der zweigeteilten Qualifikation

BMW Team Germany Fahrer Jörg Müller ist sich nicht sicher, ob die Tourenwagen-WM auf eine Qualifikation im Formel-1-Stil setzen sollte. "Das halte ich nicht für besonders gut. In meinen Augen ist das der falsche Schritt. In der Formel 1 verstehe ich das komplett, aber dort dauert die Qualifikation ja auch eine ganze Stunde", sagte Müller gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Damit werden wir in diesem Jahr noch einige Probleme kriegen."

Auch die Privatteams machen sich ihre Gedanken über das neue Zeittraining. "Ich denke, die ersten zehn Plätze werden den Werksfahrern vorbehalten bleiben, die das Top-10-Qualifying untereinander ausmachen werden", erläuterte Engstler Teammanager Kurt Treml gegenüber 'Motorsport-Total.com' und fügte an: "Für uns wird es noch schwieriger, in den ersten 20 Minuten die Leistung auf den Punkt zu bringen."

"Wir werden in diesem Zeitraum viel Verkehr auf der Strecke haben und eine freie Runde wird dann zum Glückstreffer. Der einzige Vorteil für uns ist vielleicht, dass wir im Rennen auf bessere Reifen zurückgreifen können: Weniger Fahrzeit ist gleich weniger Reifenverschleiß", meinte Treml abschließend. Es wird also durchaus spannend sein, die Teams und Fahrer dabei zu beobachten, wie sie sich der Herausforderung Qualifikation 2009 stellen...