• 13.10.2014 06:30

  • von Stefan Ziegler

Kolumne: Warum die WM 2014 schon 2013 entschieden war

Stefan Ziegler erklärt, weshalb Citroen die Herstellerwertung 2014 eigentlich schon 2013 gewonnen hat und warum der Marke kein Vorwurf zu machen ist

Titel-Bild zur News: Citroen, WTCC, WM, Titel, 2014

Citroen feiert den WM-Titelgewinn in der WTCC-Herstellerwertung in Schanghai Zoom

Liebe Leser,

Citroen ist Weltmeister. Aber das ist nun wirklich keine Überraschung. Denn damit war zu rechnen. Es hatte sich frühzeitig abgezeichnet, dass die französische Marke den Gesamtsieg einfahren würde. Es war nur eine Frage der Zeit. Und in Schanghai, am drittletzten Rennwochenende des Jahres, hat Citroen das Werk vollendet. Den WM-Titel 2014 hat das Werksteam aber eigentlich schon 2013 gewonnen.

Das liegt ganz einfach daran, dass Citroen am besten vorbereitet war. Die Mannschaft mit Sitz in Versailles hatte schon einen Testträger zur Verfügung, als noch nicht einmal das neue Reglement veröffentlicht war. Und schon im Sommer 2013 drehte der WTCC-Prototyp aus dem Hause Citroen seine ersten Proberunden - rund ein halbes Jahr vor dem ersten TC1-Fahrzeug der Konkurrenz.

So viel Aufwand hat noch kein Hersteller betrieben

Ja, Citroen stieß als Neuling zur Meisterschaft, ohne aktuelle Erfahrung im Tourenwagen-Sport zu haben. Aber dieses Defizit machte das Werksteam rasch durch eine überaus intensive Testarbeit wett. Während Honda ab Januar, Lada ab Februar und RML ab März gerade mal die ersten Funktionstests absolvierten, hatten die Citroen-Piloten bereits ein fertig entwickeltes Rennfahrzeug zur Verfügung.

Das war nur möglich, weil Citroen einen - für WTCC-Verhältnisse - gewaltigen Aufwand betrieben hat. Nie zuvor hat ein Hersteller vor einer Saison so oft getestet. Citroen hat sprichwörtlich weder Kosten noch Mühen gescheut. Ein Beispiel: Die markanten Schikanen von Marrakesch wurden in Portimao nachgebaut, damit der C-Elysee vorab darüber hinwegbrettern konnte. Das war etwas völlig Neues.


Fotostrecke: Citroens Weg zum WTCC-WM-Titel

Allerdings hat sich bisher auch noch kein Hersteller in einer solchen Ausgangslage befunden: Die WTCC hat zur Saison 2014 die größten Regeländerungen ihrer Geschichte umgesetzt. Citroen hat das als Neuling clever ausgenutzt. Denn alle interessierten Marken hatten an der Entstehung der neuen Regeln mitgewirkt. Einzig Citroen hat aber die Initiative ergriffen und parallel an einem Auto gearbeitet.

Citroen nutzt die einzigartige Situation aus

Die feine englische Art war es nicht, dass sich die Marke erst lange zierte, den WTCC-Einstieg zu verkünden. Nur um dann, als es endlich so weit war, gleich ein fertiges Auto zu präsentieren. Für ein Reglement, das die Meisterschaft extra für Citroen von 2015 auf 2014 vorgezogen hatte. Doch all das war nur ein erster Fingerzeig: Citroen hat vom ersten Tag an mit ausgefahrenen Ellenbogen gearbeitet.

Das kann man rückblickend festhalten, dem Werksteam aber nicht zum Vorwurf machen. Denn im Motorsport geht es ja ausschließlich darum, sich einen Vorteil zu verschaffen, um auf der Strecke vorn zu stehen. Genau das hat Citroen gemacht, genau das ist Citroen gelungen. Sie haben die Situation ausgenutzt, die erst durch ihren Einstieg entstanden ist - aber das hätte auch jede andere Marke tun können.


Citroen feiert den WTCC-WM-Titel

Nur waren die anderen Marken im Gegensatz zu Citroen im Sommer 2013 noch vollkommen mit der WTCC-Saison 2013 beschäftigt und mussten daher zwei Projekte auf einmal stemmen: den aktuellen Rennbetrieb und die - kurzfristig vorgezogene - Entwicklung des TC1-Fahrzeugs. Dass es überhaupt alle Hersteller geschafft haben, TC1-Autos zu bauen, ist angesichts der WTCC-Budgets schon eine Leistung für sich.

Kein Vorwurf an Citroen für eine starke Leistung

Honda, Lada und RML - sie hatten also von Anfang an keine realistische Chance. Es kam also, wie es kommen musste: Citroen dominierte die WTCC-Saison 2014 teilweise nach Belieben. Und schon früh wurden die ersten Stimmen laut, wonach sich Citroen den WM-Titelgewinn 2014 "erkauft" habe. Damit muss die Marke nun leben. Denn ein bisschen was ist dran an dieser Behauptung: Citroen hat viel investiert.

Die WTCC-Saison 2014 war für die Marke eine Saison der Superlative: Citroen hatte das meiste Personal an der Strecke, die meisten Trucks, die meisten Container, die beste Ausstattung und mit Abstand das größte Budget. Sie haben die Konkurrenz auf der Strecke mehrfach gedemütigt und auch beim Auftreten in Boxengasse und Fahrerlager alt aussehen lassen. Aber auch hier: kein Vorwurf!


Fotostrecke: Alle WTCC-Hersteller-Weltmeister

Denn Citroen hat alles richtig gemacht und einen Auftritt hingelegt, der einer WM würdig ist. Sie haben für neue Maßstäbe gesorgt, ein neues Niveau etabliert. Und daran muss sich nun jeder künftige WTCC-Neueinsteiger messen lassen, ob er will oder nicht. Erst einmal darf Citroen aber den WM-Titelgewinn in der Herstellerwertung 2014 feiern. Jetzt. Obwohl die WM eigentlich schon 2013 entschieden war.

Citroen begründet eine neue WTCC-Ära

Gefeiert hat das Werksteam gleich vor Ort in Schanghai. Und mit einem Plakat, durch das sich Citroen den Unmut der Konkurrenten zugezogen hat. Denn darauf war zu lesen: "Ein Jahr, um zu lernen", wobei "lernen" durchgestrichen und durch "siegen" ersetzt war. Aber stattdessen hätte Citroen auch schreiben können: "Ihr Anfänger!" Genau so muss das Plakat auf die geschlagenen Rennställe gewirkt haben.

Und so bleibt nur noch eine Frage zu klären. Nämlich: Was sagt all dies über die Meisterschaft aus? Antwort: Zum Beispiel, dass in der WTCC - nicht nur aufgrund des TC1-Reglements - ein ganz neues Zeitalter angebrochen ist. Chevrolet hat seinerzeit noch mit überschaubarem Budget WM-Titel in Serie geholt. Inzwischen ist der Titelkampf aber zu einem intensiven Wettrüsten mit hohem finanziellen Einsatz geworden.

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Das Plakat, das nicht bei allen Beteiligten gut ankam: Verhöhnt Citroen die Konkurrenz? Zoom

Wer kann sich das leisten? Und für wie lange? Diese Fragen wiederum kann wohl nur die Zukunft beantworten. Fest steht aber spätestens seit der Saison 2014: Ohne Werksteams geht's nicht mehr. Kein Privatteam kann da noch mithalten. Die WTCC ist also auf weitere Hersteller angewiesen. Ob die vom herausragenden Citroen-Auftreten begeistert oder abgeschreckt sind? Man darf gespannt sein.

Beste Grüße aus Schanghai & Glückwunsch, Citroen, zum verdienten Triumph!

Euer


Stefan Ziegler

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