• 14.06.2010 18:06

  • von Stefan Ziegler

Marrakesch: Prunkstück und Problem zugleich

Der Marokko-Event der WTCC steht nach dem diesjährigen Gastspiel der Tourenwagen-WM schwer in der Kritik - Besteht Handlungsbedarf?

(Motorsport-Total.com) - Seit 2009 wird die WTCC ihrem Status als Weltmeisterschaft vollkommen gerecht: Als einzige WM unter dem Banner der FIA trägt beliebte Tourenwagen-Serie ein Event auf afrikanischem Boden aus, doch das Gastspiel in Marrakesch bereitet den Verantwortlichen nicht nur Freude. Das diesjährige Wochenende war gewiss keine Glanzleistung, weswegen das Fahrerlager nicht sehr zufrieden ist.

Titel-Bild zur News: Marrakesch

Die Kulisse in Marrakesch ist gewaltig, das Spektakel bislang bestenfalls bedingt...

Die beiden WM-Läufe auf dem Circuit de Marrakech boten nur wenig Spektakel. Einerseits, weil die Streckenführung nur bedingt spannende Rennen zulässt, andererseits, weil die Streckenposten vor Ort nicht sonderlich engagiert zu Werke gingen. Pleiten, Pech und Pannen machten den Auftritt in Afrika zu einer Farce - am meisten Führungsrunden sammelte in Marokko nämlich das Safety-Car.#w1#

Um die Begeisterung für Marrakesch ist es bei Fahrern und Teams seither nicht allzu gut bestellt, wie 'Motorsport-Total.com' auf Nachfrage bei den Protagonisten erfuhr. Chevrolet Europa Motorsport-Manager Eric Nève findet angesichts der beiden Farce-Rennen deutliche Worte: "Ich bin sicher: Viele Zuschauer haben ihren Fernseher abgeschaltet. Und das kann nicht im Interesse dieser Serie sein."

Chaosrennen gefährden das Rennprodukt

"Da hört der Spaß dann auf, denn so etwas gefährdet die Meisterschaft", meint der Belgier und macht seinen Ärger vor allem an den Marshalls fest, die einen sehr überforderten Eindruck hinterließen. "Die Streckenposten waren viel zu langsam und auch nicht geschult. Sie hatten nicht die richtige Ausrüstung und waren noch dazu inkompetent und arrogant", beschreibt Nève seine Eindrücke.

So dauerte es in Marrakesch mehrere Runden, bis die havarierten Fahrzeuge auf Lastwagen gehievt und abtransportiert werden konnten. Und das, während das Feld der Tourenwagen-WM in langsamer Fahrt hinter dem Safety-Car hertrotten musste. Spannender Motorsport sieht anders aus. Umso größer war die Freude bei den Beteiligten, als man im Autodromo di Monza vorstellig wurde.

"Da hört der Spaß dann auf, denn so etwas gefährdet die Meisterschaft." Eric Nève

"Darin waren wir uns sofort einig: Schön, dass wir wieder auf einer richtigen Rennstrecke sein durften. In Monza hatten wir es einmal mehr mit Profis zu tun. Das war schon eine andere Welt", meint Nève. Weltmeister Gabriele Tarquini (SR) schließt sich dem Urteil des Chevrolet-Oberhauptes an. Der italienische Titelverteidiger ist ebenfalls nicht gerade angetan vom Rennauftritt in Marokko 2010.


Fotos: WTCC in Marrakesch


Marokko ist Motorsport-Neuland

"Normalerweise bieten wir unseren Fans eine großartige Show. Nur in Marrakesch war das in diesem Jahr nicht der Fall. Dort haben wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert", hält Tarquini fest. Andy Priaulx (BMW) ist ebenfalls "not amused" über die Ereignisse - obwohl er in Afrika seinen ersten Saisonsieg einfahren konnte. "Die Aufräumarbeiten haben viel zu lange gedauert", so der Brite.

"Das war schon verrückt. Andererseits ist die Veranstaltung in Marokko eine sehr schöne Sache. Die Organisation ist toll und das Wochenende wird gut vermarktet. Es ist ein toller Event", sagt Priaulx und bricht eine Lanze für den noch jungen Rennplatz am Fuße des Atlas-Gebirges. Auch Mehdi Bennani (Wiechers) spricht sich für Marrakesch aus, stellt es doch das Heimrennen für den Afrikaner dar.

"Die Organisation ist toll und das Wochenende wird gut vermarktet." Andy Priaulx

"Die Leute freuen sich außerordentlich darüber, diese Weltmeisterschaft zu Gast zu haben", erläutert der Privatfahrer. "Die Marokkaner sind große Motorsport-Fans. Es ist sicherlich nicht schlecht, wenn die WTCC als Inspiration dient, um den Rennsport in Marokko zu entwickeln. Wir hoffen darauf, bald mehr Strecken in diesem Land zu haben - und auch mehr Rennfahrer", gibt Bennani zu Protokoll.

2011: Marrakesch ist gefordert

Teammanager Dominik Greiner pflichtet seinem Stammpiloten bei: "Man muss den Organisatoren zugestehen, dass wir hier in einem Neuland für Motorsport sind. Der Event wurde ja erst zum zweiten Mal durchgeführt", erklärt Greiner und fügt hinzu: "Ich bin überzeugt davon: Beim dritten Besuch der Tourenwagen-WM werden sich alle Beteiligten noch einmal deutlich kräftiger ins Zeug legen."

Dies gelte speziell für die Streckenposten, wie der Teammanager von Wiechers betont: "Die Marshalls waren etwas langsam und scheinbar auch ein bisschen überfordert." Dabei sollten die Sicherheitskräfte speziell auf Stadtkursen schnell und überlegt zu Werke gehen, meint Kurt Treml vom Engstler-Team: "Bei Stadtrennen sind die Streckenposten eben besonders gefordert."

"Bei Stadtrennen sind die Streckenposten eben besonders gefordert." Kurt Treml

"Ich will es einmal so beschreiben: Nach dem, was ich gesehen habe, waren diese Leute nicht immer sicher, wie sie mit den jeweiligen Situationen umgehen sollten. Sie wirkten teilweise etwas ratlos. Das zieht dann natürlich längere Unterbrechungen und Safety-Car-Phasen nach sich", sagt Treml. Bleibt nur zu Hoffen, dass die Veranstalter 2011 eine bessere Visitenkarte bei der WTCC abgeben...

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