• 31.10.2012 15:47

Treluyer: "Da kamen mir die Tränen"

Langstrecken-Weltmeister Benoit Treluyer über das letzte WEC-Saisonrennen in Schanghai und seine Emotionen nach dem Titelgewinn: Drei Audi-Freunde am Steuer

(Motorsport-Total.com) - Nach 20 Jahren Pause gibt es endlich wieder Sportwagen-Weltmeister. Marcel Fässler, Andre Lotterer und Benoit Treluyer sicherten sich nach ihrem erneuten Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans im Juni nun auch noch den Fahrertitel in der neuen Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) - der perfekte Abschluss eines erfolgreichen Jahres für das Audi-Trio. Treluyer beschreibt im Interview seine Gefühle nach dem Titelgewinn.

Titel-Bild zur News:

Benoit Treluyer genießt den WM-Titel im Kreis seiner Familie Zoom

Frage: "Benoit, es war vor dem Finale in Schangahi klar, dass euch ein Podestplatz zum Titelgewinn reichen wird. War es somit ein lockeres Rennen?"
Benoit Treluyer: "Eigentlich hatten wir uns den Rennsieg zum Ziel gesetzt. Leider wurde recht früh deutlich, dass ein Kampf um den Sieg wohl schwierig werden würde. Unser Audi passt am besten zu schnellen Strecken. Im Vergleich zum Toyota hatten wir in Schanghai mit seinen vielen engen und langsamen Kurven einen Nachteil. Wir waren auf den Geraden schneller, weil wir geringeren Luftwiderstand haben, aber in den Kurven fehlte uns der Abtrieb."

Frage: "Wie war das Gefühl in den letzten Runden?"
Treluyer: "Ich war völlig entspannt. Ich wusste, dass uns nur ein Unfall vom Titelgewinn abhalten könnte, denn die Zuverlässigkeit war noch nie ein Problem. Einen WM-Titel zu gewinnen ist ganz anders als ein Sieg in Le Mans, wo alles innerhalb von 24 Stunden passiert. Es ist nicht ganz so intensiv. Marcel, Andre und ich wussten daher im ersten Moment gar nicht, wie wir uns fühlen sollen."

"Natürlich sind wir alle sehr stolz, dass wir die Meisterschaft vor Tom Kristensen und Allan McNish beenden konnten, denn diese beiden sind Topfahrer. Vielleicht haben wir unsere Rennen besser eingeteilt und gemanagt. Wir hatten zum Auftakt in Sebring nur 1,5 Punkte geholt und waren daher lange Zeit eindeutig im Rückstand. Wir sind aber fokussiert geblieben, haben den Rückstand minimiert und haben uns selbst nie unnötig unter Druck gesetzt."

Frage: "Mit welchem Wort würdest du diesen Titelgewinn nun beschreiben?"
Treluyer: "Freundschaft. Obwohl es zuletzt um den Fahrertitel ging, darf man nie vergessen, dass wir dies alles nur als Team erreichen konnten. Es ist das Ergebnis des Zusammenspiels von einem fantastischen Auto, erstklassigen Ingenieuren und Mechanikern und drei Freunden hinter dem Steuer."


Fotos: WEC in Schanghai


"Wir haben zusammen unglaubliche Momente erleben dürfen - in Le Mans und auch an anderen Orten. Nachdem wir diesen Titel nun geholt haben, möchte ich gern nach Hause zu meiner Familie. Nach der Zieldurchfahrt habe ich sofort meine Frau Melanie und meinen Sohn Jules angerufen. Sie haben mir gesagt, dass sie extrem glücklich und stolz sind. Das war der Moment, wo mir die Tränen kamen."

Frage: "Du bist nach Jean-Louis Schlesser (1989, 1990) und Yannick Dalmas (1992) erst der dritte Franzose, der einen solchen Titel gewinnen konnte. Haben dich die beiden inspiriert?"
Treluyer: "Als ich klein war, da galten Schlesser und Dalmas aufgrund ihrer Erfolge in Le Mans als echte Stars. Dass ich nun in deren Fußstapfen trete ist natürlich für mich etwas Besonderes. Yannik kam vor dem Start zu mir und hat mir ein paar Dinge mit auf den Weg gegeben, die ihm beim Fahren des Safety-Cars aufgefallen waren. Dafür war ich enorm dankbar."

Frage: "Ändert sich dein Leben durch den Gewinn des WM-Titels?"
Treluyer: "Nein. Ein paar Freunde haben mich oft als 'Weltmeister der Super-GT' vorgestellt, was nun so nicht mehr stimmt. Spaß beiseite: Ich denke, ich werde die Auswirkungen dieses Titelgewinns durch jene Leute zu spüren bekommen, die mit dem Sport eigentlich nichts zu tun haben. Im Moment ist es für mich noch schwierig zu sagen, was dies alles bedeutet. Wenn ich im normalen Alltag einigen Leuten davon erzähle, dann wird mir vielleicht klar, dass es etwas ganz Besonderes ist."

Marcel Fässler

Langstrecken-Champions: Benoit Treluyer, Andre Lotterer und Marcel Fässler Zoom

Frage: "Was hat Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich zu dir gesagt, als ich euch nach dem Rennen umarmt habt?"
Treluyer: "Er sagte einfach: 'Das war es. Du bist Weltmeister!' Er weiß, dass wir einen guten Job abgeliefert haben, aber Wolfgang Ullrich ist keiner, der das dermaßen in den Vordergrund stellt. Er erfreut sich an der Wertigkeit des Erreichten."

Frage: "Dein nächster großer Tag wird der 7. Dezember sein, wenn die FIA-Zeremonie stattfindet..."
Treluyer: "...und das ist ausgerechnet mein Geburtstag! Ein schöneres Geschenk könnte ich mir gar nicht wünschen."