• 11.10.2012 07:10

  • von Roman Wittemeier

Der Toyota-Traum: Sieg in Le Mans

Im letzten Teil unserer Serie über das Toyota-Engagement auf der Langstrecke schildert Pascal Vasselon seine Wünsche für die WEC und den Traum von der Krone

(Motorsport-Total.com) - In der Le-Mans-Szene ist auch 2012 Spannung garantiert. Nach dem plötzlichen Rückzug von Peugeot sprang Toyota in die Bresche. Die Japaner mit Entwicklungsstandort in Köln machten aus dem geplanten Testjahr mit dem neuen TS030 Hybrid ein Einsatzjahr und verhalfen der neuen WEC zu mehr Wettbewerb. In unserer Serie stellen wir das Toyota-Projekt genauer vor. Im heutigen letzten Teil: Technikchef Pascal Vasselon im Interview über Wünsche, Entwicklungen und Fahrer 2013.

Titel-Bild zur News:

Pascal Vasselon erkennt in der LMP1-Entwicklung mehr Freiheiten Zoom

Frage: "Pascal Vasselon, Sie haben viele Jahre Erfahrung in der Formel 1 gesammelt und nun mit Toyota den Schritt in die Le-Mans-Szene gemacht. Wie kommen Sie damit zurecht?"
Pascal Vasselon: "Es ist aus emotionaler, aber auch aus technischer Sicht mindestens so reizvoll wie die Formel 1. Das Regelwerk lässt die nötigen Freiheiten zu, sodass man Autos bauen kann, die in Hinsicht auf die Form des Bodyworks viel sinnvoller sind, wenn man einmal den optimalen Luftfluss betrachtet. In der LMP1 ist es aufgrund des Reglements möglich, viel schönere Autos zu bauen."

"In der Formel 1 ist dies anders. Dort engt das Reglement sehr ein. Dort sieht man manchmal Lösungen, die aus technischer Sicht kaum sinnvoll sind - aber so steht es eben im Reglement, es ist eben vorgeschrieben. Dies alles führt dazu, dass man komplett künstliche Formen entwirft, um die kleinen Löcher im Reglement auszunutzen. Das sieht selten schön aus."

Frage: "Sie meinen damit beispielsweise die Stufennasen?"
Vasselon: "Ja, genau. Die stufigen Nasen in der aktuellen Formel 1 sind ein gutes Beispiel. Man hat eine neue Regel, und diese Regel sorgt schließlich für diese unschöne Stufe in der Nase. Das liegt nur am Reglement. Nun hat man dies alles erkannt. Und was passiert? Die Technische Arbeitsgruppe muss zusammenkommen, um Lösungen zu finden, damit die Stufennasen demnächst verboten sind. Das sind doch dumme Geschichten. Durch solche Dinge werden Formel-1-Autos immer seltsamer, während gleichzeitig die LMP1-Autos richtig schön sind."

Das Signal in Le Mans

Frage: "Ist nur das Auto schöner, oder auch die Arbeit an diesem LMP1-Projekt insgesamt?"
Vasselon: "Die Arbeit am LMP1 ist viel befriedigender. Wenn du eine Woche im Windkanal arbeitest, dann findest du Fortschritte, die in etwa viermal so groß sind wie in der Formel 1. Es gibt mehr Freiheiten, eine größere Spielwiese und somit werden Fortschritte ermöglicht, die vier bis fünf Mal so groß sind wie in der Formel 1."

Frage: "Mit riesigen Schritten kam Toyota nun in die WEC. Hatten Sie damit gerechnet, dass der TS030 schon in Le Mans dermaßen konkurrenzfähig sein und in Führung gehen würde?"
Vasselon: "Wir hatten das kommen sehen. Wir sind vorsichtig in das Rennen gestartet und wollten nicht mit der Brechstange sofort nach vorne. Wir haben es zu Beginn langsam angehen lassen, sind keine Risiken eingegangen. Dann haben wir geschaut, was möglich ist. Nach einer Rennstunde war klar, dass wir zulegen können. Wir holten auf."

Die große Befreiung: Toyota feiert den ersten Langstrecken-WM-Sieg in Brasilien Zoom

"Die Audis hatten ein paar Probleme und wir konnten aufschließen. Das war wirklich befriedigend, weil wir uns dort toll herangearbeitet hatten. Beide Autos lagen dann direkt hinter der Spitze. Dann kam der Moment, der mich immer wieder auf Video begeistert: Nicolas geht an Benoit vorbei. Das Problem war, dass wir nur zehn Sekunden später diesen furchtbaren Unfall mit Anthony hatten. Das war eine Fahrt zwischen Himmel und Hölle innerhalb kürzester Zeit. Also: nur zehn Sekunden lang habe ich es genießen können."

"Emotional haben wir uns anschließend nicht mehr davon erholt, denn wir waren alle geschockt, nachdem wir unserer eigenes Auto beim Crash gesehen hatten. Es war eine lange Zeit voller Zweifel. In der ersten Einstellung der Kameras konnte man ganz kurz erkennen, dass Anthony wohl ausgestiegen war, aber leider wurde diese Szene nie wiederholt. Es kamen immer nur Wiederholungen, die keinen Aufschluss gaben. In uns kamen Zweifel auf, ob wir es zu Beginn richtig gesehen hatten. Das waren schwierige Momente, von denen man sich kaum erholen kann."

Frage: "Ist ein solches Mitfiebern, eine solche Achterbahnfahrt der Gefühle nur Le Mans zu erleben?"
Vasselon: "Ich würde sagen, dass generell von Natur aus in Le Mans mehr Emotionen drin sind als in der Formel 1. Es ist eben dieses eine Rennen im Jahr. Die WEC soll zwar dieses Rennen einbetten, aber momentan ist Le Mans immer noch das allerwichtigste Rennen in der Saison. Die Emotionen sind dann entsprechend ausgeprägter und intensiver."

Le Mans und WEC reizvoller als Formel 1

Frage: "Der WEC wird großes Potenzial für die Zukunft nachgesagt. Wird man irgendwann annähernd das Niveau der Formel 1 erreichen können?"
Vasselon: "Es ist einfach so, dass die Formel 1 eine klare Position eingenommen hat. In der weltweiten Automobilindustrie wird viel Geld ausgegeben. In Bezug darauf hat die Formel 1 einen festen Status, an dem man kaum rütteln kann. Es ist schwierig, dagegen anzukommen. Es gibt jede Menge guter Gründe für ein Engagement in der WEC, aber das Denkmal Formel 1 steht fest. Aus Sicht eines Herstellers müsste die WEC aber eigentlich immer reizvoll sein."

"Ich will nur einmal zwei gute Gründe nennen: Erstens die Werte, für die Le Mans und der Langstreckensport stehen. Das passt doch perfekt mit den Dingen überein, die Hersteller in der Öffentlichkeit verkaufen möchten. Hinzu kommt, dass Le Mans und die WEC ein Wettbewerb von Autos sind. Man hat sechs oder neun Fahrer unter Vertrag, der einzelne Pilot rückt etwas in den Hintergrund."


Fotos: Bau des Toyota TS030 bei TMG


"Das Auto, der Hersteller, die Marke stehen im Vordergrund. In der Formel 1 ist dies umgekehrt. Das ist eine Meisterschaft der Individualisten. Die Fahrer sind dort wichtiger als die Marke. Aus diesen Gründen sollten Le Mans und die WEC für jeden Hersteller extrem attraktiv sein. Es dauert vielleicht nur noch etwas. Die Voraussetzungen sind auf jeden Fall allesamt vorhanden."

Frage: "Welche Hersteller - zusätzlich zu Porsche - könnten dem Ruf der WEC denn bald folgen?"
Vasselon: "Von Jaguar haben wir vor ein paar Monaten gehört, aber zuletzt war es eher ruhig um sie. Honda ist in den Regeldiskussionen mit ACO und FIA immer dabei. Sie sind mit den Privatteams JRM und Strakka vertreten. Sie sind da, aber nicht ganz. Es wäre toll, wenn die bekannte Konkurrenz zwischen Toyota und Honda aufleben könnte. Auch für Südkoreaner dürfte es interessant sein. Die dortigen Hersteller geben beispielsweise sehr lange Garantien auf ihre Straßenfahrzeuge. Das würde perfekt passen. Es dauert vielleicht seine Zeit, bis alle merken, wie gut es passt."

2013: Weiterentwicklung des TS030

Frage: "Welche Pläne hat Toyota für das Jahr 2013?"
Vasselon: "Es wird ein weiterentwickeltes Auto kommen. Auf der Langstrecke geht es in allererster Linie um Zuverlässigkeit. Wenn man jedes Jahr ein komplett neues Auto bauen würde, dann wäre es schwierig, denn die Validierungsprozesse dauern lange. Derzeit entwickeln wir in den Bereichen Performance und Standfestigkeit. Alles, was wir jetzt lernen, nehmen wir mit hinüber ins kommende Jahr."

"In der Formel 1 ist das Entwicklungsrennen sicherlich schneller, aber die Erprobungsphasen sind auch deutlich kürzer. Natürlich brauchst du auch in der Formel 1 eine gewisse Standfestigkeit, aber man kann dort höhere Risiken diesbezüglich eingehen. Dort steht die Performance im Vordergrund. Man kann dort ein komplett neues Auto bauen, ohne allzu großes Risiko in Sachen Zuverlässigkeit. Wenn man 24 Stunden am Stück fahren möchte, dann geht so etwas nicht."

"Die wichtigsten Bereiche der Aerodynamik sind oftmals jene, die man von außen nicht sieht." Pascal Vasselon

Frage: "Auf welche Bereiche kommt es bei der weiteren Entwicklung des TS030 ganz besonders an?"
Vasselon: "Die wichtigsten Bereiche der Aerodynamik sind oftmals jene, die man von außen nicht sieht. Besonders wichtig ist zum Beispiel der Bereich am Unterboden direkt hinter dem Splitter an der Front. Der Unterboden ist generell äußerst wichtig. Dessen Form steht an erster Stelle. Außerdem sehr wichtig sind die Kanäle, die Luft von der Front nach hinten leiten. Das Zusammenspiel zwischen Heckflügel und Motorabdeckung ist auch wichtig."

Frage: "Gibt es Elemente am LMP1-Auto, die Sie nicht so gern mögen? Die offenen Radkästen beispielsweise?"
Vasselon: "Sie sind sicherlich nicht besonders ästhetisch, aber sie bewirken das, was sie bewirken sollen. Es findet ein Druckausgleich zwischen dem Unterboden und der Oberfläche statt. Es verhindert ein Abheben der Autos. Außerdem stört es uns aerodynamisch nicht. Das haben wir ganz gut gelöst. Deswegen stören mich die Löcher eigentlich nicht."

"Was ich an den Autos nicht ganz so gern mag, ist der Diffusor am Heck. Da könnte man viel mehr daraus machen, aber das Reglement ist in diesem Bereich sehr strikt. Ich verstehe das, weil dies ein Teil der Kostenkontrolle ist. Aber es führt leider dazu, dass die Diffusoren bei fast allen Autos nahezu gleich aussehen. Es ist fast schon ein Einheitsteil."

Fahrerkader für 2013 steht schon fest

Frage: "2013 wird Toyota mit zwei Autos in der WEC und mit drei Fahrzeugen in Le Mans antreten. Welche Fahrer werden dann im TS030 sitzen?"
Vasselon: "Wir haben unsere sechs Piloten. Wir sind extrem zufrieden mit allen, auch mit Buemi, Sarrazin und Davidson. In Le Mans ging es uns darum, in Sachen Fahrer keine Zweifel haben zu müssen. Wir haben uns daher sehr intensiv mit der Pilotenauswahl beschäftigt. Es gab eine Reihe wichtiger Kriterien. Wir haben letztlich genau die sechs Piloten bekommen, die wir brauchten. Alle sechs Fahrer haben herausragende Arbeit abgeliefert."

"Kazuki hat sicherlich im Rennen einen Fehler gemacht, aber dennoch hat er uns beeindruckt. Er ist im Qualifying eine Runde in 3:24.1 Minuten gefahren - bei seinem ersten Auftritt in Le Mans. Das war sehr gut. Auch Sebastien Buemi war stark. Er war derjenige, der die große Aufholjagd gezeigt hat. Er war extrem schnell und stieg nach einem Vierfach-Stint total frisch aus dem Auto - sehr beeindruckend."

Bei TMG in Köln wird bereits am TS030 für die WEC-Saison 2013 gearbeitet Zoom

"Stephane Sarrazin ist ebenso wie Alex Wurz oder Nico Lapierre eine Referenz. Diese Jungs sind super schnell und tolle Teamplayer. Das ist nicht nur dahergesagt, sondern die Wahrheit. Und dies macht in Le Mans einen erheblichen Unterschied aus. Beide Autos sind sehr homogen besetzt. Das ist nicht bei allen Teams so. Kurzum: Wir haben überhaupt keinen Grund, für das kommende Jahr etwas zu verändern."

Frage: "Welche drei Wünsche sollten sich bis 2015 erfüllt haben?"
Vasselon: "Wir sollten Le Mans gewonnen haben. Das steht an erster Stelle.Wir sollten in Le Mans und in der WEC etabliert sein und langfristig planen können. Das ist mein zweiter Wunsch. Wenn du dort mit deinem Programm etwas erreichen willst, dann musst du viele Jahre dort sein."

"Ich hoffe, dass wir die Performance haben, dort langfristig Spuren hinterlassen zu können. So hat es Porsche gemacht. 95 Prozent von deren sportlichem Image kommt von den Le-Mans-Auftritten. Die können sich nun eine lange Abwesenheit leisten, ohne dass sich etwas ändert. Wenn wir Le Mans gewinnen und es schaffen, eine starke Basis für eine lange Zukunft in Le Mans aufzubauen, dann brauche ich keinen dritten Wunsch frei."

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