Tony Stewart: "Ein Rennen kann die gesamte Saison drehen"

Inmitten einer bislang völlig verkorksten Saison 2015 gibt Tony Stewart nicht auf, kämpft verbissen um den Anschluss und will von Rücktritt nichts wissen

(Motorsport-Total.com) - Bis in den Sommer 2013 hinein verlief die Rennfahrerkarriere von Tony Stewart wie am Schnürchen. Nach einer kurzen, aber erfolgreichen IndyCar-Karriere, die ihn in der Indy-Racing-League (IRL) drei Rennen und den Titel 1997 gewinnen sah, stieg "Smoke" zur Saison 1999 ins NASCAR-Cockpit um.

Titel-Bild zur News: Tony Stewart

Tony Stewart erlebt eine Saison zum Vergessen, gibt aber nicht auf Zoom

Auch mit den im Vergleich zu den IndyCars deutlich schwereren und trägeren Stock-Cars stellten sich die Erfolge für Stewart schnell ein. Schon in seiner Rookie-Saison im Sprint-Cup (damals Winston-Cup) gewann er drei Rennen. In den folgenden Jahren brachte es der aus Columbus, Indiana stammende Lenkradvirtuose mit dem schweren Gasfuß auf 45 weitere Siege. 2002, 2005 und 2011 krönte sich Stewart zum Champion der höchsten NASCAR-Liga. Seine ersten beiden Titel gewann er als Angestellter von Joe Gibbs Racing. Den dritten errang er als Mitbesitzer seines eigenen Teams Stewart/Haas Racing.

Im Sommer 2013 aber erfuhr Tony Stewarts Karriere den ersten von zwei großen Rückschlägen. Auf dem Southern Iowa Speedway in Oskaloosa, Iowa crashte er bei einem Dirt-Track-Rennen mit Sprint-Cars am 5. August 2013 schwer. Stewart zog sich einen doppelten Bruch des rechten Beins zu und war für den Rest der NASCAR-Saison außer Gefecht gesetzt.

Zwei schwere Rückschläge hinterlassen Spuren

Körperlich noch nicht hundertprozentig wieder fit, mental aber fest entschlossen, das Comeback zu schaffen, kehrte "Smoke" im Februar 2014 ins Cockpit seines Stewart/Haas-Chevy mit der Startnummer 14 zurück. Mit nur sechs Top-10-Platzierungen bei 21 Rennen kam die Comeback-Saison nur schwer ins Rollen. Am 9. August 2014 kam es dann zum zweiten großen Rückschlag in Stewarts Karriere.

Tony Stewart

Der Beinbruch und vor allem das Drama um Kevin Ward Jr. nagten schwer an "Smoke" Zoom

Am Rande des NASCAR-Wochenendes in Watkins Glen ging "Smoke" am Samstagabend beim Dirt-Track-Rennen mit Sprint-Cars im Canandaigua Motorsports Park in Canandaigua, New York an den Start. Im Rennverlauf kam es zu einer leichten Kollision mit Kevin Ward Jr. Als der 20-jährige Nachwuchspilot daraufhin unter Gelb auf die Strecke lief, wurde er vom rechten Hinterrad von Stewarts Sprint-Car erfasst. Kevin Ward Jr. überlebte den Kontakt nicht und Tony Stewart war fortan ein gebrochener Mann.

Im Bemühen, mit der Situation fertig zu werden, zog sich der dreimalige NASCAR-Champion wochenlang in die Einsamkeit zurück. Als er drei Wochen nach dem fatalen Sprint-Car-Crash ins NASCAR-Cockpit zurückkehrte, war es Stewarts Absicht, langsam, aber sicher zur Normalität zurückzukehren. Doch davon konnte keine Rede sein. Der Routinier tat sich sichtlich schwer, an die alten Erfolge anzuknüpfen - und dies gilt bis heute.

Der Boss fährt hinterher: Schlusslicht bei Stewart/Hass

In 30 Rennen seit seinem Comeback fuhr Stewart saisonübergreifend lediglich zweimal in die Top 10. Statt um Siege mitzufahren, kämpft Stewart nun schon seit fast einem Jahr mehr schlecht als recht um Platzierungen, die seinem Kaliber so gar nicht entsprechen. In den 18 Rennen der laufenden Sprint-Cup-Saison 2015 gelang ihm nur mit Platz sechs in Bristol der Sprung in die Top 10.

Tony Stewart

Platz sechs in Bristol: Stewarts bislang einziges Top-10-Ergebnis anno 2015 Zoom

Im Gegensatz dazu schlagen für Stewart anno 2015 drei Ausfälle, drei Ergebnisse jenseits von Platz 30, vier Ergebnisse im Bereich der Plätze 21 bis 30 und sechs Ergebnisse im Bereich der Plätze elf bis 20 zu Buche. In der Gesamtwertung rangiert Stewart an indiskutabler 28. Stelle.

Damit bildet der Boss mit Abstand das Schlusslicht in Reihen des Vier-Wagen-Teams Stewart/Haas Racing. Titelverteidiger Kevin Harvick führt die Tabelle seit dem dritten Saisonrennen an. Kurt Busch liegt trotz dreier verpasster Rennen auf Tabellenrang acht und selbst Danica Patrick rangiert als 22. der Tabelle sechs Positionen vor "Smoke".

Welchen Anteil die Geschehnisse vom 9. August 2014 an seiner aktuellen Formkrise haben, weiß wohl nur Tony Stewart selbst. Es ist aber offensichtlich, dass auch die im Winter 2014/2015 vorgenommenen Regeländerungen ihren Anteil daran haben, dass man beim dreimaligen NASCAR-Champion beinahe das Gefühl hat, er habe das Fahren verlernt.


Fotostrecke: Die Karriere von Tony Stewart

"Ganz ehrlich, ich versuche nach wie vor herauszufinden, wie ich das Auto fahrbar machen kann", gesteht Stewart. Der mittlerweile 44-Jährige ahnt, dass dieser Prozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, schiebt hier und da bereits aufkommenden Gerüchten bezüglich eines baldigen Rücktritts aber entschieden den Riegel vor. "Es interessiert mich nicht, wie wir es schaffen, wieder konkurrenzfähig zu werden. Es kümmert mich nicht, ob es eine Woche oder sechs Wochen dauert. Das Wichtigste ist, an diesen Punkt zu gelangen", sagt Stewart und meint damit den Punkt, an dem er das Auto endlich wieder so fahren kann wie er es gewohnt ist.

Die im Winter vorgenommene Reduzierung der Motorleistung von über 900 auf nur noch 725 PS macht Stewart als den größten Stolperstein aus. "Wenn man so lange Rennautos fährt wie ich es tue, dann hat man sich an ein gewisses Fahrgefühl gewöhnt. Ich glaube, die Reduzierung der Motorleistung trifft mich mehr als alles andere. Ich bin mit leistungsstarken Autos groß geworden. Ich bin es gewohnt, Autos zu fahren, die im Verhältnis zu ihrem Gewicht viel Leistung entwickeln."

Auf der Suche nach dem richtigen Fahrgefühl

Die aktuellen Sprint-Cup-Boliden entsprechen vom Fahrgefühl her so gar nicht den Vorstellungen Stewarts. Doch damit steht der Stewart/Haas-Boss nicht allein da. Auch Fahrer wie Kyle Larson oder Jeff Gordon tun sich in dieser Saison deutlich schwerer als 2014, wenngleich sie sich im Vergleich zu Stewart immer noch achtbar aus der Affäre zu ziehen und zumindest regelmäßig um Top-10-Platzierungen mitfahren.

Tony Stewart jedoch wäre nicht Tony Stewart, würde er die Brocken einfach so hinwerfen und sich angesichts der aktuellen Formkrise aufs Altenteil zurückziehen. "Wir werden weiter intensiv arbeiten und alles geben, um das richtige Gefühl zu finden", versichert der 44-Jährige. Hoffnung, seine persönliche Saison 2015 doch noch zum Positiven zu wenden, macht ihm nicht zuletzt das Format der Meisterschaft.

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Talfahrt: Auch mit dem Aero-Paket für Kentucky gab es kein Erfolgserlebnis Zoom

"So wie der Chase heute funktioniert, ist ein gutes Rennen alles, was man braucht, um wieder mitreden zu können", sagt Stewart. Ganz so einfach ist es bezüglich eines Einzugs in den Chase zwar nicht, doch der leidgeprüfte NASCAR-Haudegen spricht auch weniger vom direkten Einzug in den Titelkampf als vielmehr von einer erhofften Initialzündung für weitere Erfolgserlebnisse: "Ein Rennen kann die gesamte Saison drehen. Genau das ist es, was uns Woche für Woche antreibt."

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Hartnäckigkeit der gesamten Stewart/Haas-Crew mit der Startnummer 14 früher oder später auszahlen wird und "Smoke" wieder in gewohnte Regionen der Ergebnislisten vordringen kann.