Briscoe bei Überschlag unverletzt - Kernproblem besteht weiter

Während Ryan Briscoe nach seinem Fontana-Crash die Sicherheitsmaßnahmen in der IndyCar-Serie lobt, ist das Problem der abhebenden Boliden noch nicht gelöst

(Motorsport-Total.com) - Es war die dramatischste Szene eines dreistündigen Ritts auf der Rasierklinge: Als sich Ryan Briscoe (Schmidt-Honda) in der Schlussphase des IndyCar-Rennens in Fontana im Infield-Gras vor der Haupttribüne überschlug, stockte den (wenigen) Zuschauern vor Ort und vor den TV-Geräten der Atem.

Titel-Bild zur News: Ryan Briscoe, Ryan Hunter-Reay

Der Überschlag von Ryan Briscoe nach Berührung mit Ryan Hunter-Reay in Fontana Zoom

Sofort wurden Erinnerungen an die Überschläge von Helio Castroneves, Josef Newgarden und Ed Carpenter im Rahmen des diesjährigen Indy 500 wach. Diese drei Überschläge verliefen zwar allesamt glimpflich, doch es war klar, dass etwas getan werden muss, um das Problem der abhebenden Boliden in den Griff zu bekommen.

So wurden im Nachgang zum Indy 500 Veränderungen an den Speedway-Kits von Chevrolet und Honda vorgenommen. Man schloss die Öffnungen des Bodyworks rund um die Hinterräder. Die entsprechenden Verkleidungen - die sogenannten Rear-Wheel-Guards - wurden komplett dicht gestaltet. Die IndyCar-Offiziellen glaubten, das Unterluft-Problem damit weitestgehend gelöst zu haben.

Abhebende IndyCars: Der Problem besteht weiterhin

Beim Firestone 600 auf dem Texas Motor Speedway wurde erstmals mit den neuen Hinterradverkleidungen gefahren. Doch Unfälle blieben auf dem texanischen 1,5-Meilen-Oval komplett aus, weshalb das von Scott Dixon gewonnene Rennen hinsichtlich der Veränderungen an den Speedway-Kits nicht als Bewährungsprobe herangezogen werden kann.

Juan Pablo Montoya, Marco Andretti, Takuma Sato, Will Power

Abgeschlossene Hinterrad-Verkleidungen sind noch nicht der Weisheit letzter Schluss Zoom

Wie das Beispiel Ryan Briscoe in Fontana zeigt, ist das Problem noch nicht gelöst. Ein in Drehbewegung geratener IndyCar-Bolide kann weiterhin Unterluft bekommen und abheben. Genau das ist in Fontana passiert, nachdem Briscoe mit Ryan Hunter-Reay (Andretti-Honda) aneinandergeraten war.

Der goldene Bolide von Schmidt/Peterson Motorsports drehte sich zusammen mit dem gelben Andretti-Boliden ins Infield, bekam dort Unterluft, verkantete im Gras und setzte zu einem wilden Überschlag an, bei dem Räder, Aufhängungsteile, Flügel und mehr in die Luft geschleudert wurden.

Briscoe: Nur ein paar Prellungen, sonst wohlauf

Briscoe blieb bei seinem unfreiwilligen Stunt unverletzt. Kaum, dass das Wrack kurz hinter der Start/Ziel-Linie zum Stillstand gekommen war, gab der 33-Australier per Handzeichen Entwarnung und stieg aus. "Ich habe überhaupt keine Probleme. Mein Nacken ist ein bisschen steif und ich habe hier und da ein paar Prellungen. Nach einem Crash dieser Größenordnung sind das aber wirklich Kleinigkeiten", bemerkt Briscoe zwei Tage nach Unfall gegenüber 'Racer'.

Ryan Briscoe, Will Power, Tony Kanaan, Marco Andretti

Bis zum wilden Abgang kämpfte Ryan Briscoe (5) in Fontana in der Spitzengruppe Zoom

Den heftigsten Schlag erlitt der Australier, als die Nase seines Schmidt-Honda frontal im Gras aufsetzte. "Dass meine Wirbelsäule und mein Nacken dabei heil geblieben sind, habe ich dem HANS-System zu verdanken", ist der Ersatzmann des verletzten James Hinchcliffe überzeugt. Und weiter: "Die Front des Autos hat schweren Schaden genommen, aber meine Füße und Beine haben keine Kratzer. Das ist schon erstaunlich."

So kommt Briscoe zum Schluss: "In der IndyCar-Szene wurden in den vergangenen Jahren große Fortschritte in Sachen Sicherheit erzielt. Die Polsterungen im Cockpit und alles, was für den Fahrer getan wurde, haben mir am Samstag geholfen, einen ziemlich heftigen Unfall unverletzt zu überstehen."

Vor zehn Jahren brach sich Briscoe bei seinem Horrorcrash auf dem Chicagoland Speedway das linke und das rechte Schlüsselbein. Damals hatte sein Ganassi-Bolide nach Kontakt mit dem Auto eines Konkurrenten den Bodenkontakt verloren und war brutal in den Fangzaun eingeschlagen. Von den damaligen Verletzungen ist er längst genesen. Einer der ersten Sätze, die Briscoe am Samstag nach seinem Fontana-Crash in die Mikrofone diktierte, war: "Ich spürte, dass ich eine Chance hatte, dieses Rennen zu gewinnen. Hoffentlich klappt das in diesem Jahr noch."


Überschlag von Ryan Briscoe in Fontana

Bis zur Hinchcliffe-Rückkehr im Cockpit

Die Gelegenheit für Erfolge wird Briscoe bekommen, schließlich sitzt er im Team von Sam Schmidt bis zur Rückkehr von Stammfahrer James Hinchcliffe fest im Sattel. "Das war ohnehin von Beginn an der Plan, aber zweimal gab es terminliche Überschneidungen", spricht der Hinchcliffe-Ersatzfahrer den Umstand an, dass er in Detroit und Toronto von Conor Daly vertreten wurde, weil er selbst in Le Mans unterwegs war (Vortest und Rennwochenende des 24-Stunden-Rennens).

Ryan Briscoe

Ryan Briscoe: Weitere Ersatzfahrer für den Ersatzfahrer sind nicht vorgesehen Zoom

"Ich werde im Auto sitzen, bis Hinch zurückkommt. Es ist mir eine Ehre, ihn zu vertreten solange er sich erholt", sagt Briscoe mit Verweis auf die gesundheitlichen Fortschritte beim verletzten Stammfahrer aus Kanada. Bis zur Rückkehr ins Cockpit muss Hinchcliffe, der sich bei seinem Trainingsunfall zum Indy 500 schwere Beinverletzungen zugezogen hatte, noch eine weitere Operation überstehen. Mit leichten körperlichen Trainingseinheiten hat er vor wenigen Tagen bereits begonnen.

Briscoe will Hinchcliffe bestmöglich vertreten. "Ich glaube, wir hatten in Fontana eine richtig gute Chance auf den Sieg und ich glaube nicht, dass wir zum letzten Mal in dieser Position gewesen sind. Das vergangene Jahr bei Ganassi war für mich ein schwieriges, aber diese Chance lässt sich für mich ganz gut an. Ich hoffe, dass ich auch künftig IndyCar-Rennen fahren kann", so der unerschütterliche Australier.