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Stellen die Aero-Kits die IndyCar-Hackordnung auf den Kopf?

Ende März feiern die Aero-Kits Premiere: Aerodynamikchef Belli erwartet Unterschiede zwischen Chevy und Honda, aber auch zwischen den Teams

(Motorsport-Total.com) - Beim Saisonauftakt in Brasilia am 8. März fahren die IndyCars von Dallara noch ohne die Aero-Kits. Doch ab dem zweiten Saisonlauf in St. Petersburg am 29. März wird man die Chevy- und Honda-befeuerten Boliden nicht mehr nur anhand der Logos auf der Motorenabdeckung, sondern vor allem anhand der aerodynamischen Anbauteile unterscheiden können.

Titel-Bild zur News: Ryan Hunter-Reay, Will Power

Chevy und Honda dürfen beim Aero-Paket innerhalb fester Grenzen Hand anlegen Zoom

Folgende Bereiche können von den Herstellern mittels Aero-Kit selbst gestaltet werden: Motorenabdeckung, Seitenkästen und Aufprallschutz für die Hinterräder, wobei sich die Kits für die 1,5-Meilen-Ovale und die Superspeedways von jenen für die kurzen Ovale beziehungsweise Rund- und Stadtkurse unterscheiden. Was die Front- und Heckflügel betrifft, so bleiben diese auf den kurzen Ovalen und auf den Rund- und Stadtkursen gegenüber den vergangenen Jahren unverändert. Für die drei Superspeedways (Indianapolis, Pocono und Fontana) sowie das einzige 1,5-Meilen-Oval (Fort Worth) haben die Hersteller die Freiheit, eigene Front- und Heckflügel zu verwenden.

Seit Oktober des vergangenen Jahres testen Chevrolet und Honda ihre jeweiligen Aero-Kits in geheimer Mission. Am 16./17. März, also gut eine Woche nach dem Saisonauftakt in Brasilia, steigt im Barber Motorsports Park der erste gemeinsame Test mit den neuen Anbauteilen. Keine zwei Wochen später feiern die Kits für Rund- und Straßenkurse sowie kurze Ovale (weitestgehend identisch) in St. Petersburg ihre Rennpremiere. Die Superspeedway-Kits geben ihr Renndebüt am 24. Mai beim Indy 500.

Unterschiede nicht nur zwischen Chevy und Honda

Juan Pablo Montoya, Scott Dixon

Auch innerhalb einer Herstellerfraktion wird es verschiedene Aero-Varianten geben Zoom

"Die Unterschiede zwischen dem Dallara-Chassis Stand 2014 und den 2015er-Aero-Kits von Chevy und Honda werden recht einfach auszumachen sein", kündigt IndyCar-Aerodynamikchef Tino Belli gegenüber 'indycar.com' an. In diesem Zusammenhang offenbart der Ingenieur, dass es auch herstellerintern durchaus Unterschiede geben kann: "Der Chevy-Kit muss an einem Penske-Auto nicht zwangsläufig der gleiche sein wie an einem Ganassi-Auto. Gleiches gilt für den Honda-Kit bezogen auf einen Andretti- und einen Schmidt-Boliden. Die Teams haben verschiedene Optionen."

Was Belli konkret damit meint? "Die Teams haben eine Reihe von Parametern, mit denen sie spielen können, um den Setup-Wünschen des Fahrers gerecht zu werden. Das Setup wird künftig nicht mehr nur vom Winkel des Flügels, von den Federn und Dämpfern oder vom Radsturz bestimmt. Künftig kann man sich auch der Aerodynamik bedienen."

Bis zum Sonntag der kommenden Woche (18. Januar) müssen Chevrolet und Honda ihre Aero-Kits von den IndyCar-Regelhütern homologieren lassen. Aerodynamikchef Belli rechnet schon jetzt damit, dass "die Hersteller eine Reihe von optionalen Komponenten homologieren lassen werden, um für eine bestimmte Rennstrecke mehrere Optionen zu haben".

Unterschiede zwischen Quali- und Renn-Konfiguration

Start zum Honda Indy Toronto 2014

Quali- und Renn-Setup werden sich in puncto Aero-Konfiguration unterscheiden Zoom

So gilt beispielsweise der Infield-Kurs des Indianapolis Motor Speedway als knifflig, weil die langen Geraden wenig Abtrieb und damit beinahe den Superspeedway-Kit verlangen. Weil es sich aber um einen Rundkurs mit 13 teils langsamen Kurven handelt, müssen die Teams Kompromisse eingehen. "Ein Frontflügel für die Speedways wird dort nicht funktionieren. Man könnte es aber mit einem Seitenkasten für die Speedways probieren", sinniert Belli.

Zudem steht es den Teams mit den Kits der Hersteller frei, im Qualifying eine andere Aero-Konfiguration als im Rennen zu fahren. "Ein Team könnte sich im Qualifying für eine Lösung mit extrem wenig Abtrieb entscheiden, um so die frischen Reifen optimal zu nutzen. Für das Rennen würde man dann auf ein Setup mit mehr Abtrieb zurückbauen. Das heißt, einige der Komponenten auf den Seitenkästen, rund um die Hinterräder und auf der Motorenabdeckung könnten verändert werden", bemerkt Belli.

Für diesen Zweck haben Chevrolet und Honda spezielle Winglets in ihren Aero-Kits parat. Die Zeiten, in denen die Autos in identischer Abstimmung Qualifying und Rennen bestritten, sind nach Aussage des IndyCar-Aerodynamikchefs jedenfalls vorbei.

Mario Andretti kritisiert Zeitpunkt der Einführung

Mario Andretti

Mario Andretti findet, dass die Aero-Kits zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt kommen Zoom

Doch während die IndyCar-Verantwortlichen das Debüt der Aero-Kits und die Auswirkungen mit Spannung erwarten, hat Mario Andretti wieder einmal Bauchschmerzen. Der viermalige IndyCar-Champion, der das Geschehen auch zwanzig Jahre nach seinem Rücktritt noch äußerst intensiv verfolgt, hat bereits seine Bedenken zum Rennkalender und zu den doppelten Punkten kundgetan. Auch die Aero-Kits sind laut Andretti nicht unbedingt der Weg, der eingeschlagen werden sollte.

"Diese Aero-Kits könnten das Racing negativ beeinflussen. Honda könnte mit einem besseren Paket für die Rundkurse um die Ecke kommen, Chevy hat vielleicht das bessere Paket für die Ovale. Wie auch immer, das Feld wird sich auseinanderziehen", so Andrettis Bedenken gegenüber 'Racer'. Die US-Rennlegende stört sich vor allem am Zeitpunkt der Einführung der Aero-Kits: "Und das nach drei Jahren, in denen wir ein so packendes IndyCar Racing wie noch nie gesehen haben. Es war eine Freude, dabei zuzusehen, und zwar auf jeder Art von Rennstrecke."