Vorschau: Thriller in Talladega

(Motorsport-Total.com) - Alle Vorzeichen deuten nur auf eines hin: An diesem Wochenende wird es einen echten NASCAR-Thriller geben. Es geht in die absolut heiße Phase der Sprint-Cup-Saison 2014. Das Geico 500 auf dem Talladega Superspeedway ist das letzte Rennen der Contender-Round. Danach müssen vier der noch verbliebenen zwölf Chase-Piloten ihren Hut nehmen. Es geht also bereits um alles und ganz oben auf der Liste der Sorgenkinder tummeln sich große NASCAR-Namen wie Jimmie Johnson, Dale Earnhardt Jr. (beide Hendrick-Chevrolet) und Brad Keselowski (Penske-Ford).

Ausgerechnet Talladega. Zu Saisonbeginn führte NASCAR ein neues Playoff-System ein, in dem der 2,66 Meilen lange Superspeedway im US-Bundesstaat Alabama sozusagen das Finale der zweiten Chase-Runde darstellt. Das so unberechenbare "Dega" galt im NASCAR-Chase schon immer als ein "Wild-Card"-Rennen. Nun erhöht sich der Druck noch einmal um ein Vielfaches. Wer in Kansas und Charlotte, den ersten beiden Events der Contender-Round, kein gutes Resultat erzielt hat, der muss seine Titelkarten nun auf das Risiko-Blatt Talladega setzen.

Von Atlanta aus geht es rund zwei bis drei Fahrstunden gen Westen, gen "Sweet Home Alabama", bis irgendwann einmal dieser im Jahr 1969 eingeweihte Koloss mit seinen mächtigen Kurvenüberhöhungen von 33 Grad auftaucht. Die Chancen auf einen Talladega-Sieg stehen 1:43, denn in dieser gigantischen Windschattenschlacht kann im Prinzip jeder gewinnen. Vorausgesetzt, man übersteht den so gefürchteten "Big One", die klassische Massenkarambolage, die in Talladega jederzeit auch im Plural auftreten kann.

Die Tempi werden am Sonntagabend vermutlich wieder an der 200-Meilen-Marke kratzen. Oder anders ausgedrückt: Die 43 V8-Boliden werden mit rund 320 km/h Stoßstange an Stoßstange und zu dritt nebeneinander durch das Areal donnern. Gefahren wird natürlich wieder mit den Restrictor-Plates, den Luftmengenbegrenzern, die die Motorleistung von über 900 PS auf knapp 600 PS reduzieren. Eine notwendige Maßnahme, denn sonst würde diese NASCAR-Schlacht ganz einfach zu schnell und damit zu gefährlich werden.

Earnhardt-Aus im Earnhardt-Country?

Glückwunsch: Kevin Harvick (Stewart/Haas-Chevrolet; Sieger in Charlotte) und Joey Logano (Penske-Ford; Sieger in Kansas) können ruhig schlafen. Dieses Duo steht bereits in der Eliminator-Round, egal was am Sonntagabend passieren wird. "Ich denke, dass jeder gerne in der Position von Kevin und mir sein würde", weiß Logano. "Wir müssen uns keine Sorgen machen und können munter auf Sieg fahren. Genau das ging mir durch den Kopf, als ich in Kansas über die Ziellinie gefahren bin. Das macht dieses Wochenende viel leichter für uns."

Ganz anders ist die Situation rund um den ganz großen Publikumsliebling der NASCAR. Sollte Dale Earnhardt Jr. ausgerechnet bei seinem Heimrennen die Meistersegel streichen müssen? Talladega ist seit Jahrzehnten das "Earnhardt-Country". Zusammengerechnet gewannen Dale Earnhardt Sr. und "Junior" nicht weniger als 15 der bisher insgesamt 90 Talladega-Rennen. Dale Jrs. sechster Talladega-Erfolg wäre am Sonntag dringend nötig, um seine Titelchancen aufrecht zu erhalten. Ansonsten droht genauso das Aus wie für seinen Hendrick-Teamkollegen, den sechsfachen NASCAR-Champion Jimmie Johnson.

Für Brad Keselowski wiederum ist Talladega die Strecke, auf der er im April 2009 seinen ersten Sprint-Cup-Sieg holen konnte. "Das war ein wichtiger Moment in meiner Karriere", sagt der aktuelle Bösewicht der NASCAR. "Aber auch der zweite Sieg 2012 war ein wichtiger Baustein dafür, dass ich später den Titel holen konnte. Dieses Wochenende wird wieder sehr interessant. Wir brauchen ein großes Rennen, wir werden alles geben und das ist alles, was wir tun können." Nach den Vorkommnissen von Charlotte sind sicherlich viele Augen auf "Bad Brad" gerichtet.

Es droht also tatsächlich ein Szenario, in dem drei absolute NASCAR-Schwergewichte vorzeitig scheitern könnten. Ganz im Gegensatz übrigens zu einigen anderen Piloten, die eigentlich kaum jemand auf seinem Meisterzettel hatte. Allen voran Ryan Newman (Childress-Chevrolet), der sich im Chase 2014 bisher als unauffälliger, aber umso eifrigerer Punktesammler gibt. Der "Rocket-Man" fuhr in Kansas und Charlotte auf die Plätze sechs und sieben, und steht damit mit einem Bein in der Eliminator-Round.

46 Teams wollen mitmischen

Ähnliches gilt für Kyle Busch (Gibbs-Toyota) mit den Positionen drei (Kansas) und fünf (Charlotte). Auch Carl Edwards (Roush-Ford) hielt sich bisher mit Rang fünf (Kansas) und acht (Charlotte) genauso schadlos wie Jeff Gordon (Hendrick-Chevrolet; 14./2.) und Denny Hamlin (Gibbs-Toyota; 7./9.). Dieses Fünferpaket besitzt neben Logano und Harvick eine recht gute Ausgangsposition für das Weiterkommen. Neben den drei Sorgenkindern duellieren sich Kasey Kahne (Hendrick-Chevrolet) und Matt Kenseth (Gibbs-Toyota) um Rang acht. Sie sind derzeit nur um einen einzigen Punkt getrennt. Thriller-Time.

46 Teams haben gemeldet. Das bedeutet: Drei Mannschaften müssen nach der dreistufigen Qualifikation am Samstagabend vorzeitig nach Hause fahren. Wie immer ist Talladega ein sogenanntes "Impound-Race", die Autos dürfen nach dem Qualifying also nicht mehr verändert werden. Neu dabei ist unter anderem Joe Nemechek in einem RAB-Toyota mit der Startnummer 29. Jay Robinson bringt Mike Wallace mit der Nummer 49 an den Start, Michael Waltrip sitzt im Quasi-Schwesterauto mit der 66.

Altstar Terry Labonte, der 1989 (!) sein erstes Talladega-Rennen gewinnen konnte, steuert den FAS-Ford mit der 32. Für Ryan Blaney im dritten Penske-Ford mit der Startnummer 12 soll sein Talladega-Start ein Aufgalopp für die kommende Saison werden, wenn er den Ford Fusion der Wood Brothers übernimmt. Blaney weiß: "Je mehr Streckenzeit ich bekomme, desto besser werde ich im Daytona 500 sein, wenn ich für die Wood Brothers starte." In Talladega sitzt wieder Trevor Bayne in der 21.

Es ist also angerichtet. 'Motorvision TV' überträgt die so spektakuläre Restrictor-Plate-Schlacht aus Talladega am Sonntagabend live ab 19:00 Uhr - wie immer inklusive der kompletten Pre-Race-Show der US-Kollegen. Am Mikrofon sitzen Pete Fink und Mario Fritzsche. Die grüne Startflagge wird gegen 20:15 Uhr erwartet. Der erste Wetterbericht für das Alabama-Wochenende ist sehr gut: Nur eine leichte Bewölkung und Temperaturen um die 25 Grad Celsius.

Der Zeitplan von Talladega:

Freitag:
20:30 - 21.30 Uhr: Erstes Freies Training
22:30 - 23:20 Uhr: Abschlusstraining

Samstag:
ab 19:00 Uhr: Truck-Rennen
ab 22:40 Uhr: Sprint-Cup-Qualifikation

Sonntag:
ab 19:00 Uhr: Geico 500 (live auf Motorvision TV)

Die Meldeliste von Talladega:

01. 1 Jamie McMurray (Ganassi-Chevrolet)
02. 2 Brad Keselowski (Penske-Ford) - C
03. 3 Austin Dillon (Childress-Chevrolet)
04. 4 Kevin Harvick (Stewart/Haas-Chevrolet) - C
05. 5 Kasey Kahne (Hendrick-Chevrolet) - C
06. 7 Michael Annett (Baldwin-Chevrolet)
07. 9 Marcos Ambrose (Petty-Ford)
08. 10 Danica Patrick (Stewart/Haas-Chevrolet)
09. 11 Denny Hamlin (Gibbs-Toyota) - C
10. 12 Ryan Blaney (Penske-Ford)
11. 13 Casey Mears (Germain-Chevrolet)
12. 14 Tony Stewart (Stewart/Haas-Chevrolet)
13. 15 Clint Bowyer (Waltrip-Toyota)
14. 16 Greg Biffle (Roush-Ford)
15. 17 Ricky Stenhouse (Roush-Ford)
16. 18 Kyle Busch (Gibbs-Toyota) - C
17. 20 Matt Kenseth (Gibbs-Toyota) - C
18. 21 Trevor Bayne (Wood-Ford)
19. 22 Joey Logano (Penske-Ford) - C
20. 23 Alex Bowman (BK-Toyota)
21. 24 Jeff Gordon (Hendrick-Chevrolet) - C
22. 26 Cole Whitt (BK-Toyota)
23. 27 Paul Menard (Childress-Chevrolet)
24. 29 Joe Nemechek (RAB-Toyota)
25. 31 Ryan Newman (Childress-Chevrolet) - C
26. 32 Terry Labonte (FAS-Ford)
27. 33 Travis Kvapil (Circle-Chevrolet)
28. 34 David Ragan (Front-Row-Ford)
29. 36 Reed Sorenson (Baldwin-Chevrolet)
30. 38 David Gilliland (Front-Row-Ford)
31. 40 Landon Cassill (Circle-Chevrolet)
32. 41 Kurt Busch (Stewart/Haas-Chevrolet)
33. 42 Kyle Larson (Ganassi-Chevrolet)
34. 43 Aric Almirola (Petty-Ford)
35. 47 A.J. Allmendinger (JTG-Chevrolet)
36. 48 Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet) - C
37. 49 Mike Wallace (Robinson-Toyota)
38. 51 Justin Allgaier (HScott-Chevrolet)
39. 55 Brian Vickers (Waltrip-Toyota)
40. 66 Michael Waltrip (Waltrip-Toyota)
41. 78 Martin Truex Jr. (Furniture-Row-Chevrolet)
42. 83 J.J. Yeley (BK-Toyota)
43. 88 Dale Earnhardt Jr. (Hendrick-Chevrolet) - C
44. 95 Michael McDowell (Leavine-Ford)
45. 98 Josh Wise (Parsons-Ford)
46. 99 Carl Edwards (Roush-Ford) - C

Alle Talladega-Sieger auf einen Blick:

1969: Richard Brickhouse
1970: Pete Hamilton/Pete Hamilton
1971: Donnie Allison/Bobby Allison
1972: David Pearson/James Hylton
1973: David Pearson/Dick Brooks
1974: David Pearson/Richard Petty
1975: Buddy Baker/Buddy Baker
1976: Buddy Baker/Dave Marcis
1977: Darrell Waltrip/Donnie Allison
1978: Cale Yarborough/Lennie Pond
1979: Bobby Allison/Darrell Waltrip
1980: Buddy Baker/Neil Bonnett
1981: Bobby Allison/Ron Bouchard
1982: Darrell Waltrip/Darrell Waltrip
1983: Richard Petty/Dale Earnhardt
1984: Cale Yarborough/Dale Earnhardt
1985: Bill Elliott/Cale Yarborough
1986: Bobby Allison/Bobby Hillin
1987: Davey Allison/Bill Elliott
1988: Phil Parsons/Ken Schrader
1989: Davey Allison/Terry Labonte
1990: Dale Earnhardt/Dale Earnhardt
1991: Harry Gant/Dake Earnhardt
1992: Davey Allison/Ernie Irvan
1993: Ernie Irvan/Dale Earnhardt
1994: Dale Earnhardt/Jimmy Spencer
1995: Mark Martin/Sterling Marlin
1996: Sterling Marlin/Jeff Gordon
1997: Mark Martin/Terry Labonte
1998: Bobby Labonte/Dale Jarrett
1999: Dale Earnhardt/Dale Earnhardt
2000: Jeff Gordon/Dale Earnhardt
2001: Bobby Hamilton/Dale Earnhardt Jr.
2002: Dale Earnhardt Jr./Dale Earnhardt Jr.
2003: Dale Earnhardt Jr./Michael Waltrip
2004: Jeff Gordon/Dale Earnhardt Jr.
2005: Jeff Gordon/Dale Jarrett
2006: Jimmie Johnson/Brian Vickers
2007: Jeff Gordon/Jeff Gordon
2008: Kyle Busch/Tony Stewart
2009: Brad Keselowski/Jamie McMurray
2010: Kevin Harvick/Clint Bowyer
2011: Jimmie Johnson/Clint Bowyer
2012: Brad Keselowski/Matt Kenseth
2013: David Ragan/Jamie McMurray
2014: Denny Hamlin/?