• 08.03.2012 06:53

  • von Pete Fink

Montoya exklusiv: "Ich bin die Telemetrie"

Juan Pablo Montoya geht in seine sechste Saison und beschreibt im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' die Faszination NASCAR-Fahren

(Motorsport-Total.com) - Juan Pablo Montoya hat mittlerweile im Vergleich zur Formel 1 fast doppelt so viele NASCAR-Rennen auf dem Buckel. 95mal startete er zwischen 2001 und 2006 zu einem Grand Prix, am kommenden Wochenende in Las Vegas steht sein Sprint-Cup-Start Nummer 183 an. 2012 ist es bereits sein sechstes volles NASCAR-Jahr - und jetzt soll alles besser werden.

Titel-Bild zur News: Juan Pablo Montoya

Juan Pablo Montoya und sein neuer Crewchief Chris Heroy

Seine Zahlen sind mager: Nur zwei (Sonoma 2007, Watkins Glen 2010) seiner 182 Rennen konnte der 36-jährige Kolumbianer gewinnen. Einmal in fünf NASCAR-Jahren (2009) glückte ihm eine Chase-Platzierung. An 49 Wochenenden fuhr er in die Top 10, im Vorjahr ganze achtmal. Angesichts dieser dünnen Performance zog sein Teamchef Chip Ganassi im Winter die Notbremse: Fast die gesamte Montoya-Mannschaft wurde ausgewechselt.


Fotos: NASCAR: Daytona 500, Montag


Max Jones kam von Roush-Fenway Racing und ist bei Ganassi der neue Teammanager. John Probst, ehemals Team Red Bull, ist der neue Technikchef und Chris Heroy ist der neue Crewchief an der Startnummer 42. Heroy kommt von Hendrick Motorsports, wo er für diverse Nationwide-Einsätze von Jimmie Johnson und Dale Earnhardt Jr. verantwortlich zeichnete. Geblieben sind nur der Truckie, der Stoßdämpfer-Mann und der Reifen-Mann.

"Langfristig wird sich das positiv auswirken", ist sich Montoya im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' sicher. "Kurzfristig stellt sich die Frage, wie schnell wir unsere interne Kommunikation auf die Reihe bekommen." Keine Frage: Nach Donnie Wingo (2007/2008), Jimmy Elledge (2008), Brian Pattie (2008-2011) und Jim Pohlman (2011) ist Heroy schon der fünfte Montoya-Crewchief im sechsten Jahr. Konstanz sieht anders aus.

Alles für den Turnaround

Juan Pablo Montoya

Spektakulär: Montoya und der Daytona-Crash mit dem Jet-Dryer Zoom

An der Vorbereitung sollte es nicht mangeln. "Wir haben viel getestet, auch im direkten Vergleich mit anderen Teams", berichtet Montoya. "Bisher hat sich das Auto wirklich verbessert gezeigt. Das ist schon ermutigend und jetzt müssen wir einfach mal abwarten, was alles passieren wird." Dies sagte er wenige Stunden vor seinem defektbedingten und hoch spektakulären Daytona-Abflug, als er in einen Jet-Dryer krachte, dessen Flugbenzin sich entzündete. Die Bilder gingen um die Welt.

Doch die Restrictor-Plate-Strecke von Daytona ist bekanntlich ein NASCAR-Spezialfall und damit keinerlei Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Chevy Impalas auf die ganze Saison gesehen. Mehr Indizien bot da schon am vergangenen Wochenende der Short-Track von Phoenix, auf dem Montoya nach einem unauffälligen Rennen Elfter wurde. Am Mittwoch testete das Ganassi-Team erneut, dieses Mal in Nashville.

Keine Frage: Chip Ganassi lässt nichts unversucht, um den schnellen Turnaround zu forcieren. Um im Gegensatz zu vielen Unkenrufen hat Montoya nichts von seiner Motivation verloren. Im Gegenteil: Ihm bereitet das Bewegen der schwierigen NASCAR-Boliden sichtlich Spaß. "Wenn man das Fahren auf den Ovalen im Fernseher sieht, dann sieht das alles ganz einfach aus", sinniert der Kolumbianer. "Aber das ist es ganz und gar nicht. Und schon gar nicht in den Sprint-Cup-Autos."

"Abgesehen von den vier Restrictor-Plate-Rennen (in Daytona und Talladega; Anm. d. Red.) musst du in jedem Oval anbremsen und du rutscht in den Kurven nur herum. Du kannst nicht einmal annähernd Vollgas fahren und kommst bei Tempo 300 quer daher. Im Prinzip machst du bei 300 einen Powerslide."

Permanente Zweikämpfe

Juan Pablo Montoya

Die Rad-an-Rad-Duelle sind ganz nach dem Montoya-Geschmack Zoom

"Der Reifen, das ganze Auto bewegt sich, aber du hast trotzdem noch eine Menge Grip. Gleichzeitig aber auch eine unglaubliche Masse, denn diese Autos sind ja über eineinhalb Tonnen schwer. Das alles macht es sehr schwer einzuschätzen, wo die absolute Grenze wirklich liegt." Doch dieser rein fahrerische Anspruch ist bei weitem nicht das ganze NASCAR-Geheimnis.

"Was noch dazu kommt, sind die Streckenbedingungen. Auch die ändern sich im Rennverlauf permanent. Wenn du das nicht perfekt antizipierst, dann wirst du Probleme bekommen. Und: Auf den Rundstrecken hast du im Normalfall nur eine Linie. Auf den Ovalen gibt es zig Möglichkeiten. Natürlich gibt es in der Qualifikation eine optimale Linie, aber selbst dann wird es Leute gegen, die das anders sehen."

Kein Wunder bei 43 Piloten im Feld, die im Normalfall nur durch zwei Zehntelsekunden voneinander getrennt sind. Was gezwungenermaßen in den drei bis vier Stunden Renndauer zu permanenten Zweikämpfen führt. "Du kannst in der NASCAR quasi immer Seite an Seite mit einem Konkurrenten fahren", weiß Montoya. "Die Konkurrenz ist sehr stark und das macht einfach richtig Spaß."

Bloß nicht daneben liegen...

Juan Pablo Montoya

Wann kann Montoya (42) mit den NASCAR-Assen wie Jeff Gordon mithalten? Zoom

Trotzdem musste sich der Earnhardt/Ganassi-Pilot in den vergangenen fünf Jahren vieles neu aneignen. "Ich habe das Rennfahren in den Formelautos gelernt. Sie sind sehr präzise, sehr ansprechend. Und in der Formel 1 hast du die Telemetrie. Die Ingenieure wissen genau, wann du bremst und wie du einlenkst. Das gibt es hier alles nicht. Hier bist du derjenige, der seinem Crewchief beschrieben muss, was im Auto vor sich geht. Ich bin also die Telemetrie. Wenn ich daneben liege, dann werden sie die falschen Veränderungen vornehmen."

"Zum Beispiel, wenn du Übersteuern hast. Das kann man durch 20 unterschiedliche Maßnahmen korrigieren. Es geht darum herauszufinden, auf welchem Weg so etwas am besten zu lösen ist. Wie ich es am liebsten mag, denn wann immer du etwas veränderst, hat das auch Auswirkungen auf den Rest. Wenn du zum Beispiel etwas machst, um die Performance des Autos am Kurveneingang zu verbessern, dann wirkt sich das auch auf die Kurvenmitte und den Kurvenausgang aus. Das hängt alles mechanisch zusammen und es ist - im Gegensatz zur Formel 1 - völlig unmöglich, ein Problem isoliert zu lösen."

Gerade dies ist eine Disziplin, in der die alteingesessenen NASCAR-Asse wie Jimmie Johnson, Jeff Gordon und Co. absolute Meister ihres Fachs sind. Und dies ist auch der Grund, warum sich Quereinsteiger wie Montoya, Dario Franchitti, Jacques Villeneuve und Co. so schwer tun, beziehungsweise taten. Immerhin kann man Montoya eines nicht vorwerfen: Den Durchhaltewillen. Bleibt also nur zu wünschen, dass der NASCAR-Knoten irgendwann aufgehen wird.

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