• 10.07.2011 22:50

  • von Pete Fink

Franchitti und Dixon überstehen Toronto-Chaos

Dario Franchitti und Scott Dixon sorgten in einem chaotischen Toronto-Rennen für einen Ganassi-Doppelsieg - Will Power von Franchitti umgedreht

(Motorsport-Total.com) - Toronto war in den vergangenen 25 Jahren immer für allerbeste IndyCar-Unterhaltung gut und genau so präsentierte sich der Straßenkurs rund um das Exhibition Center auch 2011. Von Beginn an ging es 85 Runden lang beinhart zur Sache und am Ende hatten die Ganassi-Boys die Nase vorne. Dario Franchitti gewann sein viertes Saisonrennen vor seinem Teamkollegen Scott Dixon und dem besten Andretti-Piloten Ryan Hunter-Reay.

Titel-Bild zur News: Dario Franchitti

Die Top 3 von Toronto: Dario Franchitti vor Scott Dixon und Ryan Hunter-Reay

Doch der Franchitti-Erfolg wird in den kommenden Tagen kontrovers diskutiert werden, denn der Schotte drehte in Runde 57 ausgerechnet seinen großen Titelkonkurrenten Will Power um. Dies warf den Penske-Piloten entscheidend zurück, den Rest erledigte dann Alex Tagliani (Sam Schmidt) mit einem kapitalen Abschuss. In der Konsequenz verlor Power in Toronto als 24. nicht weniger als 35 Meisterschaftspunkte und weist nun einen Rückstand von satten 55 Zählern auf.

Dabei hatte der Australier die Sache von seiner Pole-Position aus zunächst fest im Griff. Die Startnummer 12 konnte Dixon und Franchitti 32 Runden lang kontrollieren, bevor das zehnte von 18 Saisonrennen strategiebedingt komplett kippte. Das Spitzentrio wurde ins enge Mittelfeld zurück geworfen und während das Ganassi-Duo das Kuddelmuddel mit heilen Fahrzeugen überstand, wurde Power zum unschuldigen Opfer.


Fotos: IndyCars in Toronto


Doch der Reihe nach: Wie fast immer in Toronto war vor allem die Haarnadelkurve von Turn 3 der Hauptauslöser des Chaos. Schon in Runde drei krachte es dort zum ersten Mal zwischen Tony Kanaan (KV-Lotus; 26.) und Ryan Briscoe (Penske; 7.). Der Brasilianer ließ die innere Spur offen für den Australier, der ihn trotzdem traf. Das bedeutete das frühe Aus für Kanaan, Briscoe humpelte an die Box.

Franchitti mit richtigem Strategieriecher

Natürlich war Kanaan, der Briscoe bei dessen nächster Durchfahrt sogar den klassischen Vogel zeigte, stocksauer: "Das war total dumm", schimpfte der IndyCar-Routinier. "Ich habe ihm jede Menge Platz gegeben." Eine Situation, die im weiteren Verlauf des Rennens mit jeweils unterschiedlichen Besetzungen noch einige Male fast exakt kopiert werden sollte.

Will Power

Polesetter Will Power hatte in Toronto zu Beginn alles im Griff Zoom

Direkt nach dem Restart verlor KV/Lotus das zweite von drei Autos, als sich Takuma Sato (20.) in der Anfahrt auf - natürlich - Turn 3 völlig verbremste und eine unschuldige Danica Patrick (Andretti; 19.) von der Strecke räumte, die sich mit einem kaputten Reifen an die Box rettete. Patrick verbog sich übrigens später noch so viele Frontflügel, dass sie die letzten Runden mit den roten Exemplaren ihres Teamkollegen Marco Andretti fuhr.

In Runde 15 kam dann die Benzinstrategie ins Spiel, denn nun öffnete das erste Pit-Window von Toronto, was Oriol Servia (Newman/Haas) auf Position fünf liegend sofort nutzte. Wenig später folgten Paul Tracy (Dragon), der zu diesem Zeitpunkt schon zehn Plätze gut gemacht hatte, sowie Helio Castroneves (Penske), Ryan Hunter-Reay (Andretti) und Justin Wilson (Dreyer and Reinbold).

Während Power und Dixon vorne ihre Kreise zogen, hoffte in Runde 27 auch Franchitti nach seinem vorgezogenen Boxenbesuch auf eine Gelbphase, die vier Umläufe später tatsächlich kommen sollte. Wieder war Turn 3 der Auslöser, als sich Tagliani (23.) und Castroneves (17.) in die Haare gerieten. Damit kippte das Klassement natürlich komplett und der neue Führende hieß nun Franchitti vor Servia, Wilson und Hunter-Reay. Power, Dixon, sowie deren unmittelbare Verfolger Mike Conway (Andretti) und Graham Rahal (Ganassi) wurden hingegen aus den Top 10 hinaus katapultiert.

Dramatik in Runde 57

Nach dem Restart in Runde 37 wurde es dann richtig turbulent. Die beiden Lokalmatadoren James Hinchcliffe (Newman/Haas; 14.) und Tracy (16.) beharkten sich im Kampf um Platz sechs, was beide an die Box beförderte. James Jakes (Dale Coyne; 18.) drehte sich, Hunter-Reay holte sich einen leicht defekten Frontflügel und Rahal einen Plattfuß. Letzterer ging sofort zum Tanken und war damit auf jede Menge Gelbphasen angewiesen, sollte seine Spritladung bis zum Ende reichen.

Alex Tagliani

Alex Tagliani in der Streckenbegrenzung: Eine von vielen haarigen Aktionen Zoom

Gelbphase zwei war die logische Folge, deren heimlicher Sieger Dixon hieß, der sich in dem ganzen Kuddelmuddel auf Platz sechs nach vorne gearbeitet hatte. Power war hingegen auf Rang zehn blockiert. Im Gegensatz zu Rahal ging Hunter-Reay erst in Runde 47 an die Box und ließ sich seinen Frontflügel wechseln. Nur einen Umlauf später kam es zur ersten von zwei Massenkarambolagen, als Tracy in Turn 3 den Foyt-Dallara von Vitor Meira anschob. Auch Sebastien Bourdais (Dale Coyne) und Charlie Kimball (Ganassi) wurden behindert.

Damit war in Sachen Sprit das zweite Pit-Window offen, was die Spitze fast komplett an die Box rief. Natürlich mit Ausnahme von Rahal und Hunter-Reay, sowie Ernesto Viso (KV/Lotus), Simona de Silvestro (HVM) und Ana Beatriz (Dreyer and Reinbold). Erst dahinter klassierten sich Franchitti, Wilson, Dixon, Power, Andretti und Servia.

Rahal, Hunter-Reay und Viso hielten die Spitzenpositionen, während sich Wilson und Power am Ganassi-Duo vorbei arbeiten konnten. Dann kam die ominöse Runde 57, die für soviel Gesprächsstoff sorgen wird: Beim Einlenken in Turn 3 öffnete Power eine winzige Lücke, in die Franchitti innen hineinstoßen wollte. Power machte die Türe zu und wurde prompt umgedreht.

Später Massencrash

Damit wurde der Vizechampion ins hintere Mittelfeld zurückgeworfen, wo ihn wenig später Tagliani endgültig aus dem Rennen nahm. Beim folgenden Restart in Runde 60 verabschiedeten sich auch Viso und Wilson nach einem Kontakt in Kurve 3 aus dem Spitzengeschäft, was Franchitti und Dixon hinter Rahal und Hunter-Reay auf die Positionen drei und vier brachte.

Toronto

Toronto bot auch 2011 jede Menge kurzweiliger IndyCar-Unterhaltung Zoom

Zu diesem Zeitpunkt war klar, dass das Benzin der beiden roten Target-Renner bis ins Ziel reichen würde. Hunter-Reay und vor allem Rahal würden jedoch noch einige weitere Runden unter Gelb benötigen, um auf einen Zusatzstopp verzichten zu können. Der Power/Tagliani-Vorfall (Runde 65), sowie eine Kollision zwischen Tagliani und Jakes (72) unterstützten dieses Vorhaben.

Endgültig auf der sicheren Seite waren Rahal und Hunter-Reay dann in Runde 76, als es - dieses Mal gleich in Turn 1 - zur zweiten Massenkarambolage des Toronto-Sonntags kam. Marco Andretti zeigte nach dem Restart ein optimistisches Manöver auf der Innenbahn, das nur durch den Newman/Haas-Dallara von Oriol Servia gebremst werden konnte. Wilson, Conway, Hinchcliffe und Kimball sorgten dann für die Komplettblockade der Bahn.

Ganassi-Duo am Ende ungefährdet

Franchitti hatte sich in der Zwischenzeit an Rahal vorbei in Front geschoben, Dixon hatte Hunter-Reay kassiert. Als Hunter-Reay dann beim allerletzten Restart Rahal (13.) in Runde 80 - natürlich in Kurve drei - umdrehte, war das Toronto-Rennen entschieden. Franchitti fuhr seinen Sieg nach Hause, Dixon folgte ihm auf den Fersen, Hunter-Reay wurde Dritter.

Platz vier ging an Andretti vor den äußerst unauffällig agierenden Meira (5.) und Bourdais (6.), die damit beide ihre besten Saisonplatzierungen holen konnten. Siebter wurde der beste Penske mit Ryan Briscoe - wieder eine schwere Schlappe für das IndyCar-Vorzeigeteam. Simona de Silvestro (HVM) holte sich mit Rang zehn noch eine Top-10-Platzierung.

Toronto war nicht nur der Start in die zweite Saisonhälfte der IndyCars, sondern natürlich auch ein echter Krimi, an dessen Ende der Titelverteidiger die Nase vorne behielt. In zwei Wochen folgt dann die Fortsetzung, wenn das nächste Kanada-Rennen in Edmonton ansteht. Unter dem Strich ist nun klar: Dann liegt der Druck bei Toronto-Pechvogel Will Power...