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  • 13.12.2007 01:16

  • von Pete Fink

Die Geschichte der NASCAR (4)

In Teil vier der NASCAR-Geschichte auf 'Motorsport-Total.com', wird erklärt, wie der Motorenkrieg der Werke beendet wurde, und wie es zum Winston-Cup kam

(Motorsport-Total.com) - Die ersten drei Teile der 'Motorsport-Total.com'-Serie über die Geschichte der NASCAR handelten von den Gründerzeiten, und führten bis zu dem Ausbruch einer heftigen Fehde zwischen den beiden Automobilherstellern Ford und Chrysler in den 1960er Jahren. Der vierte Teil schildert nun, wie dieser Motorenkrieg zu Ende ging, und wie die France-Familie anschließend die Strukturen der modernen NASCAR aufstellen konnte.

Titel-Bild zur News: Buddy Baker Cale Yarbourough Petty Atlanta 75

Buddy Baker (u.), Cale Yarbourough und Richard Petty 1975 in Atlanta

Das allererste Talladega 500 am 14. September 1969 stand von Beginn an unter keinem besonders guten Stern. Bereits im August waren die Ford-Piloten zu einer Stippvisite angereist, und bemängelten den äußerst rauen Asphalt des 2,66 Meilen langen nagelneuen Superspeedways in Alabama. Nach nur fünf schnellen Runden, so lauteten ihre übereinstimmenden Berichte, seien die Reifen fast komplett abgefahren gewesen.#w1#

Verkompliziert wurde die prekäre Lage noch, weil die Piloten fast parallel eine eigene Interessensgemeinschaft, die Professional Drivers Association, PDA, gegründet hatten. Curtis Turner ging sogar soweit, dass er eine eigene Gewerkschaft aus der Taufe heben wollte und wurde von Bill France umgehend und lebenslang gesperrt.

Richard Petty wurde zum Präsidenten der PDA gewählt, denn der "King" war in der Zwischenzeit so populär, dass die Piloten annehmen konnten, dass es sogar Bill France niemals wagen würde, gegen ihn vorzugehen. Sicherheit war eines der Hauptthemen und der brandneue Superspeedway von Talladega stand im Fokus der Fahrerkritik.

Der Daytona holt die Talladega-Pole

Die Dodge-Fraktion hatte in Talladega ihre ganz eigenen Probleme. Den Teambesitzern wurden Kits ausgehändigt, mit denen sie aus einem normalen Dodge Charger einen Charger Daytona machen konnten, doch niemand hatte Erfahrung mit der heiklen Abstimmung des neuen Wing-Cars. Also versuchte Dodge-Chefingenieur Larry Rathgeb Chrysler-Renndirektor Ronnie Householder davon zu überzeugen, den mitgebrachten Prototypen selbst einzusetzen.

Charlie Glotzbach Talladega 1969

Charlie Glotzbach fuhr den Charger Daytona 1969 in Talladega auf Pole Zoom

Dies verstieß natürlich gegen alle Regularien der NASCAR, denn Werke sollten niemals selbst einen Wagen einsetzen, dafür waren die Owner da. Doch Rathgeb fand einen Ausweg aus der Zwickmühle und überredete Chrysler und NASCAR, im freien Training wenigstens ein paar Runden fahren zu dürfen, um das nagelneue Geschoss vernünftig abstimmen zu können.

Statt Buddy Baker wählte Rathgeb Charlie Glotzbach als Piloten aus und instruierte diesen intensiv, höchstens zwei vorsichtige fliegende Runden mit einem maximalen Speed von 185 Meilen pro Stunde zu fahren. Glotzbach lächelte, und antwortete: "Sicher, Larry." Er blieb drei Runden auf der Strecke und knallte gleich im ersten Umlauf einen Schnitt von 199 Meilen in den Asphalt, die Runde darauf wurde mit 199,987 Meilen angegeben. Der ganze Speedway stand Kopf, Householder tobte und Chefingenieur Rathgeb war sprachlos.

Die Performance des Daytona zeigte jedoch Wirkung, denn nun wollte Rathgeb sein Auto auch auf der Pole Position sehen, und holte sich dazu - über Householders Kopf hinweg - grünes Licht direkt aus der Chrysler-Zentrale in Detroit. Erneut war Glotzbach der auserwählte Fahrer, doch der stand eigentlich beim Dodge-Kundenteam von Ray Nichels Engineering unter Vertrag.

"Hey Larry, was glaubst du, was Nichels wohl machen wird", war Glotzbachs Frage an Rathgeb. Die Antwort lautete: "Es ist mir egal, was Nichels macht. Es ist mir auch egal, was Householder sagt. Es ist mir auch egal, wenn ich meinen Job verliere, aber dieses Auto muss auf der Pole Position stehen." Nach einer Runde von 199,466 Meilen erwies sich dieser Wunsch als ein Kinderspiel für das Dodge-Geschoss aus Detroit.

Fahrerstreik und ein mutiger Rookie

Doch Bill France machte Rathgebs Plänen einen saftigen Strich durch die Rechnung. Nach einigen erfolglosen Meetings mit der Fahrervereinigung schallte es am Nachmittag aus dem Lautsprechersystem: "All diejenigen, die die Absicht haben, am Rennen nicht teilzunehmen, müssen sofort den Boxenbereich verlassen, damit diejenigen, die fahren wollen, an ihren Autos arbeiten können."

Richard Petty 1969 Ford Torino

1969 war das einzige Jahr, in dem Richard Petty einen Ford Torino fuhr Zoom

Der erste Truck, der den Rennplatz verließ, war der Nummer-43-Truck von Richard Petty. Ihm folgten 30 weitere Piloten, unter ihnen auch Charlie Glotzbach und Buddy Baker. Übrig blieben auf der Dodge-Daytona-Seite Bobby Isaac und der junge Richard Brickhouse, der als Rookie gerade versuchte, sich in der Grand-National-Szene zu etablieren. Der Rest des Feldes bestand aus unabhängigen Teams.

Rathgeb war am Boden zerstört, denn Konkurrenz gab es nun keine mehr, und damit auch keinen Ruhm. Isaac war zu diesem Zeitpunkt immerhin amtierender Vizemeister hinter David Pearson, doch sein Daytona bekam technische Probleme. Somit oblag es dem 29-jährigen Brickhouse in seinem erst 26. Grand-National-Rennen das Daytona-Monster in die Victory Lane zu befördern.

Brickhouse verhielt sich klug und abwartend, und schwamm bis kurz vor Rennende im Verkehr mit, als er plötzlich auf der Anzeigetafel lesen musste, dass er eine Runde Rückstand habe. Damals gab es noch keinen Funk und Boxentafeln wurden nur bei einem Stopp herausgehalten. Brickhouse hatte also keine Chance zu erfahren, dass es sich bei dieser Anzeige um einen Fehler der Rennleitung gehandelt hatte.

Und Brickhouse begann den Daytona zu prügeln. Er hatte herausgefunden, dass die Reifen weniger verschleißen würden, wenn er den Charger ganz oben an den 33 Grad steilen Kurven bewegte, und so jagte der unerfahrene Rookie den nagelneuen Daytona rundenlang mit Vollgas dicht an der Mauer entlang über die Strecke.

Seine Dodge-Crew war derweil in hellster Aufregung, denn sie wussten natürlich nicht, warum Brickhouse eine Runde nach der anderen mit einem Schnitt von 197 Meilen in den rauen Talladega-Asphalt brannte. Brickhouse erinnerte sich später, dass er - selbst vom oberen Rand der Strecke aus - ein Crewmitglied sah, das ihm ein großes, handgemaltes Schild entgegenhielt, worauf zu lesen stand: "Mach langsamer!" - Brickhouse gewann sein einziges Grand-National-Rennen mit großem Vorsprung.

Petty mit schwerem Unfall im "Superbird"

Richard Petty kehrte nach seinem Jahr bei Ford wieder ins Chrysler-Lager zurück, denn man hatte ihm versprochen, für 1970 einen Plymouth Road Runner zur Verfügung zu stellen, der nach dem Vorbild des Daytona Chargers mit tiefer Nase und einem riesigen Heckflügel versehen war. Dieses Auto ging in die NASCAR-Geschichte als der "Superbird" ein.

Richard Petty 1970 Plymouth Superbird

Richard Petty 1970 in Riverside im legendären Plymouth Superbird Zoom

Petty jedoch hatte noch eine weitere Forderung, denn er wollte, dass in Zukunft das gesamte Chrysler-NASCAR-Programm über Petty Enterprises in Level Cross zu laufen hatte. Mit anderen Worten: Er wollte, dass Renndirektor Householder überflüssig werden würde und nach einigen internen Diskussionen zog Chrysler-Chef Lynn Townsend einen Schlussstrich: "Macht es", lautete seine simple Anweisung. Petty hatte seine Revanche, er hatte gewonnen, er hatte einen ganzen Konzern in die Knie gezwungen.

Doch im Superbird sollte Petty den Titel 1970 nicht holen können, denn der schwerste Unfall seiner gesamten Karriere sollte ihn für sechs Rennen außer Gefecht setzen. Beim Rebel 400 in Darlington verlor der "King" ausgangs Turn 4 die Kontrolle über seinen Superbird, krachte in die Mauer und überschlug sich mehrfach.

Sein Plymouth kam auf dem Dach liegend zum Stillstand und Pettys linker Arm hing aus dem Fenster. Zeitzeugen beschrieben den Zustand des Armes als "rohes Hackfleisch" und um Unfälle solcher Art in Zukunft zu vermeiden, führte NASCAR die bis heute gültigen Sicherheitsnetze ein, die innen an der nicht vorhandenen Fahrertüre angebracht werden. Petty reichten 18 Saisonsiege nicht zum Titel, den sicherte sich Bobby Isaac im Dodge Charger Daytona.

Ford spart, Chrysler geht, France gewinnt

Im November 1970 war der gesamte Spuk dann ganz urplötzlich vorbei. Lee Iacocca wurde zum Ford-Präsidenten berufen und beschloss als Erstes eine Kürzung des Rennbudgets um mindestens 75 Prozent. Chrysler genoss noch die Titelfeierlichkeiten, bevor man verkündete, dass man in der kommenden Saison nur noch einen Dodge mit Buddy Baker und Pettys Plymouth Road Runner unterstützen würde.

Dodge Daytona Charger Plymouth Superbird 1970

Daytona 1970: Ein Dodge Daytona Charger und zwei Plymouth Superbirds Zoom

Bill France nutzte die Situation, denn nach dem Quasi-Abschied der beiden großen Werke wollte er wieder die alleinige und von niemandem bestrittene Kontrolle über die NASCAR, und verabschiedete umfangreiche Modifikationen am Regelwerk, die größtenteils heute noch Gültigkeit haben. Als Erstes stutzte er das Motorenreglement: Alle Wing-Cars sollten in der Saison 1971 nur noch mit Motoren ausrücken, die nicht mehr als 305 cubic inches aufwiesen und, oh Wunder - es war niemand mehr da, der Kritik üben konnte.

Zudem etablierte er ein neues Punktesystem, das in groben Zügen heute noch Gültigkeit hat, und auf der Suche nach der notwendigen Unterstützung, die durch den Abschied der Werke notwendig wurde, wurde er ebenfalls fündig. Der Tabakkonzern R.J. Reynolds wurde zum Titelsponsor, der Winston-Cup, eine Zigaretten-Marke aus dem Reynoldskonzern, wurde Realität und sollte es bis zum Jahr 2003 auch bleiben.

Das nationale Fernsehen hatte die Zigarettenwerbung verbannt und die Konzerne benötigten dringend eine andere Form des Marketings. Viele NASCAR-Beobachter aus dieser Zeit sind übrigens der festen Meinung, dass es Junior Johnson - mittlerweile Teambesitzer - war, der die Verbindung zwischen der NASCAR und dem Reynoldskonzern herstellte.

Die Sponsoren halten Einzug

Die Folgen aus diesem massiven Umbruch in der NASCAR-Struktur waren durchaus angenehm für Fahrer und Piloten: Die Preisgelder stiegen erheblich, man begann mit Einladungs- und Bonusrennen. Zudem brach die Zeit an, in der sich die Teams selbst Firmen als Sponsoren suchten. Richard Petty etwa, der die beiden Titel 1971 und 1972 gewann, fand Unterstützung beim Mineralölkonzern STP und fuhr nun viele Jahre einen blau-rot lackierten STP-Petty mit der Startnummer 43.

David Pearson Mercury 1973 Riverside

David Pearson musste die Ford-Fahne hochhalten - hier 1973 in einem Mercury Zoom

Purolator und deren Ölfilter prangten auf den Fords der Wood Brothers, auch Junior Johnsons Chevrolet Monte Carlos fanden Unterstützung von Holly Farms und Coca-Cola. Doch eines hatten alle gemeinsam: Die Autos sahen nun wieder aus, wie echte StockCars - keine Spoiler, keine tiefen Nasen, keine Flügel oder sonstigen Hilfsmittel mehr.

Am 11. Januar 1972 verkündete Bill France schließlich seinen NASCAR-Rücktritt und übergab die Geschäfte an seinen Sohn Bill France Jr. 24 Jahre lang war "Big Bill" der Chef der NASCAR gewesen, und sein Sohn sollte es auf eine Regierungsperiode von stattlichen 31 Jahren bringen. Unter seiner Führung sollte sich NASCAR von einem eher regionalen Sport der Südstaaten zur Sportart Nummer Zwei in den USA mausern.

Doch zunächst waren Bill France Jrs. Fähigkeiten in punkto Krisenmanagement gefragt, denn die Ölkrise von 1973 schlug auch bei der NASCAR gnadenlos zu. Der neue NASCAR-Chef reagierte, er rationierte die Benzinmengen pro Team und pro Trainingstag, und verkürzte die Länge der Rennen um zehn Prozent.

Das Ende der Big-Blocks

Darüber hinaus bedeutete die Benzinkrise natürlich das Ende der spritfressenden Sieben-Liter-Hubraum-Monster, und es sollte in der Folge die Stunde eines der erfolgreichsten Rennmotoren der Motorsportgeschichte schlagen - dem SB01-Triebwerk von Chevrolet, das in nur wenig veränderter Form auch noch zu Saisonbeginn 2007 gefahren wurde.

Richard Petty 1978 Riverside Dodge

"King" Richard Petty fährt 1978 in Riverside einen Dodge Zoom

Dabei wurde der SB01 bereits im Jahr 1955 entwickelt. General Motors ließ damals einen Small-Block-Motor mit einem Hubraum von 355 cubic inch, oder 5,8 Litern bauen, der jetzt ideal für die als Folge der Energiekrise eingeführte Hubraumbeschränkung von 358 cubic inch passte. NASCAR erlaubte auch den Teams von Buick, Oldsmobile und Pontiac dieses Triebwerk zu verwenden.

In den Jahren 1974 bis 1979 gab es zwar sechs Meisterschaften, aber nur zwei Champions, denn Richard Petty gewann seine Titel Nummer fünf, sechs und sieben, während Cale Yarborough zwischen 1976 und 1978 dreimal in Folge die Oberhand behielt. Dieses Kunststück konnte bis zum heutigen Tag kein anderer NASCAR-Pilot wiederholen.

Yarborough hält noch einen anderen Rekord, denn 1973 in Bristol startete er von der Pole Position und blieb alle 500 Runden in Führung - ebenfalls ein bislang einmaliger NASCAR-Rekord. Yarborough stammt übrigens aus South Carolina und war als Zehnjähriger ein illegaler Zaungast bei ersten Asphaltrennen der NASCAR, den Southern 500 auf dem Darlington Speedway.

Yarborough sorgt für Schlagzeilen

Seine drei Titel fuhr er allesamt in einem von Junior Johnsons Team vorbereiteten Auto ein, zweimal mit dem Chevrolet-Logo und einmal in einem Oldsmobile. Und Yarborough war auch einer der Hauptakteure bei einem weiteren Meilenstein der NASCAR-Geschichte, der sich am 18. Februar 1979 ereignete.

Cale Yarborough 1967

Cale Yarborough gewann zwischen 1976 und 1978 drei Titel in Folge Zoom

Es war der Tag des Daytona 500 und das Rennen wurde von Richard Petty in einem Oldsmobile mit einer Wagenlänge Vorsprung vor Darrell Waltrip und A.J. Foyt gewonnen. Doch quasi niemand sah Sieger Petty die Ziellinie überqueren, denn alle Augen waren auf eine handfeste Keilerei im Infield gerichtet, in die neben Yarborough auch die beiden Allison-Brüder Donnie und Bobby verwickelt waren.

Yarborough und Donnie Allison gingen in Führung liegend side-by-side in die letzte Runde, als das Unvermeidliche geschah: Beide Autos kollidierten und drehten sich von der Strecke. Bobby Allison fuhr weiter hinten im Feld und stoppte, weil er sich vom Wohlbefinden seines Bruders überzeugen wollte. Offensichtlich wollte er auch Yarborough befragen, doch jener hatte zu diesem Zeitpunkt eine ganz kurze Sicherung am brennen.

Yarborough - in seiner Jugend ein recht stämmiger und erfolgreicher American Footballspieler - war schwer angesäuert, hob die Fäuste und nahm es mit beiden Allison-Brüdern gleichzeitig auf. Das Problem an der Sache: Dieses Daytona 500 war das erste NASCAR-Rennen, welches vom Fernsehsender CBS landesweit in den USA live übertragen wurde. NASCAR war in ganz USA angekommen, und die Serie präsentierte sich gleich zum Auftakt von ihrer besten Seite.

Ein gewisser Dale Earnhardt beendete dieses Rennen übrigens auf Rang acht - er wird im fünften Teil der NASCAR-Geschichte auf 'Motorsport-Total.com' eine wesentliche Rolle spielen, in dem auch beschrieben wird, wie Bill France Jr. aus der NASCAR ein milliardenschweres Business machen konnte.