Mechaniker: Knochenjob oder Traumberuf?

Ohne Verschnaufpause erledigen die Mechaniker an Rennwochenenden die anfallenden Aufgaben und erhalten dafür nur selten ausreichend Beachtung

(Motorsport-Total.com) - Ein fester Job bei einem Rennteam hört sich für viele Motorrad-Fans nach einer Traumvorstellung an. Doch hinter den Kulissen des Motorrad-Sports sieht die Welt meist anders aus. Um erfolgreich zu sein, muss jedes Teammitglied an seine Belastungsgrenze gehen. Was sich wie eine potenzielle PR-Formulierung anhört, trifft in der Praxis meist zu. Ten-Kate-Mechaniker Wilko Kleine gibt einen Einblick.

Titel-Bild zur News: Michel Fabrizio

An den Rennwochenenden geht es in und vor der Box meist ziemlich heiß her Zoom

Kleine arbeitete in der abgelaufenen Saison für Jonathan Rea. Als dieser verletzungsbedingt aussetzen musste, schraubte Kleine an der CBR1000RR von Michel Fabrizio. Die Fireblade kennt er bestens. Alles, was an einem Rennwochenende erledigt werden muss, macht Kleine selbst. "Wir sind nicht besonders spezialisiert. Für jedes Motorrad gibt es während einer Saison zwei Mechaniker. Ich kümmere mich um den Treibstoff, der andere Mechaniker um die Kette - es sind kleine Dinge. Wenn es eine größere Aufgabe gibt, dann teilen wir uns rein. Ich kann alles am Motorrad machen", schildert er im Gespräch mit 'Crash.net'.

Erhalten die Mechaniker in der Superbike-WM genug Beachtung? "Unsere Arbeitstage sind lang. Vermutlich erhalten wir nicht die Beachtung, die uns zusteht. Wir hätten aber auch gar keine Zeit, um Interviews zu geben. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Leute unsere Geschichten hören wollen. Es sind doch hauptsächlich die Fahrer, die bei den Leuten Interesse wecken", ist sich der Ten-Kate-Mitarbeiter bewusst.

Bekommt man als Mechaniker überhaupt etwas vom Rennen mit oder hat man immer etwas zu tun? "Ich habe bei den Rennen so viel zu tun, zum Beispiel das Zeigen der Boxentafel, dass ich keine Zeit habe, das Geschehen zu genießen. Die Rennen nehme ich normalerweise auf und sehe sie mir Zuhause an, wenn es ein spannendes Rennen war", bemerkt Kleine und fügt hinzu: "Wenn wir ausfallen, schaue ich mir die Rennen nicht noch einmal an."


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Im Vergleich zu einem normalen Job sind die Arbeitszeiten an den Rennwochenenden extrem lang. Teilweise kommen die Mechaniker auf 18-Stunden-Schichten. "Unser Tag beginnt normalerweise 8:30 oder 9:00 Uhr morgens. Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, sind wir 19 Uhr fertig. Wenn noch etwas erledigt werden muss, kann es auch länger gehen: 22, 23, 24 Uhr - solange wie es dauert", berichtet Kleine. "Zum Glück kommen Nachtschichten nicht so häufig vor. Doch manchmal muss man da durch. Das Motorrad muss für den kommenden Tag fertig sein. Es gibt keine Ausreden. Bis 22 Uhr zu arbeiten, ist ziemlich normal."

"Mein längster Tag ging bis drei Uhr morgens, als wir das Motorrad für Aoyama im Vorjahr neu aufbauen mussten. Es war ein Test in Assen und 18 Uhr stürzte er und zerstörte das Motorrad komplett", erinnert sich der Mechaniker. "Am Sonntag ist es zwischen den Rennen ziemlich stressig. Nach dem Warmup überprüfen wir nach den vielen Startversuchen im Training die Kupplung. Die Kupplung ist eine wichtige Komponente, die wir ziemlich oft überprüfen. Sie ist entscheidend beim Start, wird während dem Rennen aber nicht so oft verwendet."

Geschlafen wir nicht in einem luxuriösen Hotel. Die Mechaniker müssen mit den Betten im Team-Anhänger zurechtkommen. "Wenn man in einem Hotel schläft, kann man die Tür schließen und hat seine Ruhe. Doch normalerweise schlafen wir im Anhänger. Das ist geselliger. Am Abend können wir uns unterhalten und eine gute Atmosphäre genießen", erklärt er. "An langen Tagen sehe ich meine Kollegen länger als meine Freundin oder meine Tochter. Man muss also ein gutes Verhältnis zu den Kollegen haben."