Durchwachsene WSBK-Vorsaisontests: Neue BMW M1000RR kein Fortschritt?
Die vier BMW-Piloten in der Superbike-WM blicken auf einen enttäuschenden Testwinter zurück: Wo steht BMW vor dem Auftakt der WSBK-Saison 2023?
(Motorsport-Total.com) - Die neue BMW M1000RR ist optisch die wohl auffälligste Neuerung im Feld der Superbike-WM. Im direkten Vergleich zur 2021und 2022 verwendeten Maschine sticht die 2023er-Version mit einer deutlich aggressiver gezeichneten Verkleidung hervor. Mit dem Modellupgrade möchte BMW endlich den Anschluss an die Spitze schaffen.
© WorldSBK.com
Haben die BMW-Piloten bei den Tests tiefgestapelt? Zoom
Doch bei den Wintertests hatten die Münchner Probleme, die Rundenzeiten von Ducati, Yamaha und Kawasaki zu erreichen. Und auch Honda wirkt vor dem Saisonstart etwas besser aufgestellt. Beim finalen Test auf Phillip Island schaffte es keiner der vier BMW-Piloten in die Top 10.
Besonders ernüchternd waren die Ergebnisse von Scott Redding, der BMW im Vorjahr immerhin einige Podestplätze bescherte. Beim finalen Test lag der Brite 1,2 Sekunden zurück und fand sich nur auf der 14. Position wieder.
"Die ersten Tests waren schwierig", gesteht Redding mit Blick auf die Tests in Jerez und Portimao. "Und auch hier in Phillip Island war es schwierig, wieder ein Gefühl aufzubauen. Mit dem neuen Motorrad war das wirklich schwierig."
Verliert Scott Redding bei ausbleibenden Erfolgen die Motivation?
Redding versucht, die schwachen Rundenzeiten bei den Tests nicht zu sehr an sich ranzulassen: "Ich gehe es ruhig an, denn es waren nur Tests. Die Rennen werden eine andere Geschichte sein. Wir haben intensiv am Motorrad gearbeitet, an der Elektronik und an der Abstimmung. Doch wir kehrten zu der Basis zurück, mit der wir Ende 2022 fuhren."
© Gold and Goose
Scott Redding lag beim Test über 1,2 Sekunden zurück Zoom
"Die Änderungen, vor allem die neue Verkleidung, werden uns helfen", ist Redding überzeugt und begründet: "Das neue Aeropaket wird uns vor allem bei der Motor-Temperatur helfen. Im vergangenen Jahr hatte ich bei den heißen Rennen stark mit dem Überhitzen des Motors zu kämpfen. Doch wir konnten nicht viel machen. Mir war klar, dass ich bei Hitzerennen einen Nachteil habe, weil wir dann weniger Leistung hatten."
Die neue Verkleidung ist laut Redding die einzige spürbare Performance-Verbesserung. Durch den Wechsel von Nissin zu Brembo verspricht sich der Brite zudem mehr Bremskonstanz. Doch für schlagartig bessere Rundenzeiten müssen neue Lösungen gefunden werden.
"Wir haben die gleichen Probleme wie im Vorjahr. Es fehlt überall ein bisschen", erkennt Redding, der vor allem Probleme in Kurven hat, in denen lange Zeit in maximaler Schräglage gefahren wird. Und diese Art von Kurven gibt es besonders auf Phillip Island.
Entsprechend niedrig sind die Erwartungen im Lager von BMW. "Ich wäre zufrieden, wenn ich in den ersten Rennen ein paar Top-6-Resultate einfahren könnte", bemerkt Redding, der weit von dem entfernt ist, was er sich vor dem Wechsel von Ducati zu BMW vorgenommen hatte.
Kann Eugene Laverty eine neue Herangehensweise etablieren?
Eugene Laverty fuhr beim Saisonfinale 2022 sein finales Rennen für BMW und verabschiedete sich mit einem Horrorsturz. Mittlerweile ist der Brite wieder fit und versucht, BMW strategisch zu helfen. Beim Test ließ Laverty gegenüber 'GPOne' durchblicken, dass es aktuell viele offene Baustellen gibt.
"Im Moment wissen die Ingenieure nicht, welches Problem behoben werden soll, weil jeden Tag ein neues entsteht", wird Laverty zitiert. "Bei BMW gibt es im Moment keine Prioritätenliste, mit der die größten Probleme direkt angegangen werden. Wir müssen unsere Herangehensweise ändern und ich will ihnen helfen, dabei einen neuen Weg einzuschlagen."
© BMW Motorrad
Eugene Laverty übernimmt bei BMW administrative Aufgaben und hilft als Riding-Coach Zoom
Verwirrt ist Laverty, was die unterschiedlichen Linien der WSBK-Piloten angeht. "Wir machen zu viele Meter, sowohl in die Kurve hinein als auch am Ausgang. Wir verstehen nicht, warum das so ist. Es sieht so aus, als ob unser Motorrad keinen Schlupf hat und sich unsere Linien deshalb unterscheiden", grübelt der Ex-Racer.
Vor allem um Redding macht sich Laverty einige Sorgen: "Scott weiß, wie man das Motorrad fahren muss. Im vergangenen Jahr demonstrierte er das, als er auf das Podium fuhr. Es ist nicht einfach für ihn. Beim neuen Motorrad haben wir keine Fortschritte im Vergleich zum alten erzielt."
Viele offene Fragen bei der neuen M1000RR: BMW braucht mehr Zeit
Neben BMW bringt auch Ducati in diesem Jahr ein neues Superbike an den Start. Die Italiener blicken auf eine sehr erfolgreiche Vorsaison zurück und waren auf allen drei Strecken schnell. Bei BMW sieht die Situation nicht ganz so positiv aus.
"Mit einem neuen Motorrad an den Start zu gehen, ist immer eine Herausforderung. Zumal die Superbike-WM in diesem Jahr extrem stark besetzt und sehr kompetitiv ist", kommentiert BMW-Motorradsport-Direktor Marc Bongers.
© BMW Motorrad
BMW M1000RR: Für den Feinschliff wird mehr Zeit benötigt Zoom
"Doch wir sind zuversichtlich: Wir haben unser Bike weiter optimiert, unsere Teams leisten hervorragende Arbeit und unser Fahrerquartett gehört zum stärksten im gesamten Feld. Für uns, die beiden Teams und die vier Fahrer ist es nun wichtig, in Australien und Indonesien eine gute Basis zu finden, auf der wir dann im weiteren Saisonverlauf aufbauen können", so Marc Bongers.
Australien und Indonesien für Bonovo-BMW mehr Tests als Rennevents
Bonovo-Teambesitzer Jürgen Röder erwartet, dass seine beiden Fahrer bei den beiden Übersee-Events zu Saisonbeginn noch Testarbeit nachholen müssen. "Ich persönlich zähle die erste Runde in Australien und vielleicht auch Indonesien noch zu den Tests, da wir momentan noch am Probieren sind", so Röder.
© Gold and Goose
Loris Baz startet auch 2023 für Bonovo-BMW Zoom
"Ich hoffe, dass ich das in Richtung Rennwochenende alles noch etwas mehr einspielt. Würden wir mit beiden Fahrern unter die Top 10 fahren, dann wäre das ein absoluter Schritt nach vorne", erklärt der Bonovo-Teambesitzer, der von der neuen BMW M1000RR überzeugt ist.
"Ich denke, das Motorrad hat sich verbessert, alle vier BMW-Fahrer sind über jeden Zweifel erhaben", so Röder. "Jetzt müssen wir eben nur noch schauen, dass Fahrer und Motorrad zusammen 'funktionieren'. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg, aber natürlich hatten wir etwas zu wenig Vorbereitungszeit."
Garrett Gerloff sorgt bei BMW für frischen Wind
Gespannt sein darf man auf BMW-Neuzugang Garrett Gerloff, der bei den Tests einige Male schnellster BMW-Pilot war. "Das Motorrad fühlt sich gut an und ich weiß, dass wir noch weitere Fortschritte erzielen können", erklärt der US-Amerikaner.
© Gold and Goose
Garrett Gerloff meisterte die Umstellung von der Yamaha zur BMW gut Zoom
"Es gab mehr Positives als Negatives. Und das ist alles, was zählt. Für die ersten beiden Events wünsche ich mir einfach, dass alles gut funktioniert. Ich denke, zu diesem Zeitpunkt wären die Top 10 ein wirklich gutes Ergebnis", bemerkt Gerloff.
"Ich möchte entweder nah an der besten BMW dran oder die beste BMW sein. Ich denke, das ist das Hauptziel. Insgesamt möchte ich natürlich in die Top 10", nennt Gerloff seine Zielsetzung für die Saison 2023.
Michael van der Mark wieder bei vollen Kräften
Werkspilot Michael van der Mark erlebte 2022 seine bisher schwierigste Saison in der Superbike-WM. Durch verschiedene Verletzungen fiel der Niederländer lange Zeit aus und kämpfte danach mit den Folgen. Doch für 2023 ist Van der Mark wieder fit.
Beim finalen Test war Van der Mark als Elfter bester BMW-Pilot. "Es war schön, zwei weitere Testtage zu haben. Wir hatten einen soliden Plan und haben eine Menge Dinge ausprobiert. Vor allem in Sachen Elektronik, aber auch an der Aufhängung", berichtet der Niederländer.
© BMW Motorrad
Michael van der Mark war beim finalen Test bester BMW-Pilot Zoom
"Wir haben das Bike nicht komplett umgebaut, sondern wollten einfach kleine Dinge testen und bestätigen. Es waren zwei gute Testtage, aber natürlich möchte man immer mehr Zeit haben. Doch wir können recht zufrieden sein. Wir hatten keinerlei Probleme, und von daher gehe ich zuversichtlich in das Wochenende", so Van der Mark.
"Bei den ersten beiden Events muss unser Ziel sein, in die Top 10 zu fahren", schaut der BMW-Werkspilot auf die Wochenenden in Australien und Indonesien. "Es scheint, dass das Mittelfeld in der Superbike-WM jetzt wirklich eng zusammenliegt. Wir können sicher mit einigen tollen Kämpfen rechnen."
"Aber wir haben das Bike über den Winter sehr verbessert, Schritt für Schritt. Vielleicht nicht, was die Pace auf eine einzelne schnelle Runde angeht, aber über die Renndistanz und in Bezug auf unser Gefühl. Deshalb freue ich mich auf den Saisonstart", erklärt Van der Mark. "In Phillip Island und Indonesien zu fahren, ist fantastisch. Zwei tolle, aber vollkommen unterschiedliche Rennstrecken", so der BMW-Werkspilot.
Neueste Kommentare