• 06.03.2007 10:41

Röhrl: "Bei mir läuft immer die Uhr mit"

Am 7. März feiert Walter Röhrl seinen 60. Geburtstag, der beste Rallye-Fahrer aller Zeiten im Interview über seinen Sport, Michael Schumacher und die Zeit

(Motorsport-Total.com/sid) - Wäre Michael Schumacher nicht gekommen, Walter Röhrl stünde noch immer als erfolgreichster deutscher Motorsportler in den Geschichtsbüchern. Niki Lauda nannte ihn einst ein Genie auf Rädern, er wurde zum Rallye-Fahrer des Millenniums und zum besten Rallye-Fahrer aller Zeiten gewählt. Über die Unterschiede von heute zu damals in seiner Sportart sagt der einstige Sekretär und Dienstfahrer im Bischöflichen Ordinariat Regensburg, er sei Gott sei Dank zur richtigen Zeit dabei gewesen.

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Selbst mit 60 Jahren ist Rallye-Legende Walter Röhrl immer noch voller Ehrgeiz

Am 7. März feiert der zweimalige Rallye-Weltmeister seinen 60.Geburtstag, nicht in seinem Wohnort St. Englmar im Bayerischen Wald, sondern auf seiner Hütte in Saalbach/Hinterglemm. Röhrl sprach über besonders heikle Momente in seiner Karriere, Michael Schumachers Rücktritt und den Grund, warum er sich noch immer getrieben fühlt.#w1#

Frage: "Herr Röhrl, sie sind seit rund 40 Jahren mit dem Motorsport verbunden. Wie hat sich der Motorsport in dieser Zeit verändert?"
Walter Röhrl: "Heute ist der Motorsport viel professioneller, aber nur interessant, wenn er in den Medien präsentiert werden kann. Sport muss sich den Medien anpassen. Beim Rallyefahren, da sagen die Medien: 'In der Nacht fahren, was soll das? Da können wir nicht filmen, also fahrt nur noch am Tag.' Aber okay. Die Zeit geht weiter, da musst du mitmachen oder sagen, wie in meinem Fall: 'Gott sei Dank war ich zur richtigen Zeit dabei.'"

Frage: "Ein wesentlicher Unterschied zu Ihrer Zeit ist der praktisch nicht mehr vorhandene Kontakt zwischen Fans und Fahrern."
Röhrl: "Das war früher ein Hauptpunkt des Rallyefahrens: Dass der Fan dich berühren und mit dir reden konnte. Das Entscheidende bleibt doch, dass man nah am Volk ist, sonst wird das irgendwann zum Zirkus."

Falsche Entwicklungen im Rallyesport

Frage: "Sie haben in der Vergangenheit die Entwicklung des Rallyesports scharf kritisiert. Was ist falsch gelaufen?"
Röhrl: "Es hat sich immer mehr in Richtung Rundstrecke entwickelt, weil die Prüfungen mehrmals gefahren werden. Das macht es leichter. Gut ist aber, dass sich mit den Autos nicht die Streckenverhältnisse ändern, im Gegensatz zum Rennsport. Dort müssen die Autos immer schneller werden, also braucht man immer mehr Auslaufzonen. Das ist noch das Gute am Rallyesport: Wenn einer glaubt, er ist der große Held, fällt er 400 Meter tief."

"Ich mag dieses Formel-1-Rennen fahren nicht." Walter Röhrl

Frage: "Das klingt, als könnten sie sich für Rundstrecken, wie bei der Formel 1, nicht begeistern?"
Röhrl: "Ich mag dieses Rennen fahren nicht. Das sind Menschen, die mit Ellenbogen durchs Leben gehen. Das hasse ich. Selbstbeherrschung, Disziplin - das ist das Tolle am Rallyesport."

Wenn das Herz in die Hose rutscht

Frage: "Gab es in Ihrer Karriere dennoch eine Situation, in der Ihnen das Herz in die Hose gerutscht ist?"
Röhrl: "Bei meiner ersten Testfahrt mit Mercedes im Dezember 1980 in Österreich. Da hatten wir für Reifentests eine Straße gesperrt. In der Früh um 7.00 Uhr beim letzten Reifen, auf einer Schneestraße, rechts und links Schneemauern, komme ich im Drift mit 180 Stundenkilometern um eine lange Rechtskurve. Vor mir ein Holz-Laster, keine Chance, da raus zu kommen. Da läuft dein Leben vor dir ab. Ich habe ganz langsam an die Schneemauer rangelenkt, damit sich das Auto ein bisschen hineinfräst ohne abzuprallen. Am Ende hatte ich es zumindest geschafft, dass erst ab der B-Säule alles abgerissen war. Das war haarscharf."

"Ich habe es geschafft, dass erst ab der B-Säule alles abgerissen war." Walter Röhrl

Frage: "Sie sind eher zufällig zum Motorsport gekommen. Was muss man heute mitbringen, um den Einstieg zu schaffen?"
Röhrl: "Man muss Geld haben, viel früher anfangen und fernsehtauglich sein. Da hätte es den Röhrl nie gegeben, wenn es danach gegangen wäre. Bei mir war Talent der einzige Maßstab."

Breitere Streuung durch Schumacher Rücktritt

Frage: "Was bedeutet der Rücktritt von Michael Schumacher für den Motorsport in Deutschland?"
Röhrl: "Wenn es aus deutscher Sicht nicht positiv weitergeht, könnte es sein, dass das Interesse sinkt. Für die gesamte Motorsportszene ist sein Rücktritt aber nicht schlecht, denn es war alles auf ihn konzentriert. Vielleicht wird das jetzt breiter gestreut."

Frage: "Halten Sie ein Comeback von Schumacher für denkbar?"
Röhrl: "Das wäre das Dümmste, was er machen könnte. Die Versuchung ist sehr groß, denn dir fehlt was. Und er ist ein Besessener. Ich glaube aber, dass er vernünftig genug ist."

"Alonso ist nach wie vor der Maßstab." Walter Röhrl

Frage: "Welcher deutsche Fahrer hat in dieser Saison die besten Aussichten?"
Röhrl: "Nick Heidfeld ist sicher der Erfahrenste. Die Frage ist nur, ob er noch den Biss hat. Ralf Schumacher ist nicht vergleichbar mit seinem Bruder, das ist eine andere Kategorie. Im gesamten Feld ist Alonso nach wie vor der Maßstab."

Frage: "Sie selbst hätten ja auch Formel 1 fahren können. Warum ist das für Sie nicht in Frage gekommen?"
Röhrl: "Von Anfang an war ich gegen den Rennsport. Außerdem sind da so viele Leute und die Autos wichtiger als das fahrerische Können. Das will ich nicht. Ich will ja nur für mich wissen, ob ich der Beste bin. In der Nacht im Wald, wo niemand ist. Das ist genau das Richtige für mich."

Zeit der einzige Maßstab

Frage: "Und beim Rallyefahren zählt der Kampf gegen die Uhr. Warum spielt die Zeit eine so wichtige Rolle für Sie?"
Röhrl: "Das ist der einzige Maßstab, die Leistung objektiv zu beurteilen. Ich habe festgestellt, dass ich bei allem, was ich tue, auf die Uhr schaue. Auch im Alltag.?"

"Immer läuft die Uhr mit, ich bin einfach ein Wettkampftyp." Walter Röhrl

Frage: "Ein Beispiel?"
Röhrl: "Ich war mit meiner Frau Skifahren. Und als wir um halb drei nach Hause gekommen sind, habe ich gesagt: 'Ich muss da jetzt noch mal den Berg hoch und schauen, ob da auf der Nordseite nicht guter Schnee ist.' Auf diesen Berg gehe ich seit 20 Jahren. Als ich losgegangen bin, habe ich natürlich auf die Uhr geschaut, aber mir vorgenommen: Du gehst langsam. 17 Minuten war die beste Zeit für die 300 Höhenmeter. Und es waren wieder 17 Minuten. Es ist komisch: Immer läuft bei mir die Uhr mit. Ich bin einfach ein Wettkampftyp."

Rote Haare bringen Ehrgeiz

Frage: "Haben Sie eine Erklärung, woher dieser große Ehrgeiz kommt?"
Röhrl: "Als Kind habe ich ziemlich unter meinen roten Haaren gelitten. Es hat mich unheimlich geärgert, wenn mich alle gehänselt haben. Und denen habe ich allen Vergeltung geschworen. Vielleicht hat sich aus diesem Druck, es den anderen zeigen zu wollen, meine Persönlichkeit so entwickelt."

"Autofahren ist für mich mittlerweile eine unheimliche Belastung." Walter Röhrl

Frage: "Zum Geburtstag nehmen Sie sich dann aber schon Zeit, oder?"
Röhrl: "Naja, ich habe mir eine gemütliche Skitour vorgenommen. Nur wenn ich auf den Berg gehe, wird sicherlich auch wieder die Uhr mitlaufen, um zu sehen, ob ich jetzt langsamer werde, weil ich 60 bin."

Frage: "Wenn Zeit eine so wichtige Rolle für Sie spielt, wie halten Sie es eigentlich mit dem Straßenverkehr?"
Röhrl: "Autofahren ist für mich mittlerweile eine unheimliche Belastung. Auf jeder Fahrt habe ich Verfolgungswahn. Ich sehe ja ein, dass es diese Gesetze geben muss. Aber ich sehe nicht ein, dass es für mich das Richtige ist."