• 08.11.2010 01:07

  • von Pete Fink

Texas-Wahnsinn: Stinkefinger, Prügel - und die Wende?

War das die Wende im Titelkampf? Denny Hamlin gewinnt den NASCAR-Thriller von Texas und übernimmt die Tabellenführung - Jeff Gordon boxt

(Motorsport-Total.com) - Was für ein NASCAR-Thriller in Texas! Viel mehr Action ist wohl kaum möglich! Ein Stinkefinger gegen einen NASCAR-Offiziellen, zwei normalerweise sehr vernünftige Starpiloten liefern sich eine handfeste Keilerei, die komplette Boxencrew des Champions wird im Rennverlauf ausgewechselt, der dominante Fahrer verliert kurz vor Schluss das Getriebe - und am Ende hat der Sprint-Cup einen neuen Tabellenführer!

Titel-Bild zur News: Matt Kenseth, Denny Hamlin

Letzter Restart im Texas-Krimi: Denny Hamlin (li.) gegen Matt Kenseth

Denny Hamlin (Gibbs-Toyota) gewann ein dramatisches AAA Texas 500 und hat nun 33 Punkte Vorsprung auf Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet). Zwei Rennen vor dem Saisonende droht der Dauerchampion seinen fünften NASCAR-Titel in Folge zu verlieren, denn wie bereits im Vorjahr erlitt Johnson in Texas einen herben Rückschlag. Sein neunter Platz war gegen einen am Ende souverän auftrumpfenden Hamlin nicht genug.

Doch auch Kevin Harvick (Childress-Chevrolet) hat nach Rang sechs in Texas als Dritter im Bunde durchaus noch Titelchancen. Harvicks Rückstand auf Hamlin beträgt nun 59 Punkte. Der große Pechvogel des Rennens hieß jedoch Greg Biffle, dessen Roush-Ford nach 223 Führungsrunden im Finale ohne den zweiten Gang chancenlos war. Biffle wurde nur Fünfter. Und es gab noch einige andere Aufreger.

Kyle Busch gab wieder einmal ein leuchtendes Beispiel dafür ab, warum er in der NASCAR als der große Bösewicht gilt. Nach einem frühen Dreher wurde er zu schnell in der Boxengasse erwischt. NASCAR zitierte den Gibbs-Piloten erneut an die Box, wo er in seinem Stall stehend einem Offiziellen den berühmten Stinkefinger zeigte. Zwei weitere Strafrunden waren die Folge, Kyle Busch landete nur auf Rang 32.

Ausgerechnet: Jeff Gordon und Jeff Burton boxen

Jeff Gordon

Das Wrack von Jeff Gordon nach dem Abschuss durch Jeff Burton Zoom

Doch die größte Showeinlage lieferten Jeff Gordon (Hendrick-Chevrolet) und Jeff Burton (Childress-Chevrolet) ab. In Runde 191 löste der Waltrip-Toyota von Martin Truex Jr. zum dritten Mal (!) eine Gelbphase aus. Nach eigener Aussage durch die tiefstehende Sonne geblendet, rauschte der Burton-Chevrolet unter Gelber Flagge in das Heck von Gordon und schob diesen bei hoher Geschwindigkeit frontal in die Mauer.

Als Gordon anschließend in Richtung Burton marschierte, kam es zu einem höchst ungewöhnlichen Schauspiel: Denn anstatt die Entschuldigung Burtons auch nur ansatzweise anzuhören, ging der eigentlich immer kontrolliert auftretende Gordon kommentarlos auf Burton los. Die Fäuste flogen, und nur aufgrund des reaktionsschnellen Einschreitens zweier NASCAR-Offizieller konnten die beiden Streithähne getrennt werden. Burton gab seine Alleinschuld hinterher offen zu.

Der Gordon-Ausfall hatte aber noch eine weitere dramatische Konsequenz: Weil die Crew seines Teamkollegen Johnson zuvor drei Boxenstopps en suite versemmelt hatte, griff man im Hendrick-Lager zu einer höchst außergewöhnlichen Maßnahme. Die tadellos arbeitende Gordon-Crew wurde mit sofortiger Wirkung an den Johnson-Chevy beordert, die bedröppelte Johnson-Crew packte derweil das Equipment an der Gordon-Box zusammen. Dieser Wechsel zeigte übrigens Wirkung, denn die Gordon-Crew fertigte den Johnson-Chevy fortan eine ganze Sekunde schneller ab. Genutzt hat es freilich nichts.

Während Biffle das achte von zehn Chase-Rennen weitgehend bestimmte, arbeitete sich Johnson zu Rennbeginn zwar als Erster der drei Titelkandidaten in die Top 5 nach vorne, fiel aber durch die schlechten Stopps regelmäßig zurück. Auch Hamlin und Harvick hatten sich von ihren hinteren Startplätzen in den ersten 100 Runden in die Top 10 nach vorne geschlichen.

Biffle im Pech

Greg Biffle

Alleine auf weiter Flur: Greg Biffle hatte in Texas deutlich das beste Auto Zoom

Doch Texas ist ein 500 Meilenmarathon, der bei Tageslicht beginnt und unter Flutlicht endet. Das heißt, dass sich die Streckenbedingungen in der zweiten Rennhälfte massiv ändern. Als der spektakuläre Gordon/Burton-Zwischenfall geschah, hatte gerade die Dämmerung eingesetzt. Auf der Strecke hatte Biffle die Sache nach wie vor im Griff, doch Hamlin, Johnson und Harvick belauerten sich gegenseitig in den Top 5.

Nach einer langen Grünphase kam es in Runde 299 zu einer Debris-Caution, in der Biffle plötzlich den Verlust des zweiten Gangs meldete. Beim Restart natürlich eine äußerst unangenehme Situation, was den Texas-Pechvogel zwischenzeitlich bis auf Position zehn zurückwarf. Vorne machte Hamlin nun kurzen Prozess und übernahm die Spitze gefolgt von Matt Kenseth (Roush-Ford), Mark Martin (Hendrick-Chevrolet) und Joey Logano (Gibbs-Toyota).

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Johnsons Tabellenführung am seidenen Faden hing, denn der Kalifornier schlug sich unterdessen mit Paul Menard (Roush-Ford; 10.) und David Reutimann (Waltrip-Toyota; 15.) herum. Harvick leistete sich mit suboptimalem Handling parallel einen Mauerkuss, der ihn ebenfalls in dieses Trio zurückfallen ließ.

Hamlin am Ende souverän

Denny Hamlin

Mit Hut und Pokal: Der neue Sprint-Cup-Tabellenführer Denny Hamlin Zoom

Ein später Reifenplatzer von Patrick Carpentier (Latitude-Ford) löste sieben Runden vor dem Ende Gelbphase Nummer neun aus. Harvick nutzte die Gelegenheit, um seinem Childress-Chevrolet eine kleine Reparatureinheit zu gönnen, während es beim Restart drei Runden vor dem Ende nun so richtig eng wurde.

Kenseth attackierte Hamlin und hatte diesen auch beinahe schon geschnupft. "Doch ausgangs Turn 2 musste ich noch einmal kurz lupfen, denn sonst hätte ich das Auto nicht halten können", erklärte der Roush-Pilot nach dem Rennen. Hamlin setzte den entscheidenden Konter und gewann das AAA Texas 500 vor Kenseth, Martin, Logano und Pechvogel Biffle. Harvick nutzte seine neuen Reifen, um in drei Runden noch von Rang neun auf sechs vorzufahren, während Johnson auf seinen alten Gummis genau das umgekehrte Erlebnis verbuchte.

"Was für ein Rennen!", lautete die erste Reaktion des überglücklichen Siegers Hamlin. Dessen Crewchief Mike Ford ergänzte: "Wenn wir den Titel holen wollen, dann war uns klar, dass wir genau dieses Rennen gewinnen müssen." "Wir haben geduldig am Auto gearbeitet", berichtete der Gibbs-Pilot. "Am Ende waren wir zur Stelle."

Johnson in Phoenix - Hamlin in Homestead?

Übrigens: Seit Einführung des Chase-Systems in der Saison 2004 ist immer derjenige Pilot Meister geworden, der zwei Rennen vor dem Ende in Führung lag. Die letzten vier Jahre hieß dieser Pilot Jimmie Johnson, in der Sprint-Cup-Saison 2010 heißt der aktuelle Tabellenführer Denny Hamlin.


Fotos: NASCAR in Texas


Doch Dauerchampion Johnson hat natürlich noch nicht aufgegeben: "Wir werden nächste Woche in Phoenix zurückschlagen", kündigte der Kalifornier an. Den Grund für seine schlechte Platzierung benannte er ebenfalls: "Beim letzten Restart steckte ich direkt hinter Biffle fest. Es war heute ein sehr schwieriger Tag."

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass der Texas-Sonntag vier Stunden allerbeste NASCAR-Unterhaltung bot. Sowohl auf, als auch neben der Strecke. Und die Ausgangsposition vor Phoenix und Homestead könnte kaum viel versprechender sein: In den letzten drei Chase-Rennen von Arizona hieß der Sieger immer Johnson, der amtierende Homestead-Gewinner heißt Denny Hamlin. Hochspannung pur!

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