• 15.05.2011 22:31

  • von Pete Fink

"Monster-Mile": Kenseth pokert richtig!

Matt Kenseth gewann in Dover mit einem gewagten Reifenpoker vor Mark Martin - die dominierenden Jimmie Johnson, Carl Edwards und Clint Bowyer gehen leer aus

(Motorsport-Total.com) - So schnell kann es in der NASCAR gehen. Als alle Welt davon überzeugt war, dass das FedEx 400 auf dem Dover International Speedway einzig und alleine zwischen Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet), Carl Edwards (Roush-Ford) und Clint Bowyer (Childress-Chevrolet) entschieden werden würde, kippte 38 Runden vor dem Ende das Renngeschehen urplötzlich.

Titel-Bild zur News: Matt Kenseth

Zocker Matt Kenseth gewann nach Texas sein zweites Saisonrennen

Nach einem Dreher von Juan Pablo Montoya (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet) kam es zur sechsten und letzten Gelbphase, in der ein saftiger Reifenpoker über die Bühne ging, der das gesamte Klassement auf den Kopf stellte: Mark Martin (Hendrick-Chevrolet) fuhr überhaupt nicht an die Box, Matt Kenseth (Roush-Ford) ließ sich nur zwei neue Reifen aufziehen. Weil diese gewagte Strategie noch von fünf weiteren Sprint-Cup-Piloten gewählt wurde, befand sich das zuvor so dominierende Spitzentrio urplötzlich im vorderen Mittelfeld und steckte damit im Verkehr fest.


Fotos: NASCAR in Dover


Vorne machte Kenseth nach dem Restart in Runde 365 kurzen Prozess mit NASCAR-Oldie Martin und hielt die Meute in den Schlussrunden unter Kontrolle. Der Roush-Pilot gewann nach Texas sein zweites Saisonrennen und wusste nach dem Rennen warum: "Der Schlüssel zum Sieg war unser Zwei-Reifen-Stopp", freute sich der NASCAR-Champion des Jahres 2003. "Wir hatten ein schnelles Auto und eine Menge PS. Dazu lag irgendwann genug Gummi auf der Strecke und ich hatte vorne plötzlich freie Bahn."

Ganz ähnlich klang Mark Martin, der analog zu Kenseth vor dem Reifenpoker weit weg von einer Top-3-Platzierung war. "Wir hatten ein gutes Rennen, nur hatten wir alle überhaupt keine Lust darauf, wieder 15. zu werden", grinste der 52-Jährige. Das Risiko seiner Hendrick-Mannschaft war überschaubar: Martin fuhr zum Zeitpunkt der Gelbphase auf Rang 14 von noch 18 Piloten in der Führungsrunde. Wäre sein Poker nicht aufgegangen, hätte die giftgrüne Startnummer 5 also nicht viele Positionen verloren.

Kollektive Überraschung im Spitzentrio

Jimmie Johnson, Carl Edwards

Jimmie Johnson und Carl Edwards: 324 Führungsrunden reichten nicht Zoom

Auch Rang drei ging an einen Dover-Zocker: Marcos Ambrose und sein Petty-Team entschlossen sich ebenfalls, beim letzten Stopp nur zwei neue Reifen mitzunehmen. Im Unterschied zu Kenseth und Mark Martin mischte der schnelle Australier in seinem Petty-Ford jedoch von Beginn an munter in den Top 10 mit. Platz drei ist bereits das zweite Top-5-Resultat des Jahres für die Startnummer 9.

So hießen die großen Pechvögel von Dover Jimmie Johnson und Carl Edwards. Dieses Duo bestimmte das Geschehen auf der Betonmeile im US-Bundesstaat Delaware deutlich. Dover-Dominator Johnson, der hier drei der letzten vier Rennen gewinnen konnte, ging von der Pole-Position aus ins Rennen und lag am Ende nicht weniger als 207 von 400 Runden in Front. Edwards schnappte sich die Spitzenposition zum ersten Mal in Runde 143 und notierte am Schluss bei 117 Führungsrunden.

Während Johnson im Rennverlauf einige Probleme mit dem Handling seines Hendrick-Chevys bekam und zunehmend auf die Außenbahn ausweichen musste, lief der Roush-Ford von "Concrete-Carl" vor allem auf den vielen Long-Runs wie auf Schienen. Kurz nach Rennhalbzeit mischte sich auch Clint Bowyer in diesen permanent wechselnden Spitzenkampf ein und holte sich immerhin noch 29 Führungsrunden ab.

Nach dem letzten Restart waren auf der rauen "Monster-Mile" noch 35 Runden zu fahren, weshalb bei Johnson, Edwards und Bowyer kollektive Überraschung vorherrschte, dass so viele Konkurrenten dieses hohe Risiko eingingen - und dies auch noch erfolgreich. "Das war eigentlich ein Rennen von drei Piloten", merkte Johnson an, der am Ende nur Neunter wurde. "Aber ich habe nach dem Stopp sofort gewusst, dass wir nun in großen Schwierigkeiten stecken."

Kyle Busch mit toller Aufholjagd

Clint Bowyer, Marcos Ambrose, Truex

Clint Bowyer (li.) auf dem Vormarsch - Marcos Ambrose (mi.) wird Dritter Zoom

Auch Edwards stöhnte: "Keiner von uns hat damit gerechnet, dass sich so viele Jungs nur zwei Reifen holen. Ich war wirklich davon überzeugt, dass unsere Strategie eine gute Entscheidung war. Ich bin sehr überrascht." Edwards landete einen Rang hinter Bowyer am Ende auf Position sieben und baute damit seine Sprint-Cup-Gesamtführung vor Johnson weiter aus.

Auf Rang drei liegt dort Kyle Busch, der in Dover Platz vier belegte. Eine tolle Aufholjagd des Gibbs-Piloten, der nach einem Motorwechsel als 43. und Letzter ins Rennen ging. Der jüngere Busch-Bruder machte dabei vor allem bei den Restarts jede Menge Boden gut. Zum Beispiel nach dem Montoya-Dreher, als er in Runde 365 auf der Außenbahn gleich fünf Kontrahenten im ersten Umlauf schnupfte.

Und: Es kam zu keinem Zwischenfall mit Erzfeind Kevin Harvick (Childress-Chevrolet; 10.), obwohl sich die Wege der beiden Streithähne im Rennverlauf einige Male kreuzten. Positiv war auch Platz fünf von Red-Bull-Pilot Brian Vickers der vor einem Jahr mit Blutgerinnseln in Beinen und Lunge noch im Krankenhaus lag. Auch Vickers gehörte zur Gruppe der Zwei-Reifen-Zocker. Martin Truex Jr. (Waltrip-Toyota) fuhr in seinem Heimrennen Rang acht heraus.

Für das Hendrick-Duo Dale Earnhardt Jr. und Jeff Gordon ging der Reifenpoker übrigens nicht auf: Die beiden NASCAR-Stars lagen beim letzten Restart in den Top 6, beendeten das Dover-Rennen aber nur auf den Positionen 12 und 17. Auch Vizemeister Denny Hamlin (Gibbs-Toyota) musste sich nach einer frühen Durchfahrtsstrafe und einer ansonsten eher farblosen Vorstellung mit Platz 16 zufrieden geben.

Rabenschwarzer Tag für Stewart und Montoya

Mark Martin, Matt Kenseth

Die entscheidende Attacke: Matt Kenseth greift Leader Mark Martin an Zoom

Doch verglichen mit zwei Kollegen waren all diese Resultate noch hervorragend. Montoya und auch Tony Stewart (Stewart/Haas-Chevrolet) erwischten am Sonntagabend einen rabenschwarzen Tag. Beide kamen zu keinem Zeitpunkt mit dem Handling ihrer Boliden zurecht und landeten am Ende weit abgeschlagen im Hinterfeld.

Stewart (29.) wurden dabei nicht weniger als sechs Runden aufgebrummt, Montoya (32.) verlor nach seinem späten Dreher deren sieben. Sein Earnhardt/Ganassi-Chevy präsentierte sich mitunter hart an der Grenze zum Unfahrbaren, dazu gesellte sich beim vorletzten Restart noch ein Getriebeproblem, als der Kolumbianer im dritten Gang feststeckte. Seinen Dreher löste ein schleichender Plattfuß aus.

Kasey Kahne (Red-Bull-Toyota; 36.) und A.J. Allmendinger (Petty-Ford; 37.) waren zwei weitere Dover-Pechvögel, die jeweils mit einem Motorschaden in aussichtsreicher Position aus dem Rennen genommen wurden. Ihre Teamkollegen Ambrose und Vickers beendeten das FedEx 400 beide in den Top 5, was für Kahne und Allmendinger ebenfalls möglich gewesen wäre.

Am kommenden Wochenende gibt es kein Punkterennen, sondern das für gewöhnlich immer äußerst spektakuläre Allstar-Rennen auf dem Charlotte Motor Speedway. Für viele europäische NASCAR-Fans - und solche, die es noch werden wollen - ist dies insofern von Interesse, weil im Rahmenprogramm am Freitagabend ein ehemaliger Formel-1-Weltmeister sein NASCAR-Debüt geben wird. Kimi Räikkönen bestreitet dann sein erstes Truck-Rennen in einem Toyota Tundra von Kyle Busch Motorsports.