• 11.11.2014 16:58

  • von Pete Fink

Die großen Verlierer 2014: Jeff Gordon und Rick Hendrick

Was nun Herr Hendrick? Was nun Herr Gordon? Das NASCAR-Finale von Homestead steigt - und einige Superstars sind nicht zur Party eingeladen

(Motorsport-Total.com) - Die NASCAR-Saison läuft noch, aber eines steht bereits jetzt fest: Der große Verlierer 2014 heißt Hendrick Motorsports. Keiner der vier Starpiloten von Teambesitzer Rick Hendrick hat am kommenden Wochenende in Homestead noch eine Titelchance. Jimmie Johnson, Dale Earnhardt Jr. und Kasey Kahne scheiterten bereits in Talladega, in Phoenix war dann für Jeff Gordon Schluss. Ganz ehrlich: Wer hätte zu Saisonbeginn auf solch eine Konstellation gewettet?

Titel-Bild zur News: Jeff Gordon

Phoenix 2014: Jeff Gordon scheitert und muss Rede und Antwort stehen Zoom

Natürlich fuhr vor allem das Kahne-Team eine äußerst bescheidene Saison und kaum jemand war wohl von einem frühen Scheitern überrascht. Und wenn sich ein Earnhardt in der zweiten Chase-Runde in drei Rennen die Plätze 30, 20 und 31 erlaubt, dann wird es in jedem Playoff-System eng. Sein vierter Saisonsieg in Martinsville kam erstens eine Woche zu spät und zweitens zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, was das Hendrick-Team in der internen Saisonanalyse sicherlich aufarbeiten wird.

Wenn das frühe Earnhardt-Scheitern also eine unangenehme Überraschung war, so war das Johnson-Aus gelinde gesagt eine Sensation. Der sechsfache NASCAR-Champion hatte sich in den vergangenen Jahren den Nimbus erarbeitet, im Chase quasi unschlagbar zu sein. Getreu dem Motto: Wenn alle anderen in der langen Saison langsam aber sicher müde werden, geigen wir erst so richtig auf. Dieser Johnson-Turbo wurde 2014 nicht gezündet.

Sicherlich hat dabei das neue Chase-System einen großen Anteil daran, denn schon bei der Verkündung zu Saisonbeginn konnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass NASCAR-Chef Brian France da eine "Lex Johnson" aus dem Hut gezaubert hatte. Meisterschaften in Serie sind nirgendwo gut fürs Geschäft und ganz neu war dieses Vorgehen auch nicht: Da gab es schon 2003/2004 die Matt-Kenseth-Regel, als NASCAR das Chase-System erstmals einführte.


Fotos: NASCAR in Phoenix


Der Stachel sitzt tief

Einer, der in seiner gesamten Karriere mit einem Playoff-System immer seine Probleme hatte, ist Jeff Gordon. Seit 2001, also im Prinzip seit es den Chase gibt, wartet der Kalifornier auf Titel Nummer fünf. Sein ewiger "Drive-For-Five" geht 2015 in die nächste Runde und Gordon darf guten Gewissens als der große Pechvogel 2014 gelten. Hätte zum Beispiel Earnhardt in Martinsville über "plötzliche Vibrationen" berichtet, wäre das ganze Schlamassel gar nicht aufgetreten.

Oder hätte Gordon beim ominösen Restart von Texas Johnson und vor allem Brad Keselowski (Penske-Ford) passieren lassen, wäre er Dritter geworden. Mit den Positionen zwei (Martinsville), drei (Texas) und zwei (Phoenix) wäre er bombensicher im Homestead-Finale gestanden. Klar: Hinterher ist man immer schlauer und die Startnummer 24 ist in diesem Jahr eigentlich viel zu gut unterwegs, um im Halbfinale so bitter zu scheitern. Die Realität sieht jedoch anders aus und der Stachel wird tief sitzen. Ganz tief.

AJ Allmendinger, Aric Almirola, Brad Keselowski, Carl Edwards, Dale Earnhardt Jun., Denny Hamlin, Greg Biffle, Jeff Gordon, Jimmie Johnson, Joey Logano, Kasey Kahne, Kevin Harvick, Kurt Busch, Kyle Busch, Matt Kenseth, Ryan Newman Chase Teilnehmer 2014

Aus 16 mach 4: Hendrick Motorsports fehlt nun komplett Zoom

"Es ist einfach unglücklich gelaufen", sagte er nach dem Phoenix-Rennen, in dem er in der letzten Sekunde rausgekegelt wurde. "Wir haben so ein gutes Jahr erlebt und dann kam dieses eine (Texas-)Rennen. Dieses Rennen wird noch eine Weile in mir arbeiten. Dieses Wochenende war ich eigentlich schon drüber weg, weil ich wusste, dass wir hier eine gute Leistung zeigen werden. Aber nun tut es wirklich weh. Sehr weh sogar." Doch auch Gordon weiß: "Du musst die nötigen Punkte holen oder die Rennen gewinnen, wenn du ins Finale willst. Das haben wir nicht geschafft."

Nicht immer nur Pech

Es ist in jedem Playoff-System das alles entscheidende Kriterium, dass du in einem vorgegebenen Zeitfenster deine bestmögliche Leistung abrufen kannst. Wie beim Superbowl der American Footballer, wie in einem WM-Finale der Fußballer oder wie im 100-Meter-Finale der Olympischen Spiele. Natürlich kann darüber diskutiert werden, ob der Motorsport grundsätzlich ein geeignetes Pflaster für Playoff-Systeme ist oder nicht. Fakt ist aber auch: Es entsteht ein gewaltiges Spannungsmoment, sodass die Chance besteht, in solchen Phasen viele neue Leute für deinen Sport zu begeistern.

Rick Hendrick

Rick Hendrick: Wie wird der Teambesitzer auf die Pleite von 2014 reagieren? Zoom

Das ist der klare Hintergedanke aller Serienchefs und im Fall NASCAR erweist sich wieder einmal, dass es funktioniert. Was übrigens auch Jeff Gordon zugeben musste: "Wir erleben gerade das größte Interesse an unserem Sport seit vielen, vielen Jahren", sagte er nach Phoenix. "Also stimmt das System. Das einzige Problem, das ich momentan damit habe, ist die Tatsache, dass wir nächste Woche nicht dabei sind." Nicht nur er, vermutlich auch Rick Hendrick.

Und falls es ein Trost für die vielen Jeff-Gordon-Fans sein kann: 2012 hatte er Glück, dass sich das Rennschicksal nach einer Regenpause im alles entscheidenden Qualifikationsrennen von Richmond umdrehte. Damals hieß der Pechvogel Kyle Busch, der zugunsten von Gordon um ganze drei Punkte an den Playoffs scheiterte. Oder 2013, als für Gordons Chase-Platz sogar eine 13. Position eröffnet wurde, was ihn zum Lucky Dog des Jahres machte.


Fotostrecke: Jeff Gordons Drive for Five

Es ist also bei weitem nicht so, dass Gordon in den vergangenen Jahren nur das Pech am sprichwörtlichen Hacken klebte. Viel interessanter erscheint die Frage, welche Lehren Hendrick Motorsports als Gesamtorganisation aus dem Schlamassel der vergangenen Wochen ziehen wird. Sehen wir 2015 eine andere Auslegung des Begriffs Teamplayer? Reicht Earnhardt eine Standuhr? Übt Johnson das Talladega-Finale? Und wer würde nicht gerne Mäuschen spielen, wenn Gordon irgendwann im Winter zu einem teaminternen Hendrick-Meeting bittet...