• 31.10.2010 21:50

  • von Pete Fink

Hauchdünn: Bowyer siegt im Talladega-Chaos!

Ein "Big One" in der letzten Runde verschaffte Clint Bowyer den Talladega-Sieg vor Kevin Harvick und Juan Pablo Montoya - drei Piloten innerhalb von 38 Punkten!

(Motorsport-Total.com) - Die NASCAR-Bosse dürfen sich zufrieden die Hände reiben, denn jetzt wird es erst so richtig spannend im Kampf um den Sprint-Cup-Titel 2010: Clint Bowyer gewann das Amp Energy 500 vor seinem Childress-Teamkollegen Kevin Harvick. Ein bärenstarker Juan Pablo Montoya (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet) kam in einem dramatischen Finale auf Rang drei.

Titel-Bild zur News: Clint Bowyer, Kevin Harvick

Wer hat denn nun gewonnen? Auch Kevin Harvick und Clint Bowyer rätseln...

NASCAR benötigte mehrere Minuten, um einen Sieger auszurufen. Der Hintergrund war ein spektakulärer Überschlag von A.J. Allmendinger (Petty-Ford) eingangs der letzten Runde, der damit den einzigen "Big One" des Tages auslöste. Die Offiziellen froren die Reihung zum Zeitpunkt der gelben Flagge ein, und mussten die Videoaufzeichnungen studieren, um zu sehen, welcher der beiden Childress-Chevys die Nase vorn gehabt hatte.

Beim Überqueren der Ziellinie eingangs der letzten Runde lag Harvick noch in Front. Die Gelbphase fiel aber erst ein paar hundert Meter weiter, was Bowyer auf der Innenbahn schließlich seinen zweiten Chase-Erfolg 2010 einbrachte. "Ein toller Tag für unser Team! Ich muss mich bei Juan Pablo bedanken", jubelte Bowyer, denn Montoya hatte den Childress-Piloten letztlich zum Sieg geschoben.

Johnson und Hamlin kommen spät

Clint Bowyer

Victory Lane: Clint Bowyer bejubelt seinen zweiten Chase-Erfolg 2010 Zoom

Harvick machte als Talladega-Zweiter in der Gesamtwertung 24 Punkte auf die Tabellenführung gut, und hat nun nur noch einen Rückstand von 38 Zählern. Jimmie Johnson (Hendrick-Chevrolet) wurde als Siebter gewertet, Denny Hamlin (Gibbs-Toyota) bekam Rang neun zugesprochen. Das bedeutet: Johnson führt jetzt mit 14 Punkten vor Hamlin, Harvick lauert knapp dahinter. So eng war drei Rennen vor dem Saisonende der NASCAR-Titelkampf im Chase-Zeitalter noch nie!

Talladega hielt also, was es im Vorfeld versprochen hatte. Es war ein wildes Finish eines dramatischen Playoff-Thrillers, der von ganz unterschiedlichen Strategien geprägt war. Und: Keiner der drei Titelkandidaten kam ohne Probleme durch die 188 Alabama-Runden. Johnson erwischte zwei ganz schlechte Boxenstopps und sah sich das enge Kampfgeschehen über weite Strecken aus einer Verfolgergruppe an. Erst 16 Runden vor Schluss kam das entscheidende Kommando von Crewchief Chad Knaus: "Jetzt wird es Zeit!"

Zu diesem Zeitpunkt belegte Johnson nur Platz 22, drei Umläufe später hatte er sich mit der Hilfe seines Hendrick-Teamkollegens Jeff Gordon (8.) in Front geschoben. Dann bekam der Gordon-Chevrolet jedoch Probleme mit dem Öldruck, weshalb dieses Duo gesprengt wurde. Johnson war im Finale ohne jede Hilfe auf sich alleine gestellt und hatte keine Siegchance mehr.


Fotos: NASCAR in Talladega


Auch Denny Hamlin gondelte zu Rennbeginn in der Verfolgergruppe herum. Der Gibbs-Pilot war in Runde 80 einige Augenblicke unaufmerksam und verlor prompt den Anschluss. In der Folge drehte der Gesamtzweite ganz alleine seine Runden im 2.66 Meilen langen Oval - und verlor dabei pro Umlauf drei Sekunden. Eine Überrundung war unvermeidbar.

Natürlich herrschte im gesamten Toyota-Lager große Unruhe, schließlich befand sich der einzig verbliebene Titelkandidat der Japaner in argen Problemen. Neben seinem Gibbs-Teamkollegen Kyle Busch fragten auch Michael Waltrip (Prism-Toyota) und David Reutimann (Waltrip-Toyota) via Bordfunk, ob sie sich zurückfallen lassen sollten, um Hamlin zu helfen. Teamwork à la Tour de France...

Harvick zeigt seine Talladega-Qualitäten

Jeff Burton

Sauer: Jeff Burton malträtiert seinen demolierten Childress-Chevy Zoom

Hamlin wurde mit einer Runde Rückstand vom Talladega-Pulk eingeholt. Weil es gegen Rennmitte kaum zu Gelbphasen kam, dauerte es bis Runde 141, dass Hamlin endlich den "Lucky Dog" zugesprochen kam. 15 Runden später spannte sich Kyle Busch vor Hamlin, und weitere drei Umläufe darauf hatte sich das Toyota-Duo in Front katapultiert.

Das größte Talladega-Schlitzohr unter den drei Titelkandidaten war jedoch einmal mehr Kevin Harvick. Der Superspeedway-Spezialist blieb sogar während der ersten Gelbphase auf der Strecke, um Konkurrent Johnson die fünf Bonuspunkte für eine Führungsrunde abspenstig zu machen. Dafür verzichtete der Gesamtdritte auf seine Track-Position, was in der Windschattenschlacht von Talladega allerdings auch keinen großen Nachteil bedeutete.

Harvick wurde in Runde 134 und 141 jeweils in zwei Vorfälle verwickelt. Zunächst schob Dale Earnhardt Jr. etwas zu enthusiastisch den Childress-Chevy von Jeff Burton an, der sich vor dem Kühler Harvicks ins Aus drehte. Wenig später unternahm Clint Bowyer dasselbe mit dem JTG/Waltrip-Toyota von Marcos Ambrose. Dieses Mal konnte Harvick nicht mehr ausweichen und fuhr fortan mit einer lädierten Frontpartie, die der Kühlung jedoch keinen Schaden zufügte.

Es ist bezeichnend für die Talladega-Qualitäten Harvicks, dass er sein waidwundes Fahrzeug in der Spitzengruppe halten konnte. Nach dem letzten Restart vier Runden vor Schluss platzierte er sich mit der Hilfe von David Reutimann (Waltrip-Toyota; 4.) auf der Außenbahn und machte sich auf die Verfolgung des Gespanns Bowyer/Montoya. Der Allmendinger-Überschlag verhinderte einen Zielsprint, doch Harvick war angesichts der Umstände mit seinem zweiten Platz hochzufrieden.

Noch nie war es so eng wie 2010

Talladega

Zweimal sehr eng: Das Talladega-Rennen und die Titel-Entscheidung Zoom

Polesitter Montoya fuhr - wie fast immer - ein tadelloses Talladega-Rennen. Der Kolumbianer holte sich insgesamt 17 Führungsrunden und landete am Ende hoch verdient auf einem dritten Platz. Das gleiche Resultat glückte ihm bereits im Frühjahrsrennen, schon im April 2008 fuhr er als Zweiter ins Ziel. Damals übrigens auch unter Gelber Flagge, weil es ebenfalls in der letzten Runde gekracht hatte. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die 42 in Talladega einmal in der Victory Lane stehen wird.

Hinter Reutimann kamen mit Joey Logano (Gibbs-Toyota) und Martin Truex Jr. (Waltrip-Toyota) zwei weitere starke Camrys auf die Plätze fünf und sechs. Brad Keselowski holte sich in seinem Penske-Dodge als Zehnter seine zweite Top-10-Platzierung binnen einer Woche. Doch die große Spannung liegt nun in den letzten drei Saisonrennen von Texas, Phoenix und Homestead.

Talladega war in den Playoffs 2010 die große Unbekannte, doch von Klarheit kann am Sonntagabend nach dem Rennen überhaupt keine Rede sein. Weder Johnson, noch Hamlin oder Harvick mussten in Alabama Federn lassen. Der Titelkampf ist so eng wie noch nie, seit im Jahr 2004 das aktuelle Chase-System installiert wurde.

Wie knapp es zugeht, verdeutlicht ein kleines Rechenbeispiel: Würde der drittplatzierte Harvick am kommenden Wochenende in Texas mit den meisten Führungsrunden gewinnen, bekäme er 195 Punkte gut geschrieben. Das bedeutet, dass Spitzenreiter Johnson ein fünfter Platz - ohne die fünf Bonuspunkte für eine Führungsrunde gleichbedeutend mit 155 Punkten - nicht reichen würde, um die Tabellenführung zu behalten.