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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

MotoGP-Weltmeister Marc Marquez in der Krise: Der Nuller in Argentinien wirft den Spanier weit zurück - Auch Ducati und Suzuki scheitern am eigenen Anspruch

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Marc Marquez hat den schlechtesten Saisonstart seit seinem MotoGP-Aufstieg Zoom

Liebe Leser,

wer dachte, dass ein MotoGP-Wochenende nach den Wetterkapriolen in Katar nicht kurioser und nervenzehrender werden könnte, wurde in Termas de Rio Hondo am Sonntag eines Besseren belehrt. Schon in den Trainings hatte sich angedeutet, dass die üblichen Podestkandidaten schwächeln. Dass die Top 10 von Argentinien mit dem Yamaha-Duo Maverick Vinales und Valentino Rossi an der Spitze letztlich nur zwei Werksfahrer beherbergen würde, war dann aber doch eine faustdicke Überraschung.

Meine Redaktionskollegen und ich hatten nach dem Qualifying und Warm-up im Rennen mit einem spanischen Duell zwischen dem späteren Rennsieger Vinales und MotoGP-Weltmeister Marc Marquez gerechnet. Und ein solches deutete sich zunächst auch an. Pole-Setter Marquez stürmte vom Start weg an die Spitze und fuhr gleich eine beachtliche Lücke heraus. Vinales setzte dahinter indes zur Verfolgung an und lag schon auf Platz zwei, als das geschah, was Marquez in der letzten Nacht am schlechtesten schlafen ließ.

Totalausfall für das Honda-Werksteam

Der Spanier rutschte in der Anfahrt auf Kurve 2 über das Vorderrad weg, seine Honda und er schlitterten unaufhaltsam ins Kiesbett. Die Triumphfahrt des Vorjahressiegers dauerte gerade einmal etwas mehr als drei Runden. Nach Platz vier in Katar blieb Marquez in Argentinien somit punktelos, während WM-Rivale Vinales abermals 25 Zähler einstrich. Für Titelverteidiger Marquez, dem in der Weltmeisterschaft nun bereits 37 Punkte auf die Spitze fehlen, ist der Ausrutscher deshalb gleich doppelt bitter.

Auch für das Repsol-Honda-Team. Denn zehn Runden nach Marquez' Ausfall stürzte - an exakt gleicher Stelle - auch sein Teamkollege Dani Pedrosa, der zu diesem Zeitpunkt auf Rang vier lag und die Verfolgergruppe anführte. Auch er verließ Argentinien mit leeren Händen und wie die HRC-Bosse sicher mit einigen Sorgenfalten auf der Stirn. Denn während Honda-Privatier Cal Crutchlow einen sicheren Podestplatz einfuhr, stecken seine Werkskollegen nach nur zwei Saisonrennen in einer mittelschweren Krise.

Für Marquez ist es der schlechteste Start in eine MotoGP-Saison, seit er 2014 in die Königsklasse aufgestiegen ist. Aktuell liegt er in der Weltmeisterschaftswertung auf Platz acht. Im Jahr 2015 war er nach zwei Rennen WM-Fünfter. Es wurde sein bis dato einziges Jahr in der MotoGP, in dem er nicht den Titel holte. Auch die Tatsache, dass er zum ersten Mal keines der ersten beiden Rennen gewinnen konnte, ist eine Premiere für den Spanier, der in der vergangenen Saison sogar vorzeitig Weltmeister wurde.


Fotos: Honda, MotoGP in Termas de Rio Hondo


Marc Marquez kann sich den Sturz nicht erklären

Dabei profitierte er auch von den Fehlern der anderen. Denn schon damals hatte Honda insbesondere mit der Motorenabstimmung zu kämpfen. Der Wechsel vom Screamer- zum Big-Bang-Konzept sollte eigentlich Abhilfe schaffen. Doch die Schwierigkeiten sind geblieben und haben sich sogar noch verschärft. Die Elektronik und die Beschleunigung bleiben die großen Baustellen. Besorgniserregend ist auch, dass weder Marquez noch Pedrosa ihren Sturz wirklich einordnen konnten.

"Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum ich gestürzt bin. Der Sturz war wirklich seltsam", gab der Weltmeister nach seinem Nuller zu. "Am Bremspunkt war ich komplett aufrecht. Aber das Vorderrad hat blockiert. Vielleicht war der Reifen aus irgendeinem Grund noch nicht weit genug." Hier hatte Honda wie so oft auf die härtere Gummimischung gesetzt. Auch Pedrosa und Crutchlow fuhren mit dem harten Vorderreifen, allerdings ging die Rechnung nur beim drittplatzierten Briten auf.

Marquez erklärt: "Wir sind das Risiko eingegangen und haben den harten Vorderreifen gewählt, um gut bremsen zu können und eine gute Stabilität zu haben. In Katar sind wir den sicheren Weg gegangen, im Rennen konnte ich dann aber nicht attackieren. Letztlich gibt es keine Entschuldigung." Dass er den Reifen zu hart rangenommen hat, will der 24-Jährige nicht gelten lassen: "Ich habe gepusht, aber nicht sehr viel. Die Lücke war zwar schon recht groß. Aber meine Rundenzeiten waren ähnlich wie später im Rennen."

LCR-Pilot Cal Crutchlow bester Honda-Fahrer

Den Fehler nahm Marquez dennoch auf seine Kappe. "Natürlich bin ich wahnsinnig enttäuscht von mir selbst", sagte der Spanier. Schon zu Beginn der Saison hatte er stets betont, dass er und sein Team das neue Motorrad insbesondere in den ersten Rennen noch besser kennenlernen müssten, um die letzten Probleme auszumerzen. Das unterstrich er auch in Argentinien wieder. Ob er allerdings mit einem solchen Start gerechnet hat, darf doch bezweifelt werden. Erst recht mit Blick auf Crutchlow und Co.

Schon 2016 holte der LCR-Honda-Pilot für den Hersteller die Kohlen aus dem Feuer, um den Konstrukteurstitel zu sichern. Nun ist er bester Honda-Fahrer und hat mit Jack Miller (Marc-VDS-Honda) zusammen mehr Punkte auf dem WM-Konto als die Werkspiloten. Das zeigt, welches Potenzial das Motorrad hat, und wie schwer sich HRC mit Marquez und Pedrosa derzeit tut, dieses auch auf die Strecke zu bringen. Mit diesem Problem ist das Honda-Werksteam derzeit aber nicht allein.

Wer sonst noch schlecht geschlafen hat:

Ducati: Auch Ducati musste in Argentinien werksseitig einen Totalausfall verkraften. Jorge Lorenzo landete mit seiner Desmosedici schon in Kurve 1 im Kies, nachdem er auf Andrea Iannone (Suzuki) aufgefahren war. Ob er dank neuer Sitzposition im zweiten Teil des Rennens tatsächlich hätte angreifen können, blieb daher offen. Dass man bei Ducati die komplette Wintersaison "wegschmiss", wie Lorenzo selbst sagte, weil der Fehler erst jetzt aufgedeckt wurde, ist mehr als kritisch zu bewerten.

Als echter Pechvogel von Argentinien hatte sicher auch Lorenzos Teamkollege Andrea Dovizioso keinen guten Schlaf. Von Startplatz 13 kämpfte er sich auf Rang acht nach vorn, bis ihn Aprilia-Pilot Aleix Espargaro abschoss. History repeated: Im Vorjahr war Dovizioso Opfer des eigenen Teamkollegen gewesen. Die Schuld am Vorfall sah er aber nicht bei Espargaro, sondern Danilo Petrucci vor ihm: "Es ist schlecht gefahren, hat viele Fahrer aufgehalten und seltsam gebremst. Das hat den Sturz verursacht."

Suzuki: Null Punkte auch für Suzuki in Argentinien. Alex Rins stürzte mit lädiertem Fuß. Ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, die Verletzung hinreichend auskurieren, sei einmal dahingestellt. Teamkollege Iannone hatte Glück, nach Lorenzos Rempler überhaupt noch im Rennen zu sein. Ein unnötiger Frühstart zwang den Italiener jedoch zur Durchfahrtsstrafe. Am Ende stand nur Rang 16 zu Buche. Bitter für Suzuki, die mit Ex-Fahrer Vinales 2016 noch Dauergast auf dem Podium waren. Er siegt nun woanders.

Ihre

Juliane Ziegengeist