WM-Aufholjagd: Die Einschätzung von Rossi und Lorenzo

Valentino Rossi und Jorge Lorenzo legten in ihrer MotoGP-Karriere schon Aufholjagden hin, aber gelingt das auch gegen Marc Marquez?

(Motorsport-Total.com) - "Es werden noch viele Punkte vergeben und alles kann passieren", drückt Marc Marquez vor dem MotoGP-Wochenende in Silverstone auf die Bremse. "53 Punkte sind ein großer Vorsprung, den du aber rasch verlieren kannst." Der Honda-Pilot will sieben Rennen vor Saisonende noch nicht vom WM-Titel 2016 sprechen. Ein technisches Problem, ein Sturz oder eine Verletzung könnten jederzeit die Titelträume begraben. Alleine der Trainingssturz in Österreich, als Marquez nur knapp einen Unfall mit seinem Teamkollegen Dani Pedrosa verhindern konnte und sich bei dem Sturz eine Schulter auskugelte, zeigte, wie schnell es im Motorradrennsport gehen kann.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi, Marc Marquez, Jorge Lorenzo

Marquez im Yamaha-Sandwich: Gelingt Rossi & Lorenzo noch eine Aufholjagd? Zoom

Vor dem Grand Prix von Großbritannien hat Marquez 53 Punkte Vorsprung auf Valentino Rossi und 59 auf Jorge Lorenzo. Auf dem Papier ist die Yamaha M1 das komplettere Paket, aber zu viele Zwischenfälle und Fehler kosteten eine Menge Punkte. "2006 war die Situation ähnlich, ich hatte einen großen Rückstand auf Nicky", denkt Rossi an seine Aufholjagd vor zehn Jahren zurück. "Ich hatte Pech, Probleme mit den Reifen und einen Motorschaden in Laguna Seca. Ich glaube mein Rückstand war damals aber geringer als jetzt."

Rossi: Gelingt Aufholjagd wie 2006?

2006 hatte Rossi im Sommer schon 51 Punkte Rückstand und ging vor dem Finale in Valencia sogar an Nicky Hayden vorbei. Die Aufholjagd war geglückt, doch am Ende war Hayden MotoGP-Champion. "Aber jede Saison ist anders und diesen Rückstand auf Marc aufzuholen, ist sehr schwierig", weiß Rossi, dass Marquez ein anderer Gegner als Hayden ist. "Ich muss mich auf mich und meine Arbeit konzentrieren. Ich brauche gute Rennen, muss auf das Podium und viele Punkte sammeln", nennt Rossi seinen Fahrplan für die weiteren Rennen.

"Ich muss so stark sein wie in der ersten Saisonhälfte, muss aber mehr Punkte nach Hause nehmen und darf nicht so viele Fehler machen. Ich muss die richtigen Entscheidungen treffen. Am Ende wird man dann sehen", so Rossi. Selbst wenn die beiden Yamaha-Fahrer theoretisch alle sieben Rennen gewinnen und sich damit gegenseitig Punkte wegnehmen würden, sollten Marquez Podestplätze für den Titel reichen.

Valentino Rossi

2006 holte Rossi auf Hayden auf, verlor am Ende aber das WM-Duell Zoom

Lorenzo war 2013 in einer ähnlichen Situation, als er nach seinen Schlüsselbeinverletzungen in Assen und am Sachsenring viele Punkte auf Marquez verlor. "2013 hatte ich mehr oder weniger 50 Punkte Rückstand und ich konnte einige aufholen. Aber ich hatte auch Glück, denn in Phillip Island machten sie einen Fehler und ich konnte auf einen Schlag 25 Punkte gutmachen", blickt Lorenzo auf seine Aufholjagd zurück. "Damit kam ich nach Valencia und war nur knapp hinter ihm. Ohne seinen Fehler hätte ich in Valencia keine Chance auf die Weltmeisterschaft gehabt. Ich hatte also auch Glück."

Lorenzo: Im Trockenen stark, im Regen schwach

Eine Parallele haben die Jahre 2006 und 2013: Rossi und Lorenzo konnten zwar erfolgreich Punkte aufholen, doch am Ende gewannen sie den WM-Titel nicht. "Damals war unser Motorrad etwas schlechter als die Honda", vergleicht Lorenzo den ersten Titelkampf mit Marquez. "In diesem Jahr ist die Situation umgekehrt. Abgesehen von einigen Strecken ist die Yamaha beim Zusammenspiel der Reifen und der Elektronik das bessere Bike. Wir hatten aber auch Pech und ich war im Regen sehr langsam. Dadurch habe ich vor allem auf Marc sehr viele Punkte verloren."

"In einer Meisterschaft mit ausschließlich Trockenrennen könnte ich die Weltmeisterschaft anführen", denkt Lorenzo an seinen Speed im Trockenen. Und damit liegt er auch richtig, denn in den Trockenrennen sammelte Lorenzo 131 Punkte, Marquez 111 und Rossi 96. "Aber mit diesen drei, vier Regenrennen und meinem Fehler in Argentinien habe ich viele Punkte verloren und bin weit weg. Ich denke jetzt nicht an die Weltmeisterschaft, sondern will Rennen gewinnen", sieht Lorenzo die Situation ähnlich wie Rossi. "Wenn es mir gelingt, hier und in Misano einige Punkte aufzuholen, dann wäre der Weltmeistertitel realistischer, als mit meinem jetzigen großen Rückstand."

Jorge Lorenzo

Im Trockenen bärenstark, im Regen nur sieben Punkte: Die Bilanz von Lorenzo Zoom

Wo Yamaha die vielen WM-Punkte verloren hat, zeigt die Statistik der Regenrennen. Diese Liste führt Marquez mit 86 Punkten an, dahinter folgt Rossi mit 48. Lorenzo holte im Regen nur sieben Zähler. Wenn Marquez in Silverstone, Misano und Aragon solide Ergebnisse einfährt, kann das schon der Matchball für den WM-Titel sein. "Ich muss die Situationen richtig managen, aber am Ende muss man das Risiko nehmen und angreifen. Natürlich muss ich jedes Rennen beenden, was für sich schon schwierig sein kann. Es werden noch viele Punkte vergeben", mahnt der Spanier zur Vorsicht.

Die besonnene und reife Herangehensweise, die sich Marquez im Winter für diese Saison überlegt hat, will er bis zum Ende durchziehen: "Man muss die gleiche Mentalität behalten. Wenn es wie in Mugello und Montmelo eine kleine Chance auf den Sieg gibt, muss man es probieren. In den letzten Runden sieht man, ob man eine Chance hat oder welche Position die beste wäre. An einem Donnerstag habe ich aber immer die Einstellung, dieses Rennen zu gewinnen. Nach dem Warmup am Sonntagvormittag sieht man dann, wo man steht."