Michelin: Transfer zum Straßenverkehr entscheidend

Michelin sieht den Motorsport als Testfeld für neue Technologien - Auch das MotoGP-Comeback soll dabei helfen, neue Entwicklungen auf die Straße zu bringen

(Motorsport-Total.com) - Ende 2008 endete mit dem Ausstieg von Michelin der Reifenkrieg in der Motorrad-WM. Anschließend rüstete Bridgestone alle MotoGP-Teams mit Reifen aus, bis sich die Japaner für den Rückzug Ende 2015 entschieden. Nun ist Michelin zurück. Nach anfänglichen Problemen mit der Konstruktion der Vorderreifen lief beim ersten Rennen in Katar alles glatt über die Bühne. Die Gesamtzeit von Sieger Jorge Lorenzo war sogar um sieben Sekunden schneller als Valentino Rossi zwölf Monate zuvor. Das Comeback konnte als gelungen bezeichnet werden.

Titel-Bild zur News: Pascal Couasnon, Nicolas Goubert

Die Michelin-Manager Pascal Couasnon (li.) und Nicolas Goubert (re.) Zoom

Michelin rüstet einige der wichtigsten Rennserien der Welt mit Reifen aus. Von der Langstrecken-WM über die Rallye-WM, die Elektrorennserie Formel E bis nun auch zur MotoGP. "Für Michelin ist der Motorsport ein Schlüsselelement, denn im Motorsport können wir Ideen und Lösungen entwickeln", hält Pascal Couasnon, Motorsportchef bei Michelin, fest. "Und wir können feststellen, ob diese Entwicklungen gut genug sind. In der MotoGP gibt es die besten Fahrer und die am höchsten entwickelten Motorräder. Wir wollten wieder dabei sein."

Für Michelin soll der Motorsport vor allem ein Test- und Entwicklungsfeld für künftige Serienprodukte sein. Die Prototypen der Langstrecken-WM können zum Beispiel in Le Mans mehrere Stints bei vollem Renntempo mit einem Reifensatz absolvieren. In der Rallye-WM werden die Belastungen auf harten Schotterstrecken erprobt. Diese Erkenntnisse fließen später in die Entwicklungen der Serienreifen ein.

17 Zoll Reifen für Michelin ein wichtiges Element

Deswegen pochte die französische Firma auch beim MotoGP-Comeback auf die Möglichkeit des Wissenstransfers. "Ein wichtiger Punkt in den Gesprächen mit FIM und Dorna war die Frage, wie wir die Verbindung zwischen der Rennstrecke und dem normalen Straßenverkehr herstellen", erläutert Couasnon. "Zum Beispiel ging es um den 17 Zoll Vorderreifen. Das war sehr wichtig. Alle großen Motorräder auf der Straße fahren mit 17 Zoll. Jetzt können wir auf der Rennstrecke lernen und die Erkenntnisse so rasch wie möglich auf die Straße übertragen. Das entspricht komplett unserer Philosophie und wir sind sehr glücklich, dass es die Dorna genauso sieht."

Als Beispiel nennt Nicolas Goubert, Zweiradchef bei Michelin, die Entwicklung der unterschiedlichen Mischungen beim Hinterreifen: "Es hat etwa drei Jahre gebraucht, um diese Technologie auf den Markt zu bringen. Ein zweites Beispiel aus den 1980er Jahren waren die Radialreifen. Sie wurden von Randy Mamola und Freddie Spencer entwickelt. Es dauerte zwei Jahre, um diese Reifen für den Markt vorzustellen. Das war recht schnell, es dauert natürlich einige Zeit."

"Die Motorräder haben sich in eine Richtung entwickelt, in der viel Aufmerksamkeit der Bremsphase gilt." Nicolas Goubert

Aus diesem Grund sprach sich Michelin für 17 Zoll Reifen aus. Vorgeschrieben ist übrigens nur die Radgröße. Der Reifenhersteller kann die Höhe der Reifenflanke frei wählen. Die Michelin-Reifen sind diesbezüglich auch etwas höher als Bridgestone. Erkenntnisse aus dem Rennsport fließen direkt in das Entwicklungszentrum. "Wir haben eine definierte Strategie und wollen lernen", sagt Couasnon zum breiten Motorsport-Engagement. "Jede Serie verlangte besondere Anforderungen. Es gab eine Lücke, die mit der MotoGP geschlossen wird. Für jede Serie gibt es einen speziellen Grund. Deswegen haben wir ein breitgefächertes Portfolio."

Im Vergleich zu 2008 stellen die MotoGP-Prototypen andere Voraussetzungen an die Reifen: "Es ist sehr anders, obwohl die Rundenzeiten nicht viel schneller sind", sagt Goubert. "Von der Stoppuhr ist es nicht wie Tag und Nacht. Die Motorräder haben sich in eine Richtung entwickelt, in der viel Aufmerksamkeit der Bremsphase gilt. Das macht für die Reifen einen großen Unterschied. Deswegen merkten wir rasch, dass wir einen anderen Vorderreifen entwickeln mussten, als es in der Vergangenheit der Fall war. Eventuell belasten die aktuellen Motorräder die Hinterreifen nicht so stark."