• 01.06.2015 11:23

  • von Sebastian Fränzschky & David Emmett

HRC mit Problemen: Hat Marquez die WM bereits verloren?

Marc Marquez ist mit 49 Punkten Rückstand nur WM-Fünfter: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo und Co. sprechen über die Situation des Titelverteidigers

(Motorsport-Total.com) - Der Italien-Grand-Prix in Mugello stellte für Titelverteidiger Marc Marquez den bisherigen Saisontiefpunkt dar. Auch wenn es bei einigen der vergangenen Rennwochenenden ebenfalls nicht gerade wunschgemäß verlief, wirkte Marquez in Mugello ratloser denn je. Die 2015er-Honda bereitet dem Spanier vor allem am Kurveneingang große Probleme. Dem Heck fehlt es mit gebrauchten Reifen an Stabilität. Was in der Vergangenheit spektakulär wirkte, sieht in diesem Jahr unkontrolliert aus.

Titel-Bild zur News: Marc Marquez

Marc Marquez macht Fehler: In Mugello warf er im Rennen solide Punkte weg Zoom

"Das Motorrad rutscht zu stark. Ich kann das Motorrad nicht richtig abbremsen und übe sehr viel Druck auf den Vorderreifen aus. Selbst wenn ich die Bremse löse, rutscht das Motorrad noch. Das ist ziemlich schwierig", bemerkt das Ausnahmetalent. "Wir arbeiten daran. Im vergangenen Jahr hatte ich am Kurveneingang ebenfalls solche Rutscher, doch damals konnte ich spüren, was das Motorrad macht und hatte die Kontrolle darüber."

"In diesem Jahr habe ich aus irgendeinem Grund kein Gefühl dafür. Wir werden dieses Problem nicht von einem zum nächsten Rennen in den Griff bekommen, doch wir arbeiten daran", berichtet Marquez, der sich mit dem Charakter des aggressiven 2015er-Motors nicht so richtig anfreunden kann. Marquez ist überzeugt, dass viele Probleme auf das neue Aggregat zurückzuführen sind.

2015er-Motor zu aggressiv

"Ich denke, es liegt am Charakter des Motors. Wir konnten am Kurveneingang einige Verbesserungen erzielen. Es ist noch nicht perfekt, doch wir haben am Freitag und Samstag wie bei einem Test gearbeitet. Wir haben viele Dinge probiert. Dadurch verpasste ich den direkten Einzug ins Q2", bemerkt der HRC-Pilot. "Wir haben sehr hart an der Elektronik gearbeitet und am Kurvenausgang ein paar Fortschritte erzielt. Der Kurveneingang ist momentan unsere größte Schwäche. Dort suchen wir nach Verbesserungen."

Marc Marquez

HRC arbeitet mit Hochdruck daran, die 2015er-Maschine zu verbessern Zoom

Doch ab wann ist Marquez wieder siegfähig? Von der dominanten Form der Vorsaison ist der Titelverteidiger meilenweit entfernt. HRC tüftelt in Japan mit Hochdruck an Updates, um die RC213V wieder zu einem Siegermotorrad zu machen. "Ich bat Honda schon vor ein paar Rennen. Ich weiß, dass sie sehr hart arbeiten. Hier stellten sie mir neue Mappings zur Verfügung. In Le Mans hatten sie ein Chassis, das ich bereits in Malaysia verwendete. Zudem gab es eine neue Schwinge. Sie arbeiten sehr hart. Das freut mich. Ich erkenne, dass sie Fortschritte erzielen möchten", unterstreicht Marquez.

Doch Marquez ist nicht der einzige Honda-Pilot, der mit Problemen kämpft. Bei den bisher sechs Rennen stand der Spanier nur zwei Mal auf dem Podium. Zudem gelang Satelliten-Pilot Cal Crutchlow in Argentinien ein Top-3-Ergebnis. Doch drei von 18 möglichen Podestplätzen sind sicher nicht das, was sich HRC-Vize Shuhei Nakamoto und HRC-Manager Livio Suppo vor der Saison ausrechneten.

Auch die anderen Honda-Piloten leiden

"Wir sind nicht in der besten Verfassung, aber wir haben ein paar Ideen. Ich hoffe, dass wir in den nächsten Rennen näher herankommen können und um Podien oder Siege kämpfen werden", bemerkt Werkspilot Dani Pedrosa, der in der laufenden Saison noch nicht auf dem Podium stand. Der routinierte Spanier ist überzeugt, dass die momentanen Probleme auf die Fahrbarkeit der Honda RC213V sind.

Daniel Pedrosa

Dani Pedrosa: "Müssen das Fahrverhalten des Motorrads konstanter machen" Zoom

"In der MotoGP muss man viele Runden am Stück schnell sein. Die MotoGP ist anspruchsvoll", betont Pedrosa. "Man muss schnell sein und diesen Rhythmus halten. Im Moment ist es schwierig, in jeder Runde den gleichen Bremspunkt, den gleichen Einlenkpunkt und die gleiche Kurvengeschwindigkeit zu fahren, weil man manchmal etwas weniger Haftung hat und quer in die Kurve hineinbremst. Wir müssen das verbessern, damit das Motorrad konstanter wird. Das sollte den Fahrern mehr Vertrauen schenken."

Doch auch wenn Marquez bereits 49 Punkte zurückliegt, schreiben ihn seine Gegner noch nicht ab. "Ich würde nicht sagen, dass Marquez beim Kampf um die Meisterschaft keine Rolle mehr spielt. Viele Champions haben sich die WM gesichert, nachdem sie einen größeren Rückstand aufholten als Marc jetzt hat", stellt Mugello-Sieger Jorge Lorenzo klar. "Zudem haben wir erst sechs Rennen hinter uns gebracht. Es stehen noch zwölf weitere Rennen auf dem Plan. Es sind also noch doppelt so viele Rennen zu absolvieren."

Konkurrenz schreibt Marquez nicht ab

"Es kann alles passieren. Uns können Motoren kaputt gehen, wir können Fehler machen und Marc kann eine Siegesserie hinlegen wie ich es zuletzt tat. Er ist nicht so weit weg, wie wir im Rennen sehen konnten. Er machte in zwei Runden alle Positionen gut, die er in der Startaufstellung zurücklag. Er war überraschend stark in der Startphase", erklärt Lorenzo. "Aus unserer Sicht war es gut, dass er stürzte. Das ist gut für die Meisterschaftswertung."

Und auch Teamkollege Rossi schreibt den Titelverteidiger nicht ab. "Marc befindet sich in einer unerwarteten Situation. Damit rechnete niemand. Nach sechs Rennen ist Marc nur WM-Fünfter. Das ist eine große Überraschung für alle. Doch wir sprechen von Marc Marquez und HRC", warnt der "Doktor", der weiß, wozu das Honda-Werksteam und der talentierte Spanier fähig sind.


Fotos: MotoGP in Mugello


"Sicher haben sie momentan einige Schwierigkeiten. Die Balance der Maschine stimmt wohl nicht", grübelt der WM-Führende. "Doch sie können sehr schnell zurückschlagen. Das kann binnen einer Woche passieren. Er kann plötzlich wieder so stark sein wie im vergangenen Jahr. Es ist also sicher noch nicht vorbei für ihn."

Landsmann Andrea Iannone sieht die Situation ähnlich wie die beiden Yamaha-Werkspiloten. "Sicher ist Marc noch ein WM-Kandidat. Er ist ein sehr starker Fahrer. Ich bin überzeugt, dass Honda das Motorrad noch verbessern kann. Nichts ist unmöglich, weil er ein sehr starker Fahrer ist", analysiert Iannone, der durch den zweiten Platz in Mugello in der Meisterschaft an Marquez vorbeiziehen konnte und als WM-Vierter nach Barcelona reist.