• 11.01.2011 16:36

  • von Dieter Rencken

Hayden: "Valentino ist eine große Herausforderung"

Nicky Hayden will in seiner dritten Ducati-Saison an alte Erfolge anknüpfen - Im Interview spricht der Champion von 2006 über sein Verhältnis zu Valentino Rossi

(Motorsport-Total.com) - Nicky Hayden geht 2011 in seine dritte Saison mit Ducati. Der Weltmeister von 2006 hat sich nach einer schwachen ersten Saison im vergangenen Jahr deutlich gesteigert. Diesen Trend will der US-Amerikaner fortsetzen. Mit Valentino Rossi hat er einen neuen Teamkollegen bekommen. Bereits 2003 waren die beiden Teamkollegen bei Honda und haben 2006 gegeneinander um den WM-Titel gekämpft. Bei der traditionellen Wrooom-Veranstaltung in Madonna di Campiglio hat Hayden über Rossi und seine Erwartungen für die neue Saison gesprochen.

Titel-Bild zur News: Nicky Hayden

Nicky Hayden will über den Winter den Sprung zurück an die Spitze schaffen

Frage: "Wie siehst du die Entwicklung deiner Karriere bei Ducati, und was erwartest du für die kommende Saison?"
Nicky Hayden: "Es ist besser und besser geworden. Ich fühle, dass wir stark gewachsen sind. Das Motorrad hat sich verbessert und meine Beziehung zum Team ist besser und besser geworden, vor allem die Kommunikation. Wir haben einen offensichtlichen Schritt vom ersten zum zweiten Jahr gemacht. Ich hoffe, uns gelingt für dieses Jahr das gleiche. Wir sind positiv gestimmt, denn wir wissen, dass wir eine gute Maschine haben und ein gutes Team sind. Also schauen wir mal, was wir tun können, wenn es losgeht. Es kommen jetzt wichtige Testfahrten, wo wir einige Feinheiten verbessern wollen, aber wir haben bereits ein gutes Paket."

Frage: "Bist du mit der technischen Entwicklung zufrieden? Werdet ihr konkurrenzfähig sein?"
Hayden: "Oh ja. Gegen Ende der vergangenen Saison hat sich das Motorrad deutlich verbessert. Casey hat einige Rennen gewonnen, aber wir wollen uns weiter verbessern. Ich bin mir sicher, dass das jeder will. Wir haben einige Ideen. Ich war gestern in Bologna und habe mit den Ingenieuren gesprochen. Sie geben Vollgas und arbeiten hart."


Fotos: Ducati-Wrooom in Madonna di Campiglio


"Wir haben kein radikal anderes Motorrad, denn wir brauchen das nicht, aber es gibt sicherlich einige Bereiche, in denen wir uns verbessern wollen. Der Fahrer muss seinen Beitrag leisten und sich auch verbessern. Ich bin gespannt auf das neue Bike. Nun müssen wir noch bis Monatsende warten, dann geht es am 1. Februar los. Dann bekommen wir in Malaysia einen ersten richtigen Eindruck. Bis dahin gibt es viel Arbeit zu tun."

Frage: "Wie wird die Zusammenarbeit mit Rossi ablaufen? Habt ihr schon viel miteinander gesprochen?"
Hayden: "Nicht so viel eigentlich. Soweit ich weiß, sind seine Aussagen meinen sehr ähnlich. Ich freue mich auf seine Informationen und sein Feedback. Er ist schon lange dabei, hat viel Erfahrung und ist kein Idiot. Er weiß was er tut, also können seine Erfahrung, er selbst und seine Jungs das Motorrad verbessern. Als ich vor einem Monat in Bologna war, haben seine Jungs gerade die Maschinen aufgebaut. Die Beziehung zwischen seinem und meinem Team scheint gut zu sein. Ich freue mich auf seinen Einfluss."

Die Front der Ducati verlangt Verbesserungen

Frage: "Im vergangenen Jahr hatte Casey viele Probleme mit der Front und ist einige Male über das Vorderrad gestürzt. Es schien so, als hättest du diese Schwierigkeiten nicht. Wie war das wirklich? Valentino schien sich auch darüber zu beschweren. Was denkst du über dieses Thema?"
Hayden: "Das ist sicher ein Bereich, den wir verbessern wollen. Casey hatte mit dem Gefühl für den Vorderreifen einige Probleme. Ich bin aber auch einige Male zu Boden gegangen, ich glaube öfter in einer Saison als jemals zuvor. Wir konzentrieren uns darauf, die Front besser zu verstehen und ein besseres Gefühl zu haben, damit es etwas mehr Spielraum gibt, sollte der Vorderreifen wegrutschen. Manchmal hatten wir auch Schwierigkeiten beim Einlenken, speziell wenn man nicht bremst. Sehr oft hatten wir in Kurven zu kämpfen, wenn man das Gas geschlossen hat und die Bremse nicht dazu benutzt hat, die Front zu halten. Es hat nicht gut gesteuert. Das ist also ein wichtiger Bereich."

Frage: "In den ersten beiden Jahren ist es dir nicht leicht gefallen, dich an das neue Team und das Motorrad zu gewöhnen. Jetzt im dritten Jahr wird es mit Rossi als Teamkollegen schwieriger denn je. Ist das frustrierend, oder bist du zuversichtlich, dass du ihn schlagen kannst?"
Hayden: "Ich freue mich darauf. Wie gesagt, wir haben einige Änderungen vorgenommen. Wir feilen weiter an den Details und ich bekomme einige Ingenieure extra, die mir helfen. Um mich herum ist ein starkes Team, gut Leute. Teamkollege von Rossi zu sein ist nie leicht, aber mich belastet das jetzt nicht zu sehr. Ich konzentriere mich auf meinen Job, auf meine Seite. Deshalb wird es mit uns beiden funktionieren."

"Er bringt viel mit. Es ist offensichtlich was man erhält, wenn man jemanden zur Seite gestellt bekommt, der so viele Rennen wie er gewonnen hat. Es wird sich auf meine Seite der Garage aber nicht sehr auswirken. Ich freue mich auf die Herausforderung, aber es wird nicht leicht. In diesem Sport wirst du immer an einem starken Teamkollegen gemessen. Natürlich will ich nicht vernichtet werden, also muss ich Gas geben."

"Es wird eine große Herausforderung für mich, auf die ich mich freue. Es wird Spaß machen, denn ich kenne unser Team. Die Motivation in Italien ist hoch, die Spannung für die Fans ist hoch. Ich kann mir die Atmosphäre vorstellen, wenn wir in Mugello fahren. Ich denke, es ist eine aufregende Phase für das Team."

Offenes Verhältnis mit Valentino Rossi

Frage: "Du hast gesagt, dass Valentino ähnliche Aussagen wie du getroffen hat. Hast du mit ihm über das Motorrad geredet? Erwartest du Diskussionen mit Valentino?"
Hayden: "Wir haben ein bisschen gesprochen. Ich meine, wir haben uns nicht hingesetzte, die Türen geschlossen und ein ernsthaftes Meeting gehabt. Wir haben allgemein über Details der Maschine geplaudert. Es hat sich wie eine offene Beziehung angefühlt und nicht anders als es früher mit Valentino, oder einem anderen Teamkollegen, war. Einfach normale Gespräche eben."

Valentino Rossi, Nicky Hayden

Valentino Rossi und Nicky Hayden haben sich über die Ducati GP11 unterhalten Zoom

Frage: "Seid ihr damals bei Honda ähnliche Abstimmungen gefahren? Habt ihr den gleichen Arbeitsstil gepflegt?"
Hayden: "Ich habe zuletzt in Valencia an die Zeit zurückgedacht. Ich war damals ein Rookie und alles war neu für mich. Wir hatten eine gute Basis zusammen. Damals musste man an der Honda nicht viel ändern. Man hatte sie aufgetankt, die Reifen aufgezogen und ist gefahren. Seither hat sich in der MotoGP viel geändert. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, speziell mit der Elektronik. Ich würde sagen, dass es damals eher ein Superbike-Stil war. Man hat nur Kleinigkeiten verändert. Ich glaube, alle Hondas sind damals ziemlich mit der gleichen Abstimmung gefahren."

Frage: "Du warst jetzt ein Monat lang daheim. Hast du dich speziell auf die neue Saison vorbereitet?"
Hayden: "Nach Valencia hatte ich eine kleine Operation am Handgelenk, denn ich hatte einen Kanal in der Handwurzel. Schon früher in meiner Karriere hatte ich einen Eingriff wie diesen. Im vergangenen Jahr ist mir in einigen Rennen die Hand eingeschlafen. Dann spürst du natürlich den Gasgriff und die Bremse nicht so gut. Ich habe das jetzt richten lassen. Es war aber nur eine Kleinigkeit. Anschließend habe ich mich normal auf die Saison vorbereitet und trainiert."

Frage: "Du hast gesagt, dass es mehr Ingenieure bei Ducati geben wird. Sind künftig mehr Leute an der Strecke in der Garage?"
Hayden: "Ich würde nicht sagen, dass das super wichtig ist, aber ich habe eine weitere Person auf meiner Seite der Garage. Einige Jungs vom Superbike-Team sind zu uns gestoßen, die ein neues Betätigungsfeld gesucht haben. Mit Karel Abraham gibt es eine zusätzliche Ducati. Einer von vier Leuten ist zu ihm gegangen. Je fortgeschrittener die Motorräder werden, desto mehr Leute braucht man."

Martinez bleibt Chefmechaniker

Frage: "Bleibt Crewchief Juan Martinez bei dir?"
Hayden: "Absolut. Juan ist mein Chefmechaniker. In meinem ersten Jahr konnten wir die Wintertestfahrten nicht gemeinsam absolvieren, also hat das im zweiten Jahr wirklich geholfen. Es ist das eine, wenn man sich am Saisonstart kennenlernt, aber es hat wirklich geholfen, im Winter ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln. Wir stehen viel in Kontakt. Seit Valencia unterhalten wir uns häufig und die Chemie ist wirklich gut. Ich habe einen guten Mechaniker in meiner Ecke und er wird sicher bleiben."

Frage: "Ab dem 1. Februar gehen die Tests in Sepang los. Werdet ihr weiterhin mit verschieden großen Vordergabeln experimentieren? Steht das noch auf der Agenda, oder ist die Größe und der Durchmesser bereits festgelegt?"
Hayden: "Die Größe ist fixiert."

Frage: "Und der Durchmesser?"
Hayden: "Wir haben die Saison mit der 2011er-Gabel beendet."

Frage: "Du meinst die Gabel von Valencia?"
Hayden: "Ja."

"Ich erwarte keine Mauer in der Mitte, denn das passt nicht zu Ducati." Nicky Hayden

Frage. "Entschuldige für eine weitere Frage zu Valentino. Mich würde nur deine Sicht der Dinge interessieren: Im vergangenen Jahr hat Valentino die Daten nicht mit seinem Teamkollegen geteilt. Gab es Gespräche darüber, wie es bei euch ablaufen wird? Was ist deine Einstellung diesbezüglich?"
Hayden: "Wir haben bisher nicht darüber gesprochen. Ich sehe das ziemlich offen. Wie gesagt, in Valencia war die Chemie zwischen den beiden Seiten der Garage sehr offen. Ich erwarte keine Mauer in der Mitte, denn das passt nicht zu Ducatis Arbeitsstil, zur Mentalität. Nicht nur in unserem Team, sondern auch die Ingenieure der Kundenteams arbeiten zusammen."

"Natürlich will man unterschiedliche Dinge zu anderen Zeitpunkten, aber ich sehe die Situation ziemlich gut. Ich glaube, wir werden zusammenarbeiten, wenn es notwendig ist. Von den Satellitenteams bis zur Werksmannschaft ist Ducati ein offenes Buch. Alle Ingenieure arbeiten aus dem gleichen Truck. Das ist eine positive Sache bei Ducati. Wir sind kleiner als einige andere Hersteller, aber Ducati macht das mit Teamarbeit und der Einstellung wett. Es herrscht eine gute Atmosphäre."

Big Bang die angestrebte Motorspezifikation

Frage: "Welchen Rat würdest du Karel Abraham für sein MotoGP-Debüt mit auf den Weg geben?"
Hayden: "Ich bin kein Trainer, also werde ich ihm wahrscheinlich nicht viel helfen können. Es ist ein großer Schritt, aber Abraham hat gegen Ende der vergangenen Saison viel gezeigt. Ich meine Motegi, wo er in der letzten Runde noch das Podium gegen de Angelis geholt hat. Das war nicht leicht. Und der Sieg in Valencia natürlich. Es wird interessant sein zu sehen, wie er sich schlägt. Er hat nicht viel Erfahrung, aber er ist schnell. Ich würde sagen, dass er aus den Wintertests so viele Vorteile wie möglich ziehen soll. Er soll das Team und das Motorrad kennenlernen. Er wird definitiv wie ein Wildcard-Fahrer sein. Wir werden sehen, ob er diesen Schritt schafft."

Frage: "Reden wir über die Motorenspezifikation. Es wurde noch nicht final entschieden, ob du mit dem Big Bang oder dem Screamer fahren wirst. Ist die Entscheidung gefallen, oder wird in Malaysia noch damit experimentiert werden?"
Hayden: "Ich glaube, wir werden beide Optionen in Malaysia haben. Der Plan sieht aber den Big Bang vor. In Valencia bin ich die meiste Zeit über damit gefahren. Der Screamer hat in einigen Bereichen Vorteile, aber wir müssen das Beste für 18 verschiedene Rennen, 18 verschiedene Bedingungen und unterschiedliche Strecken finden. Im Moment glauben wir, dass der Big Bang die richtige Wahl ist."

Frage: "Abgesehen von Valentino, wer wird dein härtester Rivale sein?"
Hayden: "Es gibt keine schlechten Fahrer in der MotoGP. Im Moment ist Lorenzo der Mann, denn er hat den Titel. Aber wenn man sich die Liste ansieht, dann sind alle solide Wettbewerber. Niemand schläft, weshalb ich die MotoGP so liebe. Es wird eine große Herausforderung in diesem Jahr. Ich schließe niemanden als Rivalen aus, denn sie sind alle starke Bewerber."