Gresini: Großangriff in allen Klassen

Das Gresini-Team fährt in der Saison 2012 mehrgleisig: Prototyp und CRT-Bike in der MotoGP-, je ein Motorrad in der Moto2- und Moto3-Klasse

(Motorsport-Total.com) - Drei Jahre nach seinem Rücktritt vom aktiven Rennsport kehrte Fausto Gresini in der Saison 1997 im Alter von 36 Jahren in neuer Funktion als Teamchef in die Motorrad-Weltmeisterschaft zurück. "Nach meinem Rücktritt als Fahrer wurde mir sehr schnell klar, dass ich diesen Sport noch immer viel zu sehr liebe, um ihn aufzugeben", erinnert sich Gresini und erklärt rückblickend sein Motiv für den Wechsel an den Kommandostand: "Ich dachte mir, es ist besser, ein junger Teamchef zu sein als ein alter Fahrer."

Titel-Bild zur News: Alvaro Bautista

In Erinnerung an Simoncelli fährt Gresini in der MotoGP-Saison 2012 in Schwarz

In seiner Premierensaison als Chef seines eigenen Teams suchte sich Gresini mit seinem Fahrer Alex Barros gleich die 500er- und somit die damalige Top-Klasse aus. Im weiteren Verlauf seiner Laufbahn setzte der Italiener auch in den kleineren Klassen Motorräder ein. Doch für Gresini war das Leben als Teamchef nicht immer einfach.

Neben zahlreichen Siegen, die seine Motivation weiter förderten, musste er auch den tragischen Verlust zweier seiner Fahrer hinnehmen, die beide das Zeug zu kommenden MotoGP-Superstars hatten. In Suzuka 2003 erlitt der Japaner Daijiro Kato bei einem Sturz eingangs der Casio-Schikane derart schwere Verletzungen, dass er diesen wenige Tage später erlag. Im Oktober des vergangenen Jahres verunglückte Marco Simoncelli in Sepang tödlich.


Fotos: Gresini, MotoGP-Tests in Sepang


Trotz des schweren Rückschlags vor wenigen Monaten geht Gresini die Saison 2012 so ambitioniert wie selten an. Das im italienischen San Clemente stationierte Team setzt in diesem Jahr in allen drei Klassen mindestens ein Motorrad ein. In der Moto3-Klasse greift Niccolo Antonelli in den Lenker einer Honda. In der Moto2-WM pilotiert Gino Rea eine Moriwaki. In der MotoGP-Klasse fährt Gresini zweigleisig und setzt mit Alvaro Bautista eine aktuelle Honda RC213V sowie mit Michele Pirro eine FTR-Honda auf CRT-Basis ein.

Gresinis CRT-Bike in dieser Woche erstmals auf der Strecke

"Da sowohl das Moto3- als auch das CRT-Bike etwas völlig neues sind, haben wir noch ein paar Probleme zu lösen", gesteht Gresini knapp einen Monat vor dem Saisonauftakt (8. April) in Katar. "Für die Moto3-WM fehlt uns derzeit noch ein Kit. Wir arbeiten daran, aber uns fehlen noch Teile. Unser CRT-Bike bauten wir Ende Februar erstmals zusammen. Auch dort liegen wir etwas hinter dem Zeitplan."

Michele Pirro

Michele Pirro geht am Freitag in Imola erstmals mit dem CRT-Bike auf die Strecke Zoom

Der Grund, warum sich Gresini für ein CRT-Bike anstelle eines zweiten Prototypen entschied, liegt für den Teamchef auf der Hand. "In der MotoGP-WM steigen die Kosten seit vier, fünf Jahren stetig an. Für die Dorna war es wichtig, einen neuen Weg einzuschlagen, weil klar war, dass die Hersteller keine zusätzlichen Maschinen einsetzten würden." Ohne die Öffnung hin zu den CRT-Bikes, die mit frisierten Superbike-Motoren auf die Strecke gehen, wären die Tage der MotoGP-WM laut Gresini bereits jetzt gezählt.

Ob der neue Weg tatsächlich zum Erfolg führt, müsse man abwarten. "Ich weiß noch nicht, ob es gut oder schlecht ist", rätselt Gresini und gesteht: "Es ist klar, dass die CRT-Bikes keine Bäume ausreißen werden. Meiner Ansicht nach ist es im Moment aber wichtiger, ein volles Starterfeld und somit die Chance für einen Neustart zu haben."

Von Freitag bis Sonntag dieser Woche wird Pirro die FTR-Honda im Zuge eines Privattests in Imola erstmals auf der Strecke bewegen. "Wo Schatten ist, da ist auch Licht. Wären wir zum Aragon-Test gereist, hätten wir angesichts der niedrigen Temperaturen und der starken Winde nicht sehr viele Daten sammeln können. Jetzt beginnt unser Abenteuer in Imola, der Stadt von Fausto Gresini", wird MotoGP-Debütant Pirro von 'MotoGP.com' zitiert.

Bautista soll über den Verlust Simoncellis hinweghelfen

In Bezug auf das Werksmotorrad, das ursprünglich für Simoncelli vorgesehen war und nun von Bautista pilotiert wird, fällt es Teamchef Gresini nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. "Es ist ganz sicher eine seltsame Geschichte. Nach dem Tod von Marco wollte ich nicht wieder einen italienischen Fahrer haben", gesteht er und erklärt: "Dazu fühle ich mich im Moment nicht bereit. Es wird Zeit brauchen, bis ich wieder einen Italiener auf Marcos Bike setze".

"Ich arbeite schon sehr lange an und mit Motorrädern, inzwischen ist die Situation aber eine andere", setzt Gresini fort. "Marcos Tod hat viele Dinge verändert. Derzeit verspüre ich nicht mehr die große Liebe zu diesem Sport. Ich erledige meine Arbeit nach wie vor gern, aber an die Strecken zu kommen, fällt mir nicht leicht."

Alvaro Bautista

Alvaro Bautista kämpfte in Sepang noch mit der 1.000er-Honda RC123V Zoom

Bautista selbst vermisst nach den ersten Testfahrten auf der 1.000er-Honda noch das richtige Gefühl für sein neues Arbeitsgerät. "Ich bin mit dem Motorrad noch nicht bei 100 Prozent angelangt", gesteht der Spanier, der den zweiten Sepang-Test als Siebter der Zeitenliste abschloss, gegenüber 'Motor Cycle News'.

Nachdem der ehemalige 125er-Weltmeister bisher maximal mit 800 Kubikzentimeter-Maschinen unterwegs war, kann er das volle Potenzial der Honda RC213V noch nicht ausschöpfen. "Ich muss noch an der Umstellung meines Fahrstils arbeiten und brauche noch mehr Kilometer", sagt er. "Mein Ziel ist es natürlich, mit den Jungs an der Spitze mitzuhalten. Derzeit fällt es mir aber noch schwer zu sagen, ob das möglich ist." Bei den anstehenden Testfahrten in Jerez (23. bis 25. März) hat Bautista die letzte Gelegenheit vor dem Saisonstart, sich auf die 1.000er-Honda einzuschießen.