• 29.02.2016 14:02

  • von Daniel Halder

Cortese vor Moto2-Saison: "Werde stark zurückkommen"

Der IntactGP-Pilot über enttäuschende Jahre, Verletzungen und Kritik an seiner Person - Für 2016 sieht er sein Team stärker denn je

(Motorsport-Total.com) - Seit 2013 fahren Sandro Cortese und das IntactGP-Team gemeinsam in der Moto2-Weltmeisterschaft. Zwei dritte Plätze sprangen als beste Resultate heraus, im vergangenen Jahr schloss Cortese die Meisterschaft auf einem enttäuschenden elften Rang ab. Teamgründer Stefan Keckeisen nimmt kein Blatt vor den Mund und sprach davon, die Ziele im selbstgesteckten Dreijahres-Plan nicht erreicht zu haben. Ende der 2015er-Saison hagelte es sogar von Teammanager Jürgen Lingg Kritik an Cortese.

Titel-Bild zur News: Sandro Cortese

Sandro Cortese steht 2016 bei IntactGP besonders unter Druck Zoom

Für sein viertes Jahr im IntactGP-Team hatte der 26-Jährige also einige Hausaufgaben zu erledigen. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' zeigt sich der Moto3-Champion von 2012 nachdenklich und kämpferisch zugleich. Warum er manche Kritik als ungerechtfertigt empfindet und er sich für die neue Saison stark wie nie fühlt, verrät er hier.

Frage: "Wie ist dein erster Eindruck der 2016er-Kalex?"
Sandro Cortese: "Gut. Wir sind bisher drei Testtage gefahren. Es hat sich nicht allzu viel verändert zum Motorrad des letzten Jahres. Einen kleinen Unterschied merke ich bei der Steifigkeit und der besseren Bremsstabilität. Kalex hat über den Winter einen tollen Job gemacht, das Bike fühlt sich gut an und ist schnell."

Frage: "Bei den privaten Tests in Jerez habt ihr wegen Regen einen Tag verloren. Wie gravierend ist das für euer Programm."
Cortese: "Es war okay. Wir haben bis zum Saisonstart am 20. März noch sechs Testtage. Das sollte reichen. Wir werden versuchen, in einen guten Rhythmus zu kommen, noch ein paar Dinge am Setup ausprobieren und am Feinschliff arbeiten. Außerdem werden wir beim IRTA-Test in Jerez dann das erste Mal mit der Konkurrenz zusammen fahren und einen guten Eindruck bekommen, wo wir stehen."

Frage: "Du bist beim Test in Jerez einmal gestürzt. Hat das Auswirkungen auf dein Selbstbewusstsein?"
Cortese: "Überhaupt nicht. Das war ein ganz harmloser Sturz, mir ist nichts passiert. Ich bin eineinhalb Stunden später schon wieder gefahren und habe mich dann noch um eine Sekunde gesteigert. Daran sieht man, wie viel Luft momentan noch nach oben vorhanden ist. Je öfter ich auf dem Motorrad bin, desto lockerer und schneller werde ich."

Frage: "Am 20. März startet die Saison in Losail. Was hast du dir vorgenommen?"
Cortese: "In erster Linie ist mein Ziel, die Konstanz reinzubringen, die bisher gefehlt hat. Erst danach können wir über andere Dinge nachdenken. Darum geht es jetzt auch in der Testarbeit: Wir arbeiten ganz konzentriert daran, konstant schnell zu sein. Wenn das gelingt, dann kommen die Erfolge von ganz allein."


Team-Präsentation IntactGP

Frage: "Wie arbeitet man an der Konstanz?"
Cortese: "Rausgehen und fahren, fahren, fahren... (lacht; Anm. d. Red.). Versuchen, das Tempo zu finden und hochzuhalten und dadurch Selbstvertrauen und das Gefühl für die Maschine zu bekommen."

Frage: "Du und das Team gehen gemeinsam ins vierte Jahr in der Moto2. Eines fehlt noch: der erste Sieg. Wie sehr setzt du dich dafür unter Druck?"
Cortese: "Sicher ist: Ich werde solange arbeiten, bis der Sieg kommt. Den Druck habe ich schon immer, seit ich als 15-Jähriger in die Weltmeisterschaft eingestiegen bin. Ich kenne das nicht anders..."

Heftige Kritik - "Weiß, dass ich alles für den Rennsport gebe"

Frage: "Dein Teammanager Jürgen Lingg hat dich Ende vergangener Saison kritisiert und sprach davon, dass du dich zu leicht ablenken lässt. Wie gehst du damit um?"
Cortese: "Ich muss mit Kritik leben können. Berechtigte Kritik nehme ich mir auch zu Herzen. Oft werden Dinge aber bewusst umgedreht oder in den Medien hochgepusht. Ich weiß selbst genau, was ich gut und was ich schlecht mache. Fakt ist: Die letzten drei Jahre waren für mich und das Team nicht erfolgreich. Das heißt aber nicht, dass ich schlecht bin oder das Team schlecht ist. Oder ich schlecht und das Team super oder umgekehrt. Wir gewinnen und verlieren zusammen. Und wenn man nicht gewinnt, dann haben Team und Fahrer irgendetwas falsch gemacht. Es hat viele Umstrukturierungen bei uns gegeben, viele neue Techniker und es hat drei Jahre lang nicht geklappt. Wir haben Highlights gehabt, gute Startplätze und Podestplatzierungen - aber die Konstanz hat gefehlt. Das ist Tatsache. Wer behauptet, ich ließe mich schnell ablenken, wer sich irgendwas aus den Haaren zieht... na ja, ich kenne mich und weiß, dass ich für den Rennsport alles gebe."

Frage: "Dann weist du die Kritik also zurück?"
Cortese: "Natürlich haben wir nicht gewonnen und sind nicht zufrieden. Aber wenn du im Fahrerlager alle fragst, wie es läuft, dann sagen Dir 90 Prozent, dass sie nicht zufrieden sind. Weil sie nicht gewinnen. Die Topfahrer - und dazu zähle ich mich - geben alles für den Rennsport. Es gibt aber ganz viele Nebenfaktoren: Die Moto2 ist für mich die härteste von allen drei MotoGP-Klassen überhaupt. Da kann von Platz eins bis Platz 20 jeder gewinnen. Hinzu kommt: Ich war fast drei Jahre in Folge verletzt - das ist keine Ausrede sondern Fakt. Ich bin in Doha 2014 topfit angekommen, hatte eine super Wintersaison. Mir haben nur ein paar Tausendstel auf die Pole-Position gefehlt und dann breche ich mir das Fersenbein. Ich weiß, dass das keinen interessiert, aber ich muss trotzdem erst mal damit klar kommen, muss mich zurückkämpfen und zu alter Stärke finden. Ein Jahr später war ich wieder topvorbereitet und breche mir das Sprunggelenk - wieder ein Jahr vorbei. Jetzt kann ich sagen: Ich bin im Moment topfit und mental stark wie nie. Jede Kritik, jede Niederlage hat mich nur stärker gemacht."


Jonas Folger über Moto2-Test in Valencia

Jonas Folger fuhr in Valencia den Moto2-Test auf einer Kalex des Intact-Teams, der Deutsche wechselt nach Saisonende das Team Weitere Motorrad-Videos

Frage: "Das heißt, du änderst nichts an deiner Herangehensweise?"
Cortese: "Überhaupt nichts! Ich mache dasselbe Konditionstraining wie immer, bereite mich vor und habe meinen Freundeskreis und meine Familie, die mich in guten und schlechten Zeiten unterstützen. Ich bin Rennfahrer, ich will gewinnen und ich werde alles dafür geben, dass wir dieses Ziel so schnell wie möglich erreichen. Bei mir dauert es manchmal vielleicht ein bisschen länger, aber ich gehe meinen Weg. Ich musste immer meine eigenen Entscheidungen treffen und dafür gerade stehen. Manchmal ist es gut gelaufen und manchmal schlecht. Wenn man die falsche Entscheidung getroffen hat, dann ist ganz schnell auch mal ein Jahr vorbei. Ich hatte zum Beispiel nie einen Mentor, der mir Tipps gegeben hat - wie es jetzt bei den jungen Fahrern der Trend ist. Ich denke, dass ich viel aus meinen Fehlern gelernt habe. Deshalb bin ich mir sicher, dass ich stark zurückkommen werde - der Zeitpunkt dafür ist da!"

Zahlreiche Verletzungen: "Aufgeben kommt nicht in Frage"

Frage: "Hättest du dir manchmal so einen Mentor in Deiner Karriere gewünscht?"
Cortese: "Jeder wünscht sich in gewisser Weise jemanden zu haben, der einem ein bisschen was abnimmt. Jemand, der sagt, gehe nicht in dieses Team, konzentriere Dich ein bisschen mehr auf dies und jenes. Oder auch mal als ganz junger Fahrer einen, der mir gesagt hätte, gehe nicht auf diese Veranstaltung, die ist nicht so wichtig, ruhe dich lieber aus. Auf der anderen Seite möchte ich keine Erfahrung, die ich selbst gemacht habe, heute missen. Irgendwann gibt es auch mal ein Leben nach der Motorrad-Karriere. Das was ich jetzt gelernt habe, nimmt mir dann keiner mehr."

Frage: "Du hast von Rückschlägen und Verletzungen gesprochen, von einigen Enttäuschungen. Gab es Momente in deiner Karriere, in denen es schwer fiel, die Motivation zu halten?"
Cortese: "Es war schwierig, ja. Wenn ich nicht im Kopf so stark gewesen wäre... Manch einer wäre jetzt vielleicht schon zuhause. Man kämpft und kämpft und sieht, dass sich langsam der Erfolg einstellt - und dann wirft dich eine Verletzung zurück. Der Bruch der Speiche nach der Sommerpause 2013 war ein großer Rückschlag. Im Dezember kam dann die Platte raus, ich hatte eine super Vorbereitung für die 2014er-Saison, war bei allen Tests unter den ersten Drei, bin topfit und verletze mich am ersten Rennwochenende wieder. Man muss dann schon ein ganz starkes Selbstbewusstsein und eine gute Mentalität haben. Meine Familie war zum Glück immer für mich da. Ich bin von Natur aus ein Kämpfer. Auch wenn es noch so weh tut, ich gebe nicht auf."

Frage: "Du wirst weiterkämpfen müssen: 2016 bekommst du mit Jonas Folger erstmalig einen Konkurrenten im eigenen Team. Wie gehst du damit um?"
Cortese: "In erster Linie ist es eine Chance für uns zu sehen, wo stehen wir als Team, wo stehe ich als Fahrer? Haben wir in den letzten drei Jahren alles falsch gemacht und wo können wir uns verbessern? Ansonsten ändert sich für mich persönlich nichts. Es gibt über 30 Fahrer in der Moto2, die es zu schlagen gilt, nicht nur meinen Teamkollegen. Ich werde nicht zufrieden sein, wenn ich Jonas geschlagen habe und er Sechster und ich Fünfter bin. Dann haben wir beide nichts geholt. Wir wollen alle besiegen. Dafür werden wir uns gegenseitig pushen. Perfekt ist natürlich, dass wir beide fahrerisch auf dem annähernd selben Niveau sind. Ich denke, unser Team ist in diesem Jahr so gut aufgestellt wie noch nie."


Fotostrecke: Sandro Corteses Weg zum WM-Titel

Frage: "Wie läuft die Kommunikation mit Jonas?"
Cortese: Jeder macht seine Arbeit, hin und wieder werden wir Daten vergleichen, aber das war's dann. Im Moment haben wir ohnehin beide noch so viel Testarbeit auf der Strecke, dass wir noch gar nicht dazugekommen sind zu schauen, was der andere macht."