• 25.05.2012 09:42

  • von Tim Westermann

Mille Miglia: Das schönste Rennen der Welt

Faszination Mille Miglia: Wie das Rennen von Brescia nach Rom und zurück nicht nur Automobil-Enthusiasten, sondern ganz Italien und hunderttausende Fans verzückt

(Motorsport-Total.com) - Sie nennen es "La corsa piu bella del mondo" . das schönste Rennen der Welt. Die Mille Miglia ist heute die renommierteste Oldtimer-Rallye in der Klassiker-Szene. Erstmals wurde die "Mille" im Jahr 1927 ausgetragen - als echtes hartes Straßenrennen. Nuvolari, Moss und Fangio. Sie alle fuhren dieses legendäre Rennen, das in Brescia startet. Bis nach Rom und wieder zurück absolvieren Mensch und Maschine rund 1.600 Kilometer Fahrstrecke. Fans, Tifosi und Automobil-Enthusiasten säumen den gesamten Streckenverlauf.

Titel-Bild zur News: VW Käfer bei der Mille Miglia

Kaum ein Autorennen übt eine so große Faszination aus wie die Mille Miglia

Da hat das Vergnügen viele Facetten. Bei der Mille Miglia prägen Strapazen den Spaß. Die Schultern schmerzen, die Schuhsohlen glühen, die Hände sind taub von Lenkradkurbelei und Schaltorgien. In den Coupe-Cockpits wabern Sauna-Hitze von 60 Grad, Öldunst inklusive. Und das über 32 Stunden. An drei Tagen. Die "Mille" ist keine Spazierfahrt. Schon gar nicht im Fahrtwind offener Roadster. Teuer ist die Tour noch dazu. Der Einsatz, eine Tortur für jedes Auto, kann leicht 20.000 Euro kosten. Dennoch rollen in Brescia jedes Jahr 375 historische Sportwagen an den Start.

Mehr Zuschauer als bei jedem anderen Rennen

Mehr werden nicht zugelassen, obwohl alljährlich etwa 1.000 Oldtimer-Eigner aus aller Welt um die Teilnahme kämpfen. Die Anziehungskraft hat Gründe. Es gibt auf der ganzen Welt keine faszinierendere Oldtimer-Rallye. Mehr noch: Die Mille Miglia mobilisiert über eine Million Zuschauer, mehr als jede andere Motorsportveranstaltung.

Die Klassiker-Szene boomt wie nie zuvor. Es gibt kaum eine Stadt ohne Oldie-Tour. Aber was ist das schon gegen eine Mille Miglia, die durch mittelalterliche Städte wie Ferrara und Rom, Siena und Florenz führt?

Mille Miglia in Brescia

Die Volkswagen-Flotte für die Mille Miglia 2012 am Startort in Brescia Zoom

Alle diese rollenden Antiquitäten entstammen noch jener Motorsport-Epoche, die Chronisten heute die heroische nennen. Damals galt der Spruch: "Wer Rennen fährt, der muss damit rechnen, die Heimfahrt in einer Holzkiste anzutreten."

Viele der Renngeräte, die heute die "Mille" bestreiten, waren schon vor 50, 70, 80 Jahren dabei. Auf den endlosen Geraden durch die Po-Ebene, im hügeligen Auf und Ab der Toskana oder im Kurvengewirr des Raticosa-Passes. Ja, genau diesen Mercedes 300 SLR, den jetzt Ex-Rennfahrer Jochen Mass steuert, fuhr im Jahr 1955 Juan Manuel Fangio. In jenem Alfa Romeo 8C 2300 Monza hockte einst Tazio Nuvolari, und in diesem knallroten Ferrari 340 saß schon Alberto Ascari, der Weltmeister von 1952 und 1953, und in diesem Bugatti 35 saß Louis Chiron. Derartige Autos sind Kostbarkeiten wie ein Monet oder Picasso. Längst treibt das Prädikat "Mille-Miglia-tauglich" die Preise in schwindelnde Höhen.

Diese Geschichtsträchtigkeit, diese historische Nähe gibt es sonst nirgends. Die brodelnde Begeisterung auch nicht. Ferrara nachts um 0:30 Uhr: Hier wird die Etappenankunft wie eine Theaterpremiere zelebriert. Zehntausende drängen sich im Stadtkern. Schlemmerzelte, Bars und Restaurants sind brechend voll. Die Lichtkegel aus den Scheinwerfern der alten Boliden strahlen lachende Menschen an, die den Fahrern auf die Schultern klopfen, ihnen die Hände schütteln.

Ganz Italien fiebert mit

Die Bilder gleichen sich. Ob in Verona, Siena, Orvieto oder tief in den Abruzzen: Tausende harren an den Straßenrändern. Überall werden Kameras hochgehalten. Kinder haben schulfrei und winken mit VW- oder Audi-Fähnchen. Mädchen blinkern aufmunternd, alte Männer krächzen "bella macchina", und manchmal bahnt sogar ein Priester mit wehender Soutane den Autos den Weg vorm Kirchenportal.

Die Carabinieri rufen selbst bei roter Ampel aufmunternd "avanti". Und sie helfen, wenn Motoren überhitzt sind. Sie feuern den bunten Tross von ihren Motorrädern aus zu mehr Tempo an und verwandeln - mit Blaulicht vorweg - die Mittelstreifen der Straßen zur dritten Spur. Die Mille Miglia ist Italiens Volksfest: "La corsa pio bella del mondo" - das schönste Rennen der Welt.


Fotos: Mille Miglia


Aber was sind das für Leute, die da mitfahren? Sie kommen aus rund 25 Ländern, selbst aus Argentinien, Australien und Japan. Bunte Typen und Biedermänner, Topmanager und Rennfahrer, Spinner und Bastler, Künstler, Adelige und schicke Frauen. Ihrer aller Lebensgeschichte mag so schillernd sein wie die Historie ihrer Autos. Was sie verbindet, ist die Liebe zu seltenen Sportwagen, die 120.000 Euro kosten wie ein Porsche von 1956 oder acht Millionen Euro wie ein Ferrari aus dem Jahr 1952.

Längst haben auch die Automobilhersteller diese Gala, als Weltbühne erkannt - allen voran Volkswagen. Glücklicherweise. Nur so kann die Mille Miglia überleben. So schickte der VW-Konzern wie im vergangenen Jahr eine ganze Armada klassischer Fahrzeuge seiner traditionsreichen Konzernmarken mit prominenten Besatzungen auf die Strecke.

Hackenberg: Racing im Blut

Ob 24-Stunden-Rennen, Testfahrten mit dem WRC-Polo unter Einsatzbedingungen oder Oldtimer-Rallyes wie Sachsen Classic und Silvretta: Volkswagens Technik-Vorstand Ulrich Hackenberg ist ein Vollblut-Racer. Er pilotierte einen der drei von Volkswagen Classic eingesetzten Käfer auf der Mille Miglia. "Das Auto läuft gut, schnell und macht richtig Spaß", resümierte Hackenberg knapp nach der zweiten Etappe in Rom. Ein Lob an die unermüdlich und engagiert arbeitende Truppe von Volkswagen Classic.

Sie haben die drei alten Volkswagen für die diesjährige Mille Miglia in Wolfsburg aufgebaut. Während der scharf gefahrenen "Mille" sorgten die Mechaniker und Serviceteams um Michael Winkler für die einwandfreie Funktionsfähigkeit dieser alten Renn-Käfer. Neben Hackenberg starteten auch Michael Macht, Konzernvorstand für Produktion und Werke bei Volkswagen und der Chef des Designcenters Potsdam, Stefan Sielaff, mit den zwei anderen luftgekühlten Volkswagen.

Ulrich Hackenberg und Michael Macht

Ulrich Hackenberg und Michael Macht waren dieses Jahr mit von der Partie Zoom

Und die Modelle aus Wolfsburg bewiesen eindrucksvoll, dass sie laufen und laufen und laufen ... Alle Autos erreichten nach rund 1.500 Kilometern das Ziel mit Topzeiten. Wie schon vor 80 Jahren ist die Mille Miglia im Prinzip ein legitimiertes Gumball-Rennen.

"Wir sind sehr zufrieden mit dem diesjährigen Ergebnis. Alle Autos haben durchgehalten", wirft der Leiter von Volkswagen Classic, Eberhard Kittler, seinen Blick auf das große Konzernengagement bei diesem Rennen. Die Volkswagen-Gruppe präsentierte sich nämlich neben den historischen Einsatzfahrzeugen mit Rennern aus der aktuellen Modellpallette seiner emotionalen Marken.

Schön: Solch ein Mai-Wochenende verscheucht jegliche Melancholie, über die Welt zu verzweifeln. Hier gibt es keine Debatte, keine Zweifel über das Auto.

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