• 30.05.2011 22:07

  • von Karl Wendlinger

Wendlinger-Kolumne: GT1-Punkte, Formel-1-Spaß und Le Mans

Karl Wendlinger berichtet in seiner neuesten Kolumne über die Stärken des Lamborghinis in der GT1-WM, die Spannung in der Formel 1 und den Speed in Le Mans

Liebe Leser von 'Motorsport-Total.com',

Titel-Bild zur News:

An der aktuellen GT1-Saison habe ich viel mehr Freude als 2010

ich habe den Lamborghini kennen und lieben gelernt. Nach vier Rennwochenenden der aktuellen GT1-Saison habe ich 31 Punkte auf dem Konto. Mal zum Vergleich: In der gesamten vergangenen Saison konnte ich mal gerade zwei Zähler holen. Es sieht heuer also wieder viel besser aus. Bisher waren wir überall ganz gut dabei.

Die vergangenen zwei Auftritte in Portugal und Deutschland waren absolut aufregend. In Portimao haben wir uns den feinen fünften Startplatz geholt, waren richtig schnell. Leider wurde mein Teamkollege Peter Kox aber im Quali-Rennen sofort umgedreht. Wir waren zwischenzeitlich Letzter, konnten aber am Sonntag tatsächlich noch auf Platz fünf wieder nach vorne fahren.

Diese Aufholjagd hat gezeigt, was in unserem Lamborghini steckt, wenn wir mal ohne Zwischenfälle durch das Rennen kommen. Auch am Sachsenring wären sicherlich viele Punkte möglich gewesen, aber da hatten wir leider unsere erste Nullrunde des Jahres. Im Qualifying lief es nicht so toll, im Quali-Rennen ging es nicht richtig voran und im Hauptrennen gab es den Crash.

So etwas ärgert mich immer - nicht nur wegen der verpassten Punkte. Für das Team bedeutet eine solche Kollision sehr viel Arbeit, es muss an vielen Ecken und Enden repariert werden. Letztlich kann man aber nicht mehr viel machen, man muss es akzeptieren und möglichst schnell abhaken.

Unser Auto ist zwar auf der Geraden nicht ganz so schnell wie die Konkurrenz - vor allem Nissan ist da oft unschlagbar. Aber wir sind in den Kurven richtig gut und auch die Traktion mit unserem Murcielago ist ordentlich. Hinzu kommt, dass ich mit Peter Kox einen erstklassigen Teampartner habe, der mit seiner Erfahrung allgemein und speziell mit dem Lambo viel nach vorne bringt.

Wenn man nun auf den Punktestand schaut, dann muss man aber auch noch andere Faktoren berücksichtigen. Man darf nicht vergessen, dass in diesem Jahr die Maseratis nicht mehr dabei sind. Zwei der insgesamt vier Autos waren im vergangenen Jahr immer weit vorne mit dabei. Wenn die also jetzt noch am Start wären, dann gäbe es mehr Konkurrenz. Keine Frage, wir wären dann vielleicht weiter hinten.


Fotos: GT1-WM am Sachsenring


Silverstone: Halbzeit in der GT1-WM

Ich bin aber insgesamt zufrieden. Zum Beispiel waren wir im zweiten Freien Training am Sachsenring auf Platz vier. Das war super. Wir haben es dann im Qualifying nicht mehr so umsetzen können, aber das Signal war sehr gut. Es sind in diesem Jahr noch ein paar Rennen. Ich bin sicher, dass wir dort noch ein paar Mal gut aufzeigen können.

Als nächste Station steht Silverstone auf dem Programm. Die umgebaute Strecke kenne ich schon aus dem Vorjahr. Ich schätze, die sollte unserem Auto eigentlich ganz gut liegen, wenn man mal die zwei etwas längeren Geraden ausklammert. Wir sollten auf jeden Fall wieder Chancen auf viele WM-Punkte haben. Ich bin schon gespannt auf den neuen Boxenkomplex.

Wenn wir Silverstone hinter uns haben, dann ist die erste Hälfte der GT1-Saison schon geschafft. Ich muss sagen, dass in der Serie sehr guter Sport geboten wird. Die Hackordnung verschiebt sich von Strecke zu Strecke jeweils etwas, was es richtig spannend und abwechslungsreich macht. Jedes Auto hat so seine Pisten, auf die es etwas besser passt.

Unser Lambo ist in Kurven stark, auf den Geraden allerdings etwas zu langsam Zoom

Was mich allerdings ein wenig irritiert ist, dass die Einstufungen im Verlauf der Saison so häufig angepasst werden. Zum Beispiel durften Corvette und Ford vor dem Sachsenring etwas Gewicht herausnehmen. Das verstehe ich nicht, denn beide Autos waren vorher absolut konkurrenzfähig gewesen. Ich würde mir mehr Konstanz wünschen.

Wie geht es mit der GT1-WM weiter?

Aber ich will mich nicht beklagen. Wir sind mit unserem Lambo eigentlich gut aufgestellt. Gleichzeitig wäre es aber schön, wenn wir beim Topspeed noch etwas zulegen könnten. Oft können wir im Rennen unsere Reifen etwas schonen, weil wir in den Ecken gut unterwegs sind, aber das nützt letztlich nichts, wenn du auf der Geraden nicht mithalten kannst.

Die kommenden Wochen versprechen insgesamt viel Spannung. Bei uns in der GT1-WM stehen wichtige Entscheidungen für die Zukunft an. Vermarker Stephane Ratel hat angekündigt, dass er spätestens im Juli die Nennliste für das kommende Jahr komplett haben möchte. Ich bin gespannt, welche Autos kommen werden.

¿pbvin|64|3722||0|1pb¿Die Homologationen von Aston Martin und Corvette laufen am Ende des Jahres aus. Es müssen also 2012 neue Autos in die Szene kommen. Mal schauen, was sich ergibt. Ich fände es richtig schön, wenn ab dem nächsten Jahr noch ein paar zusätzliche Marken und Modelle bei uns unterwegs wären.

Für mich persönlich geht es nach unserem Silverstone-Wochenende ganz schnell weiter in Richtung Kanada. Ich werde den Formel-1-Grand-Prix in Montreal als Co-Kommentator des 'ORF' begleiten. Ich war schon in Schanghai am Mikrofon und mache das richtig gern. Die Formel 1 bietet in diesem Jahr nämlich herrlich spannende Rennen.

Formel-1-Reise nach Montreal

Das Spektakel kommt aus meiner Sicht nicht nur durch den verstellbaren Heckflügel zustande. Vor allem die Reifen sind ein wichtiger Faktor. Es gibt viele Boxenstopps, unterschiedliche Strategien, oftmals große Tempounterschiede. Zwar ist es nicht ganz so einfach, dabei den Überblick zu behalten, aber es ist immer viel geboten - super!

Auf Montreal freue ich mich. Da übernehme ich den Part von Alex Wurz, der an dem Wochenende in Le Mans auf die Jagd geht. Das 24-Stunden-Rennen werde ich natürlich aus der Distanz genau verfolgen. Ich bin selbst schon bei diesem Megarennen dabei gewesen. 2008 war ich mit Aston Martin dort.

Darf ich vorstellen: Mein schneller Arbeitsplatz in der aktuellen GT1-Saison Zoom

Damals habe ich mal einen Spaziergang zu den legendären Porsche-Kurven gemacht. Das war unfassbar, wie schnell die LMP1-Prototypen dort sind. Diese Autos haben scheinbar unglaublich viel Abtrieb. Der Geschwindigkeitsunterschied im Vergleich zu den GT-Autos ist enorm. Allein im Porsche-Geschlängel sind da schätzungsweise fünf Sekunden Unterschied.

Die GTE-Szene in Le Mans ist mit all den Werken richtig stark besetzt und was Audi und Peugeot im Kampf um den Gesamtsieg abziehen, ist beeindruckend. 24 Stunden lang geben die Vollgas - ein Wahnsinn. Es stehen also tolle Motorsport-Wochen vor der Tür: Formel 1 in Montreal, der Klassiker in Le Mans und zuerst mal GT1-WM-Punkte für uns in Silverstone.

Drückt mir weiterhin die Daumen!

Karl Wendlinger