• 19.04.2010 15:32

  • von Pit Lane

Der Goldstaub aus dem GT1-Vulkan

Kolumnist Pit Lane hat seine helle Freude an der neuen GT1-Weltmeisterschaft: Tolle Autos, gutes Konzept, weltweite Präsenz und viel Gift

Liebe Freunde zerbeulter Kotflügel,

Titel-Bild zur News: GT1-Starterfeld

Auf dem Gruppenfoto in Abu Dhabi fehlte Natacha Gachnang nach ihrem Crash

endlich bekommen die Traum-Sportwagen wieder eine angemessene Motorsportbühne. Chapeau, Monsieur Ratel, kann ich da nur sagen! Beim Blick auf das Auftaktwochenende der neuen FIA-GT1-Weltmeisterschaft kamen mir fast die (Freuden-)Tränen. Maserati, Lamborghini, Corvette, Nissan, Ford und Aston Martin in einer Rennserie - marvellous! So viel Spaß hatte ich seit dem angedeuteten Boxenkampf zwischen Jarno Trulli und Adrian Sutil in Brasilien nicht mehr...

Und man muss sich mal die Austragungsorte auf der Zunge zergehen lassen: Abu Dhabi ist Pflicht - nicht nur wegen der gigantischen Strecke. Genau dort sitzt die Kundschaft, die sich heutzutage noch einen MC12, Ford GT oder Nissan GT-R leisten kann. Für die Ölmogule ist der Kaufpreis eines solchen Traumautos kaum mehr als ein Flaschenpfand. Es gibt bestimmt ein paar Leute, die sich mal gleich das komplette Starterfeld in die Garage stellen.#w1#

In zwei Wochen darf ich mir die ganze Szene in Silverstone aus der Nähe anschauen. Wo ich damals Jimmy Clark zum Sieg geschrien habe, fahren bald die Petrolheads Bartels, Turner, Dumbreck und Co. um WM-Punkte - cool! Am Ende des Jahres stehen nette Reisen an: Durban, Interlagos und San Luis. Ich bin zwar bekennender Fan klassischer Rennstrecken, aber ich muss ehrlich sagen: San Luis hat es mir sofort angetan.

Viele tollen Marken am Start

Den wunderschönen Sportwagen der bisherigen FIA-GT-Serie das Prädikat der Weltmeisterschaft zu geben, war in Zeiten kriselnder Automärkte das einzig Wahre. Zwar ging die Rechnung erstmal nicht ganz auf, weil nur wenige Hersteller das neue Reglement sofort umsetzen konnten, aber trotzdem hat Stéphane Ratel das für das erste Jahr klug gelöst. Maserati und Co. mussten zurückrüsten, durften dafür aber weitermachen.

Pit Lane

Die neue GT1-WM könnte ein echter Knüller für wahre Racingfans werden! Zoom

So haben wir im Grunde wenigstens eine halbe neue Rennserie. Ich bin ganz sicher, dass sich einige Herren in den Vorstandsetagen der anderen Hersteller ihre Gedanken machen werden. Die DTM muss aufpassen, denn die GT1-WM hat einen Vorsprung, ein breiteres Angebot, ein gutes Rennformat und eben den Status einer Weltmeisterschaft, der sich in der Vermarktung sicher besser macht als ein Titel im Deutschen Tourenwagen-Masters.

Aber - wie immer bei einem Neustart - es gibt auch Baustellen in der neuen GT1-WM. Die "Balance of Performance" ist sofort wieder ein Streitpunkt. Nach einem Rennwochenende schreien die Verlierer laut, die Sieger sind ganz still. Bloß nicht zugeben, dass man vielleicht einen kleinen Vorteil genießt. "Die Corvettes waren bei der Einstufung mal wieder außen vor", klagt einer der Teamchefs, der seine Lamborghinis mehr schlecht als recht über die Runden bekam.

C'mon Mates, bleibt doch mal locker! Sechs verschiedene Hersteller bringen hier sechs völlig unterschiedliche Autos an den Start. Vom 5,6-Liter-Nissan über den V12-Maserati bis zum mächtigen Chevrolet-Brummer ist die Bandbreite verdammt groß. Außer dem Heckantrieb gibt es nicht allzu viele Parallelen zwischen den Autos. Da muss man der Einstufung ein bisschen Zeit lassen. Ich bin sicher, dass man das angehen wird.

Ich finde: Die Einstufung passt doch!

Die FIA und Promoter haben bisher alles Erdenkliche in diese Richtung getan. Es gab Testfahrten, um das Leistungsniveau abzuschätzen. Dabei spielte Petrus den großen Spielverderber. Wie soll man eine "Balance of Performance" im Regen hinbekommen? Geht nicht! Am Mittwoch vor Abu Dhabi hat Heinz-Harald Frentzen seine erfahrenen Renngräten in die Sportschüsseln geschwungen und Vergleichsfahrten gemacht. Ergebnis: Zwischen Platz zwei und Rang 15 im Qualifying gerade mal eine Sekunde. So what?

Mike Hezemans

Die Aufregung um die Einstufung der Corvettes halte ich für etwas übertrieben Zoom

Dass einige Teamchefs laut klagen, ist völlig logisch. Berechtigt ist das in den seltensten Fällen. Einen Grund hat aber zumindest Nissan. Wendlingers Technikguru Othmar Welti hat zurecht bemerkt, dass es nicht ganz fair ist, deren Auto als Referenz zu nehmen. Das hätte nur funktionieren können, wenn der neue GT-R tatsächlich der schnellste Wagen gewesen wäre. Die "alten" Maseratis, Corvettes und Astons hatten aber wohl noch reichlich in der Hinterhand.

Dass man ausgerechnet für Corvette vielleicht mal ein Auge zudrückt, ist auch kein Wunder. Als Ratel im Herbst merkte, dass er sein Feld mit 24 Autos nicht mit Neuwagen zusammenbekommt, hat er natürlich bei den bisherigen FIA-GT-Herstellern vorgesprochen. Irgendwelche Bonbons könnten am Konferenztisch durchaus Thema gewesen sein. Jedenfalls hat man mir erzählt, dass gerade bei Corvette etwas Überzeugungsarbeit nötig war...

Aber mal ehrlich: Ein Ford hat das erste Rennen gewonnen und den Corvette-Nörglern schon mal etwas Wind aus den Segeln genommen. Das war ein guter Anfang. Im Moment kommt wegen der großen Anti-Flugshow am europäischen Himmel kaum jemand von Abu Dhabi nach Hause. Diese Chance sollten die Teamchefs nutzen, um sich während der Wartezeit auf den nächsten Flieger mal ganz in Ruhe über die "Balance of Performance" auszutauschen. So könnte ein isländischer Vulkan die Eruption im Einstufungsstreit vielleicht verhindern...

C'est la vie!


Pit Lane