Abt und Renault vor dem Showdown: Wer hat die Nase vorn?

Am Wochenende kämpfen Abt und Renault e.dams um den Titel in der Formel E: Die Dominanz der Franzosen ist weg, doch wer hat derzeit das bessere Auto?

(Motorsport-Total.com) - Das Duell zwischen Renault e.dams und Abt hat sich durch die zweite Formel-E-Saison gezogen und gipfelt am Wochenende nun im großen Titelduell zwischen Sebastien Buemi und Lucas di Grassi. Mit einem einzigen Pünktchen Vorsprung geht der Brasilianer in die finalen beiden Rennen in London. Wer dort die Nase vor hat, der wird sich zum Meister und damit zum Nachfolger von Nelson Piquet jun. (NextEV) krönen.

Titel-Bild zur News: Lucas di Grassi, Sebastien Buemi

Abt und Renault bewegen sich derzeit ungefähr auf Augenhöhe Zoom

Die Frage wird sein, welches Team in der britischen Hauptstadt die besseren Karten haben wird. Zu Saisonbeginn sah es danach aus, als würde Renault e.dams locker mit dem Titel nach Hause rennen, denn in der ersten Qualifikation des Jahres schockte Buemi die Konkurrenz, als er eine Sekunde vor dem Rest der Welt lag. Mittlerweile liegt das Abt-Team aber auf Augenhöhe mit den Franzosen, die ihren Vorsprung nicht retten konnten.

Doch wie konnten die Franzosen derart zurückfallen? "Das ist ziemlich schwierig zu verstehen, weil ich glaube, dass wir gar nicht so gut waren, wie uns jeder gemacht hat", übt sich Teamchef Alain Prost gegenüber 'Motorsport-Total.com' in Erklärungsversuchen. Er sah seinen Rennstall in keiner Überform, auch wenn er zugeben muss, dass die Konkurrenz dennoch ein wenig aufgeschlossen hat.

Abt: Zuverlässigkeit vor Performance

Auch bei Abt glaubt man nicht, dass der Vorsprung von Renault e.dams zu Saisonbeginn so riesig war, wie es ausgesehen hat. Stattdessen habe man selbst einfach unter den Möglichkeiten performt, wie Teamchef Hans-Jürgen Abt sagt: "Wir sind unter enormem Zeitdruck nach Peking gekommen. Vielleicht war Renault in dem Moment schon weiter", spricht er bei 'Motorsport-Total.com' von einer nicht perfekten Vorbereitung seines Teams im Sommer.

In Peking habe man dann festgestellt, dass man nicht bei der Pace war, wie die Plätze vier und elf in der Qualifikation beweisen. Die letzten Performance-Reserven auspressen wollte man dennoch nicht: "Wir haben uns dann für die sichere Variante entschieden, weil wir unbedingt ins Ziel kommen wollten. Wir wollten nicht das Risiko gehen, irgendwo auf technischer Seite einen Ausfall zu haben. Dadurch waren wir eigentlich im Rückstand", erklärt Abt. "Wir wussten aber schon, wie die nächsten Schritte aussehen würden, und arbeiten weiterhin akribisch."


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Während sich das Abt-Team im Laufe der Saison als Muster der Konstanz erweisen sollte, wurde jene Zuverlässigkeit Renault zum Verhängnis. Denn die eigentliche Dominanz konnte man nicht ausnutzen, weil technische Probleme zum Hindernis wurden. Beim zweiten Rennen in Putrajaya blieb das Auto von Buemi in Führung liegend mehrfach stehen und verhinderte so eigentlich bereits sichergeglaubte 25 Zähler.

Renault schwächelt unter Druck

"Wir haben ein paar Möglichkeiten ausgelassen", blickt Prost ein wenig zwiegespalten zurück. "Wir haben keinen guten Job gemacht, und wenn man nicht die Ergebnisse einfährt, dann wird man vielleicht etwas nervös", so der Franzose. Die Nervosität konnte man vor allem in Long Beach sehen, als Buemi im Qualifying nur Siebter werden konnte und im Rennen schließlich Robin Frijns (Andretti) abräumte und nach mehreren Fehlern nur 16. wurde.

Das hat auch Daniel Abt erkannt, der sich im Laufe des Jahres steigern konnte und seinen Teamkollegen in London unterstützen möchte: "Wir haben davon profitiert, dass e.dams sehr viele Fehler gemacht hat und scheinbar auch schlecht mit dem Druck umgehen kann. Das hat uns sehr in die Karten gespielt. Die wackeln im Moment", sagt er vor dem Saisonfinale zu 'Motorsport-Total.com' optimistisch.

Robin Frijns, Sebastien Buemi

Sebastien Buemi war unter Druck nicht fehlerfrei, wie hier gegen Robin Frijns Zoom

Doch neben den Patzern der Konkurrenz konnte sich das Team Abt auch auf die eigene Entwicklung verlassen. Mit dem Abt Schaeffler FE01 konnte man die Lücke zu Renault e.dams so ziemlich schließen. "Das ist ja das Interessante an der Formel E: Man kommt nie an, sondern muss sich immer wieder mit dem Thema beschäftigen - aber das ist normal im Motorsport", sagt Hans-Jürgen Abt. "Jetzt kommen die Schritte, die aber immer kleiner werden."

Kräfteverhältnis ändert sich ständig

Mit den bisherigen Schritten ist der Kemptener aber sehr zufrieden: "Wir sind schon in dem Glauben angetreten, dass wir ein vernünftiges Paket und ein vernünftiges Rennauto haben werden. Das hat sich dann bei den nächsten Rennen bestätigt", sagt er. Vor allem in Sachen Zuverlässigkeit war man den Gegnern meilenweit voraus. Lucas di Grassi konnte in allen acht Rennen auf das Podest fahren - auch wenn ihm der Sieg in Mexiko aufgrund Untergewichts nachträglich aberkannt wurde.

Ein genaues Kräfteverhältnis einzuschätzen, ist aber derzeit schwierig. In Berlin waren die Franzosen mit Startplatz zwei und dem Sieg von Sebastien Buemi wieder voraus, nachdem man zuvor vor allem durch schlechte Qualifikationen eher im Hintertreffen war. Es kommt eben immer auf die Umstände an, wer letzten Endes das beste Gesamtpaket hat, da sind sich die Beteiligten einig. Denn schon die einzelnen Strecken oder Temperaturunterschiede können für andere Vorzeichen sorgen.

Ganz deutlich hat sich das etwa in Paris gezeigt, wo die Temperaturen im einstelligen Bereich lagen, was Renault e.dams überhaupt nicht in die Karten gespielt hat. "Da war der Antriebsstrang vielleicht nicht so wichtig", glaubt Abt und sieht seinen Rennstall vor allem durch einen Punkt im Vorteil: "Wir müssen das immer vor Ort lösen, und das ist unsere Stärke", sagt er. "Sicherlich sind alle hier gute Rennteams, aber den Job haben wir hier derzeit ganz gut gelöst."

Wer vorne ist? Gute Frage...

Als Teamchef mache ihn das natürlich glücklich, denn das Team hat gezeigt, dass es fähig ist, an der Spitze mitzukämpfen. Jetzt geht es aber darum, sich an einem Rennwochenende zum Meister zu krönen. Team- und Fahrerwertung sind für die Deutschen noch in Reichweite (zur Gesamtwertung der Formel E 2015/2016), und es wird wohl auf die Tagesform ankommen. Doch wer hat denn nun die Nase zwischen Renault e.dams und Abt derzeit vorne und somit für London die beste Ausgangslage?

"Ich glaube nicht, dass man das pauschal sagen kann", winkt Hans-Jürgen Abt bei 'Motorsport-Total.com' ab. "Wir haben ein gutes Paket, aber auch die anderen Teams haben das. Letztendlich muss es am Wochenende zusammengebracht werden", sagt er und findet Zustimmung durch seinen Sohn Daniel: "Sie (Renault e.dams; Anm. d. Red.) haben das Paket, um zu gewinnen. Aber wir sind auch gut aufgestellt und konzentrieren uns auf uns. Wir sind gut genug, um ihnen Angst einzujagen."


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Und dass die Franzosen unter Druck nicht immer standfest sind, hat die Saison bislang gezeigt. Zumal Buemi im Hinterkopf haben dürfte, dass er den Titel im Vorjahr bereits um einen einzigen Punkt verpasst hat. Alain Prost verlässt sich dennoch auf die Stärke seines Teams: "Abt holt ein wenig auf, aber in meinen Augen haben wir immer noch das beste Auto", sieht der Franzose seinen Rennstall im Vorteil. Die Antwort gibt es am Wochenende.

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