Abt lobt Formel-E-Auftakt: "Ich bin rundum begeistert!"

Daniel Abt lobt im Interview die Organisatoren für den ersten Event, spricht über die Enttäuschung nach seiner Strafe und erklärt die Herausforderung Formel E

(Motorsport-Total.com) - Der erste Formel-E-Lauf ist Geschichte. Beim Auftaktrennen in Peking konnte sich Abt-Pilot Lucas di Grassi den Sieg in allerletzter Sekunde sichern, weil sich Nick Heidfeld und Nicolas Prost in der letzten Kurve spektakulär verabschiedeten. Das spülte auch Teamkollege Daniel Abt noch auf den dritten Rang nach vorne, doch auf das Podium durfte der Kemptener nicht: Er hatte zu viel Energie verbraucht. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht der Deutsche über das erste Formel-E-Wochenende, die Enttäuschung über die Strafe und warum die Serie trotz der langsameren Autos eine Herausforderung ist.

Titel-Bild zur News: Daniel Abt

Daniel Abt wurde beim Auftakt in Peking von Rang drei auf zehn zurückgestuft Zoom

Frage: "Daniel, dein erstes Wochenende in der Formel E verlief ziemlich kurios. Du bist in der letzten Runde unerwartet noch als Dritter über die Ziellinie gefahren, wurdest aber am Ende nur als Zehnter gewertet. Wie gewonnen, so zerronnen, sagt man in dem Fall."
Daniel Abt: "Tja, so kann es im Motorsport laufen. Das Rennen an sich war ganz in Ordnung. Es wäre wunderschön gewesen, auf dem Podium zu stehen, aber es ging leider nicht alles so, wie es hätte sein sollen. Regeln sind am Ende Regeln - und so haben wir leider eine Strafe bekommen."

Frage: "Du wirktest kurz nach dem Rennen ziemlich ungläubig und durftest ja schon nicht mit auf dem Podest stehen. Wie wurde dir die Entscheidung über deine Strafe mitgeteilt?"
Abt: "Ich bin zuerst zum Wiegen gegangen und stand parat, um das Interview zu machen. Auf einmal kam jemand von der FIA und hat gesagt, dass sie meine Daten ausgewertet hätten, dass der Verbrauch zu hoch war und ich nicht auf dem Podium sein werde."

Frage: "In dem Moment fällt man doch aus allen Wolken..."
Abt: "Ja, es war schon eine kleine Welt, die da zusammengebrochen ist. Nach den vergangenen beiden Jahren in der GP2, in denen ich auch kein Podium geholt habe, wäre es natürlich unheimlich schön gewesen, in die Formel E zu kommen und als jüngster Fahrer auf dem Podium zu stehen. Das wäre megageil gewesen, und ich konnte es dann kaum glauben. Zumal ich auch selbst nicht sehen konnte, dass der Verbrauch zu hoch war - einen Vorteil hatte ich dadurch auch nicht. Von daher war es schon ein scheiß Gefühl."


Formel E in Peking

Frage: "Wir sprechen da von 0,2 Kilowattstunden, die du über dem Limit gewesen sein sollst. Erklär doch mal, auf welchen Zeitraum sich das bezieht und was das am Ende überhaupt ausmacht."
Abt: "Pro Stint mit einem Auto haben wir 28 Kilowattstunden, die wir verbrauchen dürfen. Ich habe eben 28,2 gebraucht. Es ist schwierig, das in Zeit zu messen, aber es ist so gut wie gar nichts. Die Strafe, die ich dafür bekommen habe, stand meiner Meinung nach in keiner Relation dazu. Hätten sie gesagt, dass sie mich einen Platz nach hinten stufen oder mir zehn Sekunden aufdrücken, dann hätte ich das noch verstanden, aber 60 Sekunden kann man in 100 Jahren nicht mit 0,2 Kilowattstunden herausfahren."

Im Blindflug durch Peking

Frage: "Dein Funk war während des Rennens ausgefallen. Kann so was eigentlich auch zum Energiesparen beitragen, wenn man ihn beispielsweise selbst ausstellt?"
Abt: "Nein, diese ganzen Themen werden nicht mit einberechnet. Die werden extern an eine kleinere Batterie angeschlossen, das hat gar nichts damit zu tun. Man hat zwei Dinge, mit denen man seinen Verbrauch checken kann: Das eine ist die Anzeige am Display, die aber leider sowohl an meinem wie auch an Lucas' Auto ausgefallen ist oder inkorrekt war."

Daniel Abt, Lucas di Grassi

Zumindest Lucas di Grassi sorgte für Freude beim Abt-Team Zoom

"Wenn das passiert, kann man den Verbrauch noch dem Team am Funk durchgeben, die dann den Rundenverbrauch, den man anvisieren muss, ausrechnen. Da der Funk bei mir aber ebenfalls ausgefallen war, war dieses Mittel auch noch weg, und ich war komplett auf mich alleine gestellt. Ich wusste zwar ungefähr, in welchem Rahmen ich mich bewegen muss, aber ich hatte eben keine Werte, und somit war das für mich nicht mehr greifbar. Dann kommt eben so was raus."

Frage: "Was hättest du denn noch tun können, um Energie zu sparen? Seid ihr euch eigentlich aller Möglichkeiten dazu schon komplett bewusst?"
Abt: "Das passiert einfach über den Fahrstil. Man muss an gewissen Stellen lupfen und mit dem Auto einfach 'rollen'. Eigentlich weiß jeder, wie es geht. Im ersten Auto war das auch kein Problem, da hat alles funktioniert und die Systeme waren in Ordnung. Da ist es dann überhaupt kein Thema, sich an diesem Richtwert zu orientieren. Das Problem ist einfach: Wenn man keinen Anhaltspunkt mehr hat, dann weiß man nicht mehr, wo man sich bewegt."

Das Mysterium Nick Heidfeld

Frage: "Dein Landsmann Nick Heidfeld hat euch im Rennen alle überflügelt und war besonders im zweiten Stint sehr stark. Wie kannst du dir erklären, dass er einerseits so schnell und gleichzeitig taktisch klug unterwegs war, sodass er in der letzten Kurve das entscheidende Manöver setzen konnte?"
Abt: "Ehrlich gesagt: keine Ahnung! Es ist mir auch ein Rätsel, weil er im ersten Stint das Tempo von uns drei Führenden nicht mitgehen konnte, im zweiten aber wohl der Schnellste war. Ich weiß nicht, ob er irgendein Geheimnis gefunden hat, aber wir hatten bis jetzt auch nicht die Zeit, um uns hinzuhocken und das Runde für Runde zu analysieren. Es war schon beeindruckend, aber ich habe keine Ahnung, wo sein Energieverbrauch lag. Das weiß man am Ende nicht, denn er kam ja nicht ins Ziel. Wenn das alles im Rahmen war, dann war er auf jeden Fall sehr gut unterwegs."

Nick Heidfeld

Von Nick Heidfelds Bolide blieb nach seinem Unfall nicht mehr viel übrig Zoom

Frage: "Wie hast du eigentlich seinen Unfall erlebt?"
Abt: "Während des Fahrens selber habe ich nichts mitbekommen, aber ich habe das Auto natürlich auf dem Dach liegen sehen - das sah nicht sehr schön aus. Ich habe mir den Unfall nicht so schlimm vorgestellt, aber nach dem Rennen habe ich die Bilder gesehen und muss sagen: Es sah schon übel aus! Ich glaube, wir müssen alle froh sein, dass er da heil ausgestiegen ist. Das hätte definitiv anders ausgehen können."

Frage: "Nach dem Rennen gab es einige böse Kommentare in Richtung Nicolas Prost. Würdest du dich dem anschließen, dass es sein Fehler war?"
Abt: "Als Außenstehender ist es immer leichter, jemandem die Schuld zuzuschieben. Natürlich war der Move von ihm falsch oder beziehungsweise zu spät. Da muss man nicht diskutieren. Aber man selbst sitzt nicht drin und man weiß nicht, was in ihm vorging. Ich glaube, er hat einfach nicht mit ihm gerechnet. Als er dann gesehen hat, dass Heidfeld den Move macht, ist er rübergezogen - es war aber schon zu spät."

"Dass so etwas Schlimmes dann daraus entsteht, wünscht sich natürlich keiner, aber auch solche Unfälle können passieren. Man darf ihn jetzt nicht komplett verdammen oder ihn ein Leben lang mit seinem Dad vergleichen. Selbst Heidfeld, der das selbst erleben musste, hat ihm verziehen. Fehler sind menschlich und können leider auch passieren."

Systemausfall beim Boxenstopp

Frage: "Ein neues Feature in der Formel E ist der Boxenstopp mit Autotausch. Wie war es für dich, während des Rennens umzusteigen - und was hat eigentlich bei euch geklemmt? Du hast ja viel Zeit verloren..."
Abt: "Grundsätzlich finde ich den Boxenstopp in Ordnung. Für uns ist es nicht so spektakulär, wie es vielleicht aussieht. Man fährt in die Box, man springt raus, springt wieder rein und wird angeschnallt. Das trainiert man ein paar Mal, danach ist das eigentlich Routine. Bei uns war das Problem, dass das System einen Fehler hatte und die Kalkulation falsch war. Man hat versucht, das noch mit einem Laptop umzuswitchen, damit das funktioniert. Das hat uns dann Zeit gekostet, bis wir gemerkt haben: Okay, es ist nicht möglich. Da ist definitiv ein Fehler."

"Wir haben dann einfach das Kabel gezogen und sind eben ohne das funktionierende System gefahren, weil wir sonst noch mehr Zeit verloren hätten. Das war ein Szenario, das bis dato noch nie passiert war, aber eben bei Lucas und mir aufgetreten war. Das hat mich dann wertvolle Zeit und Positionen gekostet."


Formel E: ePrix von China in Peking, Highlights

Die ausführliche Zusammenfassung des ersten Formel-E-Rennens der Geschichte, in knapp 15 Minuten zusammengefasst. Weitere Formelsport-Videos

Frage: "Eigentlich dachte man, dass alle Fahrer zu gleichen Zeit in die Box kommen würden, doch einige sind eine Runde weniger und manche eine Runde länger gefahren. Hättest du mit dem Energiemanagement im ersten Stint auch noch eine Runde länger fahren können?"
Abt: "Ursprünglich dachte ich, dass ich noch eine Runde länger fahren werde, aber dann war ich mir nicht sicher, ob es noch für eine weitere Runde reichen würde. Ich habe dann gesehen, dass die beiden vor mir an die Box gekommen sind und wollte auf Nummer sicher gehen, weil ich in einer guten Position war und kein Risiko gehen brauchte. Daher bin ich auch an die Box gefahren."

"Aber natürlich kann man Unterschiede machen. Wir hätten im ersten Stint deutlich langsamer fahren und Energie sparen können, dann kann man ganz easy noch eine Runde dranhängen. Aber ob das dann wirklich etwas bringt, ist die andere Frage. Man muss gut abwägen und schauen, was die sinnvollste Variante ist."

Langsam, aber herausfordernd

Frage: "Für viele am Fernseher sah das Rennen teilweise ziemlich langsam aus. Wie hat es sich für dich als Fahrer angefühlt?"
Abt: "Es ist nicht unglaublich schnell, das ist klar. Wenn man aus der Formel 1 oder der GP2 kommt und in ein Formel-E-Auto einsteigt, dann sind die Geschwindigkeiten nicht atemberaubend, aber es ist trotzdem eine Herausforderung. Man fährt trotzdem nah an Mauern ran, man fährt trotzdem am Limit, man muss trotzdem spät bremsen - also es ist nicht einfacher deswegen. Es ist halt einfach nur langsamer."

"Ich habe mir das Rennen dann auch angeschaut, und im Moment sieht es noch nicht extrem schnell aus, aber man darf wirklich nicht unterschätzen, dass es trotzdem anspruchsvoll ist. Man muss sehen: Die Technik und die Serie stehen am Anfang. Sie haben ein super Auto hingestellt, das für alle ordentlich funktioniert. Über die Jahre wird sich das sowieso entwickeln, sodass die Geschwindigkeit höher und die Distanz länger wird."

Daniel Abt

Nur was für Könner: Den Formel-E-Boliden am Limit zu bewegen, ist nicht so einfach Zoom

"Man muss jetzt damit umgehen, das wird man nicht ändern können, aber ich kann nur für mich sprechen: Das Auto muss man immer noch am Limit bewegen. Man hat im Qualifying und im Training gesehen, wie viele Leute gecrasht haben. Allein das spricht ja für sich, dass es nicht so einfach ist, mit diesem Auto zu fahren."

Frage: "Im Qualifying war die Differenz zwischen den Autos relativ groß. Abt und e.dams waren weit vorne, doch einige Teams hatten schon ein paar Sekunden Rückstand. Wie kannst du dir das erklären?"
Abt: "Ich fand es eigentlich gar nicht so extrem. Die ersten Zehn waren unheimlich eng beisammen. Hinten heraus waren einige Fahrer, die nur eine gezeitete Runde gefahren sind, in die Mauer gefahren waren oder Probleme hatten. Ich glaube, ein paar Fahrer sind einfach noch nicht auf der Pace, weil sie nicht so viel Erfahrung haben oder noch nicht genug getestet haben, aber die ersten Zehn, Zwölf waren schon eng beisammen."

Organisation: top!

"Wenn ich zwei Zehntel langsamer gefahren wäre, dann wäre ich auf Startplatz acht oder neun statt drei gestanden, glaube ich. Von dem her fand ich es schon ganz ordentlich für das erste Mal. Das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Dass wir gut aufgestellt sind und dass e.dams gut aufgestellt ist, das hat man ja schon gesehen. Aber ich glaube, auch die anderen sind mittlerweile auf einem guten Level - und fahrerisch kann man schon den größten Unterschied machen."

Frage: "Abschließend noch ein Fazit: Wie fandst du die Organisation für das erste Rennen?"
Abt: "Ich bin rundum begeistert! Man muss den Organisatoren ein großes Lob aussprechen! Eine Serie von null weg zu starten, in einer fremden Stadt aufzukreuzen, dort so was hinzustellen und einen so reibungslosen Tag zu erleben, verdient wirklich ein großes Lob! Wir hatten wirklich alle Spaß, es war ein cooler Event. Ich habe mit den anderen Fahrern gesprochen, da war wirklich jeder begeistert. Jeder hat gesagt, dass er froh ist, hier zu sein. So geht es mir auch, ich habe es sehr genossen. Natürlich gibt es noch Baustellen, die man verbessern wird, aber für das erste Mal muss ich wirklich sagen: Hut ab! Sie haben wirklich gute Arbeit geleistet!"