Formel-E-Kolumne: Belohnt die Schnellen, nicht die Verlierer!

Der Bonus für die schnellste Rennrunde in der Formel E sollte dem Besten zustehen und nicht dem Verlierer mit speziellen Vorteilen, findet Redakteur Norman Fischer

Werte Freunde des (elektrischen) Rennsports,

Titel-Bild zur News: Maro Engel

Maro Engel ist im achten Rennen der achte "Nuller" mit Zusatzpunkt Zoom

die Formel E nimmt eine Ausnahmestellung in der Welt des Motorsports ein - und das ist auch gut so. Von FanBoost bis zu virtuellen e-Rennen hat die Serie ein paar Ideen eingeführt, mit der sie neue Wege beschreitet. Doch es gibt eine Regelung, die dringend überholt werden muss. Ich spreche über die schnellste Rennrunde, die einem Fahrer noch einmal einen Zusatzpunkt bringt. Doch die Umsetzung geht weit an meinem Verständnis von Rennsport vorbei.

Nun ja, Punkte für die schnellste Rennrunde sind in der Motorsport-Welt keine Seltenheit. Nicht wenige Serien vergeben einen Bonus für denjenigen Fahrer, der es im Rennverlauf am schnellsten um den Kurs schafft. Doch in der Formel E hat der Kampf um diesen Zusatz mittlerweile so seltsame Züge angenommen, dass man es fast schon als Parodie auf solche Bonusbelohnungen sehen könnte, wenn es nicht echt wäre.

Engel nach Kollision eigentlich aus dem Rennen

Beim gestrigen ePrix in Berlin war es Maro Engel, der die Seite des Reglements zu seinen Gunsten ausgenutzt hat. Der Deutsche war nach einer Kollision mit Loic Duval schon in der ersten Runde aus dem Rennen, schleppte seinen Boliden jedoch noch einmal an die Box und fuhr mit dem zweiten Auto heraus - einzig mit dem Ziel, aus einem verkorksten Rennen doch noch einen Zähler herauszuholen.

Nun kann man die positiven Seiten daran sehen: Engel konnte nach einem Unfall, den sein Konkurrent zumindest mitverschuldet hat, noch einmal einen Nutzen ziehen, und das Publikum bekam den Deutschen bei seinem Heimspiel noch einmal zu Gesicht. Ohne die Regel wären Engels Fans vielleicht angereist, um ihn eine halbe Runde im Rennen zu sehen - so waren es immerhin 14.

Das Problem ist, dass der Venturi-Pilot eigentlich überhaupt nichts mehr mit dem Renngeschehen an sich zu tun hatte. Während die Konkurrenz um den Sieg und Punkte kämpfte, fuhr er für sich seinen eigenen Bewerb um die schnellste Rennrunde. Nicht falsch verstehen: Das ist absolut sein gutes Recht, und Engel wäre schön blöd gewesen, wenn er es nicht versucht hätte. Doch für mich sollte es solche Szenen nicht geben.

Unfairer Vorteil: Autos werden umgebaut

Die schnellste Rennrunde ist in der Formel E mittlerweile eine Farce und kein reelles Abbild der Stärke. Dazu reicht ein Blick in die Ergebnislisten: Acht Rennen hatten wir in der Formel-E-Saison 2016/17 bisher - und immer holte der Fahrer mit der schnellsten Rennrunde ansonsten keinen einzigen Zähler. Statt einer Belohnung für den wirklich Schnellsten ist das in Wahrheit nur ein Trostpflaster für die sonst Enttäuschten.

Denn der eigentlich Schnellste hat nie eine Chance auf die Trophäe. Die Jäger bauen ihr Auto an der Box nämlich so um, dass sie die bestmöglichen Voraussetzungen auf Erfolg haben - Zeit genug haben sie eh. Das zweite Auto wird mit viel Abtrieb auf Qualifying-Modus gebracht, und mit frischen Reifen geht es dann los. Die Zahlen in Berlin zeigen: Engel fuhr eine Zeit von 1:09.509 Minuten, der ebenfalls ausgeschiedene Duval 1:09.690 Minuten. Zum Vergleich: Die beste Runde im eigentlichen Rennverlauf kam von Sieger Sebastien Buemi: 1:11.294 Minuten!


Formel E Berlin: Buemi siegt nach Mahindra-Panne

Sebastien Buemi siegt beim zweiten Formel-E-Rennen in Berlin, weil Felix Rosenqvist nach einer teaminternen Boxenpanne bestraft wird. Weitere Formelsport-Videos

Engel musste sich also nur ernsthaft mit Duval auseinandersetzen, um einen Punkt zu bekommen - Herzlichen Glückwunsch! Keine Frage: Ich freue mich für Maro, dass er die gute Performance des Venturi auf eine Runde zeigen konnte und vor den Heimfans noch einen Zähler mitnehmen konnte, doch ich halte es für falsch, wie das zustande kommt.

Rundenjagd entschied sogar schon Meisterschaft

Nun vermag vielleicht mancher zu sagen: "Es geht doch nur um einen Punkt, was macht der hier so einen Aufriss?" Doch zu was das führen kann, haben wir im Vorjahr beim Saisonfinale in London gesehen. Die punktgleichen Sebastien Buemi und Lucas di Grassi duellierten sich nach einer Startkollision nur noch um die schnellste Rennrunde - und diese würde die Meisterschaft entscheiden!

Für das eigentliche Rennen und den Sieg von Nicolas Prost interessierte sich überhaupt niemand - stattdessen schaute man den beiden Titelrivalen bei ein paar Qualifying-Versuchen zu. Gut, die Formel E hatte damit ein echt besonderes Finale, an das ich mich noch lange zurückerinnern werde, doch ob die Meisterschaft durch solch einen Nebenschauplatz entschieden werden sollte, muss jeder für sich selbst beantworten.

Lucas di Grassi

Nach einer Startkollision in London fuhren Buem und di Grassi nur um den Bonus Zoom

Mittlerweile ist die Jagd nach der schnellsten Runde echt albern geworden. Für mich ist das ungefähr so, als dürften beim Fußball nicht so erfolgreiche Torschützen abseits des eigentlichen Spiels noch ein paar Versuche vom Elfmeterpunkt wagen, um sich die Torjägerkanone zu sichern.

Keine Elfmetergeschenke mehr!

"Ich bin nicht die richtige Person, um das zu bewerten", sagte mir Maro Engel auf Sinn und Unsinn der Regel angesprochen. Der Venturi-Pilot handelt halt auch nur nach den Bedingungen in der Serie und passt sich daran an: "Es ist üblich in der Formel E. Und die Formel E geht nun einmal neue Wege", meint er. "Man kann sich aber darüber streiten. Das ist beim FanBoost nicht anders."

Beim FanBoost hat die Formel E nach der vergangenen Saison zumindest auf Manipulationsvorwürfe reagiert und die Regeln angepasst - und das sollte sie hier auch. Sie sollte nicht den Zusatzpunkt abschaffen, doch sie sollte dafür sorgen, dass nicht der ausgewechselte Spieler den Preis bekommt, der auf dem Trainingsplatz den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt bekommt.

Norman Fischer

Redakteur Norman Fischer plädiert für eine Regeländerung Zoom

In der Formel 2 gibt es den Punktebonus beispielsweise für den Fahrer, der in den Top 10 am schnellsten war. Ich finde aber, dass alle die Chance erhalten sollten. Vielleicht sollte man sagen, dass die Zeit innerhalb der Führungsrunde gefahren werden muss - oder zumindest sollte man den Umbau des Autos aus Fairnessgründen verbieten. Oder die Formel E geht wieder einmal einen neuen Weg. Dass sie das kann, hat sie schon mehrfach bewiesen.

Ihr


Norman Fischer

P.S. Sorry Maro, dass du in dem Fall als "Sündenbock" herhalten musst, aber du bist nun einmal das jüngste "Opfer" :)