Stuck fordert Zusammenarbeit von ADAC und DTM: "Weg mit den Egos!"

Legende Hans-Joachim Stuck richtet im Interview angesichts der ungewissen DTM-Zukunft einen Appell an Berger und den ADAC: Wie er die heikle Situation einschätzt

(Motorsport-Total.com) - Während die DTM-Teams seit Wochen auf dringend benötigte Informationen zur Saison 2023 warten und noch nicht einmal ein Kalender veröffentlicht wurde, verhandelt DTM-Boss und -Besitzer Gerhard Berger mit dem ADAC über mögliche gemeinsame Aktivitäten in der Zukunft.

Titel-Bild zur News: Hans-Joachim Stuck

Hans-Joachim Stuck richtet einen Appell an Berger und die ADAC-Verantwortlichen Zoom

Offiziell geht es um gemeinsame Synergien, aber sogar ein Verkauf der DTM an den größten Automobilklub Deutschlands, der mit dem ADAC GT Masters die GT3-Konkurrenzserie betreibt, soll Thema sein. Ex-DTM-Champion Hans-Joachim Stuck hat sich schon in seiner Ära als Präsident des Deutschen Motorsport-Bund DMSB für eine Zusammenarbeit der beiden Serien eingesetzt.

Woran seine Bemühungen scheiterten, wie er die politische Situation hinter den Kulissen einschätzt und wieso der Weg für ihn nur über eine gemeinsame Lösung - möglicherweise mit Martin Tomczyk an der DTM-Spitze - führt, erklärt der 71-jährige Bayer im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Frage: "Hans-Joachim, zwischen dem ADAC und Gerhard Berger wird über die Zukunft der DTM verhandelt, es wird sogar über einen möglichen Verkauf spekuliert. Was bekommen Sie davon mit?"
Hans-Joachim Stuck: "Ich weiß zum aktuellen Stand absolut nichts, denn momentan ist auch bei Gerhard absolute Ruhe. Ich habe einen sehr guten Draht zu Lutz Leif Linden vom AvD (Automobilclub von Deutschland; Anm. d. Red.). Da wird im Moment getuschelt und gemauschelt, weil die auch merken, dass man eine Lösung finden muss. Es macht ja keinen Sinn, dass einmal das GT-Masters läuft - und dann die DTM. Und man nicht zusammen etwas macht. Das hat man ja schon mal getan."

Frage: "Sie sind Anfang 2020 als DMSB-Präsident zurückgetreten. Bis dahin haben Sie sich für eine gemeinsame Lösung starkgemacht."
Stuck: "In meinen DMSB-Zeiten habe ich zwei Jahre lang versucht, Hermann Tomczyk und Gerhard Berger an einen Tisch zu kriegen, was mir nicht gelungen ist. Dann haben wir ein Datum gefunden. Aber Tomczyk hat gesagt: 'Wenn du mitkommst, dann komme ich nicht.' Dann habe ich gesagt: 'Spinnst du jetzt?'"

"Das war ein Mitgrund, warum ich meine Sache niedergelegt habe. Weil die nicht in der Lage waren, sich mal vernünftig an einen Tisch zu setzen. Das muss doch nicht sein! Gerade in der heutigen Zeit. Und der Leidtragende ist der Fan."

Frage: "Warum wollte Sie Hermann Tomczyk beim Gespräch mit Berger nicht dabei haben?"
Stuck: "Dafür ist er mir bis heute die Antwort schuldig geblieben. Dabei war es nur logisch, dass ich mir als damaliger Präsident des DMSB Gedanken mache, wo es hingeht. Es war der normale Weg, zu versuchen, diese beiden Topserien zusammenlegen. Weil sie sich nicht wehtun. Ganz im Gegenteil! Die bereichern einander."

"Wenn man von zehn Rennen acht miteinander macht, dann profitiert der Fan. Und das wollen wir doch sehen. Aber damit hatte ich keine Chance. Tomczyk war raus - und da ging nichts mehr."

Frage: "Dabei hatte es 2016 und 2017 Hoffnung gegeben, als DTM und ADAC GT Masters beim Motorsport-Festival ihre Rennen einmal im Jahr an einem gemeinsamen Wochenende ausgetragen haben."
Stuck: "Ich fand das toll. Es gab natürlich ein Problem mit der Anzahl der Boxen. Wer hat die Boxen fest belegt? Aber das ist sicherlich lösbar. Einmal geht die DTM hinten raus und einmal das GT-Masters. Ein Hauptproblem war natürlich auch, dass beide Serien ihre Sponsoren hatten. Wie bringt man die alle unter? Du kannst heute elektronische Banden machen, wo du die unterschiedlichen Logos einblendest. Das ist alles lösbar - und eine Frage des Wollens. Wenn zwei sich einig sind, gibt es immer eine Lösung."


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"Die DTM muss eine Ein-Fahrer-Sprintserie bleiben"

Frage: "Gibt es genügend Unterschiede zwischen den beiden GT3-Serien?"
Stuck: "Das eine ist eine Zwei-Fahrer-Geschichte, das andere eine Sprintserie. Die Autos sind nahezu gleich. Dass sich Martin Tomczyk da jetzt stark engagiert, finde ich super, denn das kann nur positiv sein. Er hat durch den Vater einen guten Draht zum ADAC. Und er versteht vielleicht, dass man eine gemeinsame Lösung finden muss."

Frage: "Könnte das ADAC GT Masters in Zukunft eine Art Talente-Plattform werden?"
Stuck: "Wir müssen ja auch für Nachwuchs sorgen. Das fängt bei der Formel 1 an. Jetzt haben wir nächstes Jahr den Hülkenberg. Ich finde den Nico persönlich super, den mag ich gern. Aber der ist kein Nachwuchsfahrer mehr. Und der Mick, der einer wäre, wird wenn er Glück hat Testfahrer. Wo kommen denn die jungen Leute her? Es gibt Go-Kart, aber dann ist Schluss. Es gibt keine richtigen Nachwuchsformeln."

"Aber im Rahmen des GT-Masters kannst du einen Profi mit einem jungen Fahrer zusammensetzen - und die können voneinander profitieren. Und so die Basis legen, um dann vielleicht aufzusteigen. Das wäre ja perfekt."

Frage: "Die DTM als erste, das ADAC GT Masters als zweite Liga?"
Stuck: "Nein, gar nicht. Ich würde von der Wertigkeit keinen Unterschied machen. Das eine ist ein Einzelsprint auf höchstem Niveau, das andere Teamsport mit zwei Fahrern."

Frage: "Wäre es vorstellbar, daraus eine Serie zu machen? Oder eine DTM nach ADAC-GT-Masters-Format mit Fahrerwechseln?"
Stuck: "Nein, das wäre vollkommen unlogisch. Angenommen, es würde aus irgendeinem Grund kein ADAC GT Masters mehr geben - und diejenigen, die das machen wollten, hätten noch Lust und Laune -, dann könnte man maximal sagen, dass die DTM das übernimmt. Aber es wäre Quatsch, das statt der DTM zu machen."

"Die DTM hat einen Namen als Ein-Fahrer-Sprintserie. Und das muss auch so bleiben. Sonst wären die Grund-Gene weg. Das würde sonst sicher auch bei den Fans zu großen Diskussionen führen. So aber wäre es sensationell, wenn ein Fan am Wochenende an die Rennstrecke geht - und er hat zwei Rennserien, die beide spannend sind und verschiedene Konzepte haben. Das gibt es doch sonst nirgends."

Frage: "Wird es in Zukunft gemeinsame Events geben?"
Stuck: "Das müssen jetzt die großen Herren entscheiden (lacht). Und da könnte auch der AvD, der sich ja bei der DTM sehr stark engagiert, ein gewichtiges Wort mitreden und den Herren auf die Zehen treten, wie sie sich da mal einigen sollen. Das hoffe ich. Und ich gehe davon aus, dass das passieren wird."

"Zusammenarbeit wäre für beide eine Win-Win-Situation"

Frage: "Der Teufel liegt aber auch im Detail: Der sportliche Ausrichter der DTM ist seit zwei Jahren mit dem AvD der direkte ADAC-Konkurrent. Kriegt man das unter einen Hut?"
Stuck: "Das musst du machen. Und das wird in der nächsten Zeit die Aufgabe sein. Sonst könnte sowohl die eine als auch die andere Serie in Schwierigkeiten kommen. Ein gemeinsamer Weg mit einem gemeinsamen Ziel wäre optimal - für alle!"

"Dann hast du nur noch einmal die Veranstaltungskosten, die Fans würden es honorieren, weil an der Rennstrecke wirklich was geboten wird. Und wenn man sich vorstellt, dass man gemeinsam den doppelten Erfolg haben könnte, dann muss das die Basis für Diskussionen sein. Es würde jeder profitieren."

"Sie müssen nur so gescheit sein und ihre Egos ausschalten - und an einem Strang ziehen. Wir wollen Sport machen - und wir wollen als Deutschland eine Vorzeigenation für den GT-Sport sein."

"Da ist es natürlich gut, dass ein Mann wie Lutz Leif Linden beim AvD an der Spitze ist. Er weiß, wo es lang geht und ist jetzt auch bei der FIA Präsident der GT-Kommission. Ich glaube, dass auch ein Martin Tomczyk den richtigen Überblick hat, wo die Reise hingeht. Mit einem Gerhard Berger und einem Frederic Elsner."

Frage: "Angenommen, ADAC und DTM einigen sich nicht auf eine Zusammenarbeit: Was wären die Folgen?"
Stuck: "Jeder würde etwas vom anderen verlieren - und das wäre schade. Und der allgemeine Wohlstand ist nicht mehr so, wie er mal war, wie man zum Beispiel an den Gaspreisen sieht. Die Leute überlegen sich, zu welchem Rennen sie mit der Familie gehen. Das kostet alles Geld. Wenn du mehr geboten bekommst, machst du es dem Fan leichter. Er kann Geld sparen und bekommt doppelt was zu sehen. Eine Zusammenarbeit wäre für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Ohne den geringsten Zweifel."

Frage: "Welche Auswirkung hat es, dass nun Gerd Ennser ADAC-Sportpräsident ist - und nicht mehr Hermann Tomczyk?"
Stuck: "Das ist mit Sicherheit positiv. Gerd war auch Präsidiumskollege von mir. Ein offener, ehrlicher Mann, der sich auskennt. Gerd ist perfekt dafür geeignet."

Frage: "Agiert er verbindend?"
Stuck: "So wie ich ihn in meinen letzten Jahren als Präsidiumsmitglied erlebt habe, auf jeden Fall, ja."

"Martin Tomczyk könnte so eine Serie wirklich führen"

Frage: "Wird Martin Tomczyk in Zukunft eine größere Rolle bei der DTM spielen?"
Stuck: "Das könnte ich mir vorstellen. Martin ist ein cleverer Bursche. Ich mag ihn auch sehr gerne. Wir hatten schon in seinen aktiven Zeiten gute Gespräche, er ist zuvorkommend, er kennt sich aus. Auch weil er selber gefahren ist, das ist ein bisschen wie bei Gerhard. Er weiß, wie das Geschäft funktioniert."

"So ein Mensch könnte so eine Serie wirklich auch führen - und mit seinen Visionen in die richtige Richtung lenken. Was er bisher gemacht hat, war tip-top. Und ich glaube auch, dass er genügend Diplomat sein wird, um das weiterzuführen. Da mache ich mir gute Hoffnungen."

Frage: "Was verdankt die DTM Gerhard Berger?"
Stuck: "Ohne Gerhard hätten wir keine DTM mehr. Er ist ein großes Risiko eingegangen - auch finanziell. Er hat die richtigen Entscheidungen getroffen, hat den richtigen Weg eingeschlagen. Und er hat die DTM so gut gemacht wie sie es eigentlich noch nie war. Wenn du die Rennen anschaust - was gibt es Besseres?"

Frage: "Es war Ihre Idee, dass die DTM von den Class-1- auf die GT3-Autos wechselt."
Stuck: "Wenn ich bedenke, wie oft ich mit dem Gerhard geredet habe, wie viele Meetings wir bei uns in Tirol auf irgendwelchen Almen hatten. 'Mach GT3! Es gibt im Moment nichts Geileres!' - 'Nein, wir müssen speziellere Autos haben.' Diese Autos, die früher mal da waren, braucht jetzt keiner. Die Leuten wollen sich doch auch mit dem Auto identifizieren."


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"Und wir haben in der Theorie 14 Hersteller, die GT3-Autos haben. Das ist doch perfekt. Wenn man da eine vernünftige Basis schafft, bist du der Größte. In Le Mans kommen jetzt diese LMDh-Autos. Die braucht kein Mensch. Es ist zwar schön, aber im GT3-Bereich geht richtig die Post ab. Die könnte man ja auch mit einem Einheits-Hybrid bestücken, damit die 100 PS mehr haben. Und dann fahren die Hersteller ihr Rennen - und die anderen Teams."

"Das ist der Hammer! Auch mit den Kosten. Ich kenne die Zahlen von Audi und Porsche, was LMDh angeht. Das ist der Wahnsinn. Auch weil du es im Grunde genommen nicht brauchst."

Frage: "Was würden Sie an der DTM ändern?"
Stuck: "Das habe ich zu Gerhard und zu Frederic Elsner auch gesagt: Ich persönliche finde es nicht gut, wenn man in Portimao ein DTM-Rennen fährt. Das ist eine deutsche Meisterschaft, genau wie das GT-Masters. Wir haben doch Strecken - und man kann auch eine Strecke zweimal fahren. Salzburgring ist ja im Gespräch - das finde ich super. Zolder ist auch im deutschen Einzugsgebiet, auch Spielberg passt. Aber Portimao? Da fährt doch keiner hin. Mit Monza tut man sich schon schwer."

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