• 27.07.2008 18:59

  • von Britta Weddige

Schneider triumphiert im Reifenpoker

Bernd Schneider zeigte in einem turbulenten Rennen sein ganzes Können - Vierfachsieg für Mercedes - Audi verspielt alles mit den falschen Reifen

(Motorsport-Total.com) - Das DTM-Rennen am Nürburgring war nichts für schwache Nerven, von der Startaufstellung bis zum Ziel war Spannung pur geboten. Regentropfen sorgten für einen Reifenpoker, in dem Mercedes alles richtig machte und Audi die gute Asugangsposition, die man nach der auch schon verrückten Qualifikation hatte, komplett verspielte. Mercedes feierte nach dem Frust im Qualifying einen Vierfachsieg, bei dem Altmeister Bernd Schneider sein ganzes Können zeigte, viel riskierte und alles gewann. Der 44-Jährige holte seinen ersten Saisonsieg vor Paul di Resta, Jamie Green und Gary Paffett im Mercedes-Jahreswagen. Bester Audi-Pilot wurde Timo Scheider als Fünfter, der damit auch die Gesamtführung verteidigte.

Titel-Bild zur News: Bernd Schneider

Bernd Schneider hat am Nürburgring alles riskiert und alles gewonnen

Mattias Ekström (Audi) rutschte in der Schlussphase, in der es einen erneuten Reifenpoker gab, nach hinten und wurde Sechster vor Bruno Spengler (Mercedes). Und Ralf Schumacher hat sein Ziel erreicht: Der Mercedes-"Rookie" konnte sich durch alle Widrigkeiten des Rennens kämpfen und holte als Achter seinen ersten DTM-Punkt.#w1#

Sieger Schneider hatte in der Schlussphase alle Hände voll zu tun, die Führung zu verteidigen. Denn es begann wieder stärker zu regnen, doch der Routinier entschied sich, auf Slicks weiterzufahren, während viele Konkurrenten, darunter auch di Resta, auf Regenreifen wechselten. Das war gewagt, aber ging gut. "Das ist einfach klasse", freute sich der Rekordchampion über seinen ersten Sieg seit Brands Hatch 2007. "Danke an mein Team, das mir so ein geiles Geschenk nachträglich zu meinem Geburtstag gemacht hat. Heute wird so richtig gefeiert."

Audi verpokert sich mit den Reifen

Die Vorentscheidung über Sieg oder Niederlage fiel schon vor dem Rennen - Audi hatte sich in der Reifenlotterie verpokert. Vor dem Rennen begann es zu tröpfeln und die Ingolstädter entschieden sich, ihre Autos mit Regenreifen auszurüsten. Bei Mercedes dagegen schickte man alle Piloten mit Slicks auf die Startaufstellung. Während der Einführungsrunde zeichnete sich ab: Es bleibt erst einmal trocken. Die Audi-Piloten Mattias Ekström, Timo Scheider und Markus Winkelhock steuerten sofort die Box an, um auf Trockenreifen zu wechseln und musste demzufolge aus der Boxengasse dem Feld hinterherstarten.

Die anderen Audi-Piloten blieben mit Regenreifen und damit stumpfen Waffen auf der Strecke. Am Start konnte Mike Rockenfeller sich an die Spitze setzen, doch es dauerte nicht lange, bis die chancenlosen Audi-Piloten die Mercedes-Armada ziehen lassen musste. Gary Paffet schob sich bald an Rockenfeller vorbei an die Spitze, Paul di Resta, Bernd Schneider, Jamie Green, Ralf Schumacher, Bruno Spengler und Susie Stoddart folgten. Nach zwei Runden lagen sieben Mercedes auf den ersten sieben Plätzen.

"Wir haben auf unseren Meteorologen vertraut, mit dem wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten und heute hat er sich offensichtlich vertan", sagte Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich der 'ARD'. "Es tröpfelt zwar, aber regnet nicht so stark wie erwartet. Jetzt müssen wir schauen, das Beste daraus zu machen."

Paffett chancenlos gegen die Neuwagen

Rockenfeller baute zudem noch einen Dreher mit ein und fiel zurück ans Ende des Feldes. Und während von hinten die Audi-Piloten versuchten, sich durchs Feld wieder nach vorn zu arbeiten, kämpften vorn die Mercedes-Piloten um die Spitze. In der achten Runde drückte sich Paul di Resta im Neuwagen am Jahreswagen-Pilot Paffet vorbei, auf Platz drei machte Schneider Druck. Die besten der Audi-Piloten waren Ekström und Scheider, die als Erste wieder in den Punkterängen waren und Jagd auf die Mercedes-Piloten vor sich machten. Dadurch, dass Ekström und Scheider ihre Boxenstopps schnell hinter sich brachten, konnten sie sich im Gesamtklassement an Mercedes-Pilot Spengler vorbeischieben.

Entscheidung in der Box

In der Box fiel auch die Entscheidung um die Führung: Nach der 21. Runde kam der in Führung liegende Paul di Resta an die Box. Doch es gab ein Problem vorne links, das ein bisschen Zeit kostete - so übernahm Schneider, der sich zwischenzeitlich auf Rang zwei verbessert hatte, kampflos die Führung. Als er kurze Zeit später zu seinem zweiten Stopp kam, rutschte Schneider zwar zurück auf den dritten Platz hinter Paul di Resta und Jamie Green, doch die mussten noch einmal stoppen.

Green kam eine Runde nach Schneider, 18 Runden vor Schluss, zu seinem zweiten Stopp. Der Brite fiel durch diesen Stopp zunächst zurück hinter seinen Landsmann Paffett auf Rang vier, doch Neuwagen-Pilot Green konnte sich schnell an Paffett wieder vorbeischieben.

Spannung pur dann 16 Runden vor Schluss, di Resta kam zu seinem zweiten Stopp - würde er die Führung behalten können? Nein, der Schotte musste sich trotz eines perfekten Stopps hinter Schneider auf Rang zwei einordnen.

Aus für Kristensen, Legge, Engel und Tomczyk

16 Runden vor Schluss waren alle Stopps absolviert und das Feld war wieder geordnet. es führte Schneider vor di Resta und Green, Paffett war Vierter vor dem besten Audi-Piloten Ekström. Scheider war Sechster vor Spengler und Schumacher. Nicht mehr im Rennen waren zu diesem Zeitpunkt Polesitter Tom Kristensen, der in Kurve eins im Kiesbett stecken blieb sowie Katherine Legge und Maro Engel, die miteinander kollidiert und ausgeschieden waren.

14 Runden vor Schluss war dann auch für Martin Tomczyk Schluss, der seinen Audi mit einem Aufhängungsproblem hinten rechts an die Box steuerte. "Ich weiß auch nicht, was da los war", sagte der Bayer in der 'ARD'. Zum Thema Reifenpoker erklärte er: "Als Fahrer hat man keinen Einfluss darauf, man fährt mit dem, was man bekommt, es war eine Teamentscheidung. Der Meteorologe, mit dem wir seit Jahren gut zusammenarbeiten, hat sich wohl getäuscht. Es war ein bescheidener Tag für uns. Aber wenn alles zusammenkommt, dann wenigstens in einem Rennen."

Dann kam der Regen

In den letzten Runden kam in das ohnehin schon spannende Rennen noch mehr Brisanz - denn es begann stärker zu regnen. Niemand wusste, wie sich das Wetter entwickeln würde, ob die Strecke mit Slicks befahrbar bleiben würde oder ob man noch auf Regenreifen wechseln muss. Für alle Beteiligten waren es noch lange zehn Runden.

Ekström und Scheider setzten ihre Jagd nach vorn fort: Ekström ging neun Runden vor Schluss an Paffett vorbei auf Rang vier, Scheider folgte kurze Zeit später. Paffett versuchte zu kontern und rammte dabei das Heck Scheiders. Ein paar Kurven später hatte er sich Rang vier zurückerobert, stand aber wegen des Manövers unter Beobachtung der Rennleitung. Gleiches galt für Ekström - beide bekamen eine Verwarnung der Rennleitung.

Schneider wählt das Risiko

Gleichzeitig wurde der Regen immer stärker, das Fahren wurde zum Eiertanz. Die HWA-Crew erkundigte sich besorgt beim Führenden Schneider, ob es auf Slicks noch geht. Ja, antwortete der und fuhr weiter. Sechs Runden vor Schluss kamen aber di Resta, Albers, Winkelhock und Schumacher an die Box und wechselten auf Regenreifen. Fünf Runden vor Schluss kam Scheider an die Box und holte Regenpneus. Schneider fuhr weiter, bekannte aber im Boxenfunk, dass er keine Ahnung habe, wie lange das noch gut gehen kann.

Zur Spannung, die durch das Wetter ins Spiel gebracht wurde, erlebten die Zuschauer zudem auch weiter heiße Manöver: Vier Runden vor Schluss drückte sich Paffett wieder an Ekström vorbei und lag damit wieder auf Rang drei hinter Schneider und Green. Von Platz fünf aus machte di Resta auf Regenreifen Druck auf seine Vorderleute, die allesamt auf Slicks unterwegs waren. Drei Runden vor Schluss schnappte sich di Resta erst Ekström und dann Paffett und war auf Rang drei. An der Spitze hatte Schneider noch 20 Sekunden Vorsprung auf di Resta und drei lange Runden vor sich. Der zweitplatzierte Green konnte Schneider nicht mehr gefährlich werden, weil er selbst auf Slicks unterwegs war.

Wie wehrlos man bei diesen Bedingungen auf Slicks war, zeigte ich in der vorletzten Runde, als di Resta mühelos an Green vorbei auf Rang zwei kam. Auch Scheider, der ebenfalls auf Regenreifen war, arbeitete sich problemlos nach vorn bis auf Rang fünf.

Schneider konnte seinen Vorsprung bis ins Ziel retten und gewann nach 43 aufregenden Runden vor di Resta, Green und Paffett.