• 24.01.2014 13:38

  • von Roman Wittemeier

Müller: "Ich muss mir etwas den Druck nehmen"

Audi-DTM-Neuzugang Nico Müller im Interview: Das Warten auf die Verkündung, die Vorbereitung auf die Saison und die Sorgen der Familie

(Motorsport-Total.com) - Audi hat den DTM-Kader zur Saison 2014 auf einer Position verändert. Filipe Albuquerque kehrt der Serie den Rücken und wird für Audi künftig im Le-Mans-Programm fahren. An die Stelle des Portugiesen tritt Neuzugang Nico Müller, der es im Team Rosberg mit dem erfahrenen Jamie Green zu tun haben wird. Der 21-jährige Schweizer kommt aus der Renault-World-Series (WSbR) in die DTM. Welche Ziel sich Müller setzt, erklärt er im exklusiven Interview.

Titel-Bild zur News: Nico Müller

Entspannt im Büro: Audi-Neuzugang Nico Müller vor seiner ersten DTM-Saison Zoom

Frage: "Nico, wann und unter welchen Umständen hast du erfahren, dass du 2014 für Audi in der DTM starten wirst?"
Nico Müller: "Kurz vor Weihnachten gab es einen ersten Hinweis, dass es klappen könnte. Definitiv sicher war es Anfang des Jahres. Insgesamt war es für mich das schönste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten. Als ich den entscheidenden Anruf von Dieter Gass bekam, war ich gerade in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen. Ich sollte da über meine Pläne 2014 sprechen. Durch den Anruf war quasi alles hinfällig. Ich durfte es aber noch nicht herauslassen. Es war verdammt schwierig, dort noch nichts zu verraten. Ich habe mich aber zusammengerissen."

Frage: "Du warst zuvor schon seit vielen Monaten als künftiger Audi-Werksfahrer gehandelt worden, und es stellte sich eigentlich nur noch die Frage, ob es DTM oder WEC wird. Ist die DTM für dich zum aktuellen Zeitpunkt die bessere Variante?"
Müller: "Ja, ich würde sagen, zum momentanen Punkt ist es optimal. Seit meinem ersten Test 2011 im Audi A4 DTM beim Nachwuchsevent in Monteblanco habe ich gewusst, dass ich gern für Audi in der DTM fahren würde. Bezüglich der näheren Zukunft war die DTM immer das Hauptziel. Ich bin im passenden Alter, es passt gut in meinen Karriereverlauf."

"Ich mag es, wenn man eins gegen eins auf der Strecke antritt. Sprintrennen sind für mich sehr reizvoll. Die WEC ist natürlich auch verlockend. Es wäre auch dort cool gewesen, eine Möglichkeit zu bekommen. Ich hoffe, dass ich vielleicht nach meiner DTM-Karriere eine solche Gelegenheit erhalte. Die DTM-Karriere soll nun aber erst einmal möglichst erfolgreich werden und möglichst lange andauern. Dadurch könnte man sich für andere Aufgaben empfehlen. Im Moment liegt der Fokus eindeutig auf der DTM. Das ist für mich der richtige Weg."

Green ist kein rotes Tuch

Frage: "Du bekommst es im Team Rosberg mit Jamie Green zu tun, der extrem viel Erfahrung in der DTM besitzt. Ist der Teamkollege im ersten Moment ein Freund oder ein Feind?"
Müller: "Ich verstehe mich gut mit Jamie. Wir haben uns nun auch mal als Teamkollegen getroffen und etwas näher kennengelernt. Es passt sicherlich ganz gut. Wir werden bestimmt gut zusammenarbeiten. Gleichzeitig ist er natürlich intern auch mein größter Konkurrent - das gilt beiderseits."

"Für mich wird es alles etwas anders als zuletzt in den Formelserien. Ich bin der Newcomer, Jamie geht in seine zehnte Saison. Ich möchte von ihm lernen. Er ist mit all seiner Erfahrung diesbezüglich natürlich der beste Partner. Es passt auch vom Typ her gut. Von daher kann ich mir keinen besseren Audi-Kollegen an meiner Seite wünschen."

Nico Müller

Konzentriert im Rennwagen: Nico Müller bei der Arbeit im Audi RS5 DTM Zoom

Frage: "Auf deiner Homepage steht, dass du nicht gut verlieren kannst. Wie lässt sich das mit einer Rookiesaison in der DTM vereinbaren?"
Müller: "(lacht) Auch hier wird es wohl eine neue Situation für mich geben. Ich habe mich bislang nicht gern mit Niederlagen abgefunden, aber in der Rookiesaison in der DTM muss ich mich wohl damit abfinden, dass ich zunächst Lehrgeld zahle. Ich werde wahrscheinlich nicht von Anfang an ganz vorne dabei sein. Diesen Druck muss ich reduzieren und mir die Zeit geben, um zu lernen. Die DTM gehört zu den stärksten Serien weltweit."

Frage: "Viele Nachwuchspiloten, die aus der Formel 3 oder - wie du - aus der Renault-World-Series in die DTM kommen, beschreiben ein DTM-Auto vom Verhalten her ähnlich wie ein Formelauto. Wie ist dein Eindruck?"
Müller: "Im Vergleich zu meinem letztjährigen Auto aus der Renault-3,5-Liter-Klasse hat ein DTM-Auto etwas weniger Leistung, außerdem ist der aerodynamische Abtrieb geringer. Im grundsätzlichen Konzept des Autos gibt es keine großen Unterschiede. Natürlich sieht es ganz anders aus. Man muss sich auch an gewisse Dinge gewöhnen: man sieht die Vorderräder nicht, man hat ein Dach über dem Kopf, die Sicht ist anders."

"Abgesehen von diesen offensichtlichen Unterschieden ist das Konzept eigentlich sehr nahe am Formelauto. Ein DTM-Fahrzeug ist um ein Karbon-Monocoque aufgebaut. Das ist bei einem Formelauto genauso. Diese Parallelen spiegeln sich auch im Fahrverhalten wider. Der Audi RS5 DTM ist agil, wendig und ein pures Rennauto."

Kampf gegen alte Weggefährten

Frage: "Wie viele Tests hast du schon absolviert? Und was kommt bis zum Saisonstart noch auf dich zu?"
Müller: "Ich habe bisher drei DTM-Tests mit Audi absolviert - zwei im alten A4 DTM bei den Nachwuchs-Sichtungen und einen im neuen RS5 DTM im vergangenen August in Spielberg. Jetzt folgen hoffentlich noch möglichst viele weitere Tests, bevor die Saison startet. Wegen des Reglements werden es wohl nicht allzu viele Testtage sein, aber immerhin. Ziel ist es, das Maximum aus diesen wenigen Kilometern zu machen. Ich möchte möglichst schnell dorthin kommen, dass ich in jeder Runde das Optimum abrufen kann."

"Auch abseits der Strecke will ich jedes kleinste Details lernen und aufsaugen. Wenn es in Hockenheim ernst wird, möchte ich gern alles im Griff haben. Dadurch könnte ich mich dann besser auf die letzten Details konzentrieren. Man hat in den vergangenen Jahren gesehen, dass alles davon abhängt, ob man diese letzten Zeitspäne herauskitzeln kann."

Frage: "Du triffst in der DTM alte Rivalen wieder, zum Beispiel Mercedes-Pilot Robert Wickens, gegen den du 2011 in der GP3 intensiv gekämpft hast. Freust du dich auf ein Wiedersehen?"
Müller: "Es freut mich sehr, dass ich zwei oder drei bekannte Gesichter wiedersehen werde. Da ist beispielsweise auch Antonio Felix da Costa, der ebenso wie ich aus der Renault-World-Series aufsteigen wird. Es ist schön, wieder gegen alte Kollegen anzutreten. Außerdem ist es eine interessante Messlatte. Robert Wickens hat es gezeigt, denn er zählt beim Mitbewerber zu den Speerspitzen. Das muss auch mein Ziel sein, dass es innerhalb von zwei, drei Jahren für mich bei Audi in diese Richtung geht."

Von Rechtslenkern und Schutzinstinkt

Frage: "Lewis Hamilton und Fernando Alonso gelten als deine Vorbilder. Heißt das, dass die Formel 1 weiterhin dein Traumziel bleibt?"
Müller: "Nein, denn das ist eher auf den Typ Fahrer bezogen und weniger auf deren Karriereverlauf. Ich sehe eine andere Persönlichkeit mittlerweile als Vorbild an: Marcel Fässler ist nicht nur ein guter Freund, sondern er ist auch jemand, den ich sehr bewundere. Er hat eine großartige Karriere hingelegt - und die läuft auch heute noch sehr, sehr gut. Er ist bodenständig geblieben und ein guter Typ. Eine solche Karriere wäre auch für mich ein Ziel. Der Startpunkt ist in diesem Jahr in der DTM."

Frage: "Rennfahrer gelten als abergläubisch. Hast du auch gewisse Abläufe oder Glücksbringer, die dir helfen sollen?"
Müller: "Ja, wir Fahrer haben wohl alle so kleine Ticks dieser Art. Bei mir war es einige Jahre lang eine Halskette, die ich immer getragen habe. Davon habe ich mich dann aber wieder verabschiedet. Im Formelsport bin ich immer von links ins Auto gestiegen. Das ergibt sich beim DTM-Auto sowieso zwangsläufig. Ich bin froh, dass wir nicht in England mit Rechtslenkern fahren - dort wäre das ein Problem! (lacht)"

Frage: "Deine Mutter wollte ursprünglich nicht, dass du Rennfahrer wirst. Wahrscheinlich hatte auch sie gewisse Ängste wie viele andere Mütter. Was sagt Mama denn nun zum DTM-Drive?"
Müller: "Am Anfang meiner Karriere war das tatsächlich alles nicht so einfach. Wir sind keine klassische Rennfahrer-Familie, es gibt also diesen Hintergrund im Motorsport bei uns nicht. Das war also auch für meine Mutter alles neu. Sie musste sich daran gewöhnen. Es hat sich gut eingespielt. Jetzt ist sie einer meiner größten Fans. Wenn sie abends im Internet surft, dann schaut sie immer auf Motorsport-Seiten. Meine Familie ist jetzt auch infiziert vom Motorsportvirus."

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