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Andreas Spellig: "In der DTM weht ein frischer Wind!"

Andreas Spellig präsentiert ab Mittwoch auf Sport1 den neuen Motorsport-Talk "Boxenfunk" - Wir haben mit dem Moderator über die Show und die DTM gesprochen

(Motorsport-Total.com) - Als ein gewisser Michael Schumacher 1991 in Spa-Francorchamps sein Formel-1-Debüt gab, war Andreas Spellig schon mit dabei. Der Journalist und Moderator hat im Motorsport schon so ziemlich alles miterlebt und wird am Mittwoch erstmals den neuen Motorsport-Talk "Boxenfunk" auf Sport1 präsentieren (Hier alle Infos nachlesen!). Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' verrät der 51-Jährige, was uns in der Show erwartet. Außerdem wagt er einen Blick zurück auf seine lange Karriere im Motorsport.

Titel-Bild zur News: Andreas Spellig

Andreas Spellig hat im Motorsport schon so ziemlich alles miterlebt Zoom

So erinnert sich Spellig beispielsweise an eine Szene aus dem Jahr 1996, als sich zwei bekannte Teamchefs in der damaligen ITC fast vor laufenden Kameras an die Gurgel gegangen wären. Außerdem verrät der ehemalige Kunstturner, warum der Unterschied zwischen einem Turner und einem Rennfahrer gar nicht so groß ist, wie man im ersten Moment vielleicht denken würde...

Frage: "Herr Spellig, momentan proben sie noch ganz fleißig. Wie laufen denn die Vorbereitungen?"
Andreas Spellig: "Wie bei allen Proben für ein ganz neues Format wird natürlich hier und da noch feinjustiert, aber das macht es ja gerade spannend für die erste Sendung! Es ist natürlich ein Abenteuer, weil es etwas ganz Neues ist. Lassen wir uns überraschen."

Frage: "Worauf freuen sie sich denn besonders in der ersten Ausgabe?"
Spellig: "Zuerst einmal natürlich auf die Gäste und darauf, dass es überhaupt so ein Format gibt. Dass man auch einmal die Fahrer abseits der Rennstrecke erlebt. Mit Audi-Leiter Dieter Gass haben wir auch einen Teamchef in der Sendung. Ich hoffe, dass auch tatsächlich mal mit offenem Visier diskutiert wird, und dass nicht alles politisch korrekt ist (lacht; Anm. d. Red.), sodass man auch kontroverse Themen ansprechen kann, die den Fan interessieren."


Fotos: DTM in Moskau, Sonntag


Frage: "Wobei sich die DTM in dieser Hinsicht ja sowieso deutlich offener präsentiert als beispielsweise die Formel 1..."
Spellig: "Das ist natürlich der Unterschied: Die Formel 1 ist deutlich abgeschotteter... Ich habe das ja viele Jahre begleitet. Das macht zum Teil dann auch weniger Spaß. Ich glaube, das führt auch dazu, dass das Interesse nachlässt. Die Formel 1 ist sehr anonym geworden, die Fans haben weniger Zugang. Da haben sich die ITR und die DTM in den vergangenen Jahren wirklich gewandelt. Früher war es natürlich auch nicht gerne gesehen, wenn man kritisch über die Serie gesprochen hat. Aber da weht jetzt ein frischer Wind. Auch wir wollen in der Sendung auch mal schwierige Themen ansprechen."

Die dreiköpfige RTL-Redaktion...

Frage: "Sie haben gerade schon angesprochen, dass sie die Formel 1 viele Jahre begleitet haben, später dann auch die DTM. Wie sind sie denn überhaupt zum Motorsport gekommen?"
Spellig: "Ich war als Kind schon immer motorsportbegeistert. Mein Vater hat mich damals zum Beispiel auf die Nordschleife mitgenommen. Als Kind habe ich damals in den Siebzigerjahren schon immer die heißen Duelle von den tollkühnen Männern in ihren Blechkisten erlebt - das, war für mich wirklich richtiges Racing! Dann kam ich während des Studiums zu RTL, habe dort volontiert. Dort gab es einen Mann namens Willi Knupp, der leider nicht mehr lebt. Er hat durch seine engen Beziehungen zu Bernie Ecclestone die Formel-1-Rechte zu RTL geholt."

Michael Schumacher

Als Michael Schumacher 1991 sein Debüt gab, war Andreas Spellig mit RTL dabei Zoom

"Was keiner weiß: In der Anfangszeit 1991 - als RTL die Rechte bekam - bestand die Redaktion gerade mal aus drei Leuten! Da gab es zum Beispiel die Situation, dass ich am Samstag noch in Kanada in Montreal war, und nach dem Qualifying dann schnell nach Köln zurückgeflogen bin, um am Sonntag das Rennen zusammenzufassen. Später bin ich dann zur ARD gegangen und habe dort die Formel-1-Zusammenfassungen gemacht. Später kam dort dann parallel zur Formel 1 auch noch die DTM dazu."

Frage: "Gibt es aus dieser Zeit eine besondere Anekdote?"
Spellig: "Es gibt eigentlich so viele! In der DTM erinnere ich mich zum Beispiel an die ITC-Zeit zurück. 1996 war Alfa noch als Hersteller dabei. Die Teamchefs von Alfa und Mercedes - Giorgio Pianta und Norbert Haug - gingen sich damals wirklich fast an die Gurgel. Da mussten Leute dazwischen gehen, damit es in der Boxengasse nicht handgreiflich wird! Dann kam das Saisonfinale in Suzuka, was gleichzeitig das Ende der ITC war. Da wurde dann wieder gemeinsam gefeiert, und man hat gegenseitig die Hospitalities abgerissen. Das waren ganz witzige Geschichten."

"Als RTL die Formel-1-Rechte bekam, bestand die Redaktion gerade mal aus drei Leuten!" Andreas Spellig

"Oder später bei der ARD, wo ich die DTM kommentiert habe, gab es in Zandvoort ein Rennen. Ich war mit meiner damaligen Freundin am Strand. Wir hatten damals einen Hund, den haben wir im Hotelzimmer gelassen. Und als wir wiederkamen, hatte er sämtliche Unterlagen samt des USB-Sticks, auf dem ich alles gespeichert hatte, zerfleddert! Dann bin ich am Sonntag quasi im Blindflug ins Rennen gegangen. Da gibt es natürlich noch viel mehr..."

Vom Turnen zum Motorsport

Frage: "Sie haben selbst einen sportlichen Hintergrund als Kunstturner. Das ist ja auf den ersten Blick doch ganz schon weit weg vom Motorsport..."
Spellig: "Ja, aber komischerweise sind viele Turner total motorsportbegeistert. Und die Rennfahrer sind heutzutage ja auch 'multifunktional' einsetzbar als Sportler. Das ist ein Trend, den auch Michael Schumacher begründet hat. Es sind viele Ausdauersportler dabei, viele machen Krafttraining. Turnen war eine Einzelsportart - wie Rennfahren letztendlich auch. Es hat auch viel mit Koordination und Wahrnehmung zu tun. Also da gibt es schon gewisse Parallelen, wenn man danach sucht. Bei mir hat es zum Rennfahrer nicht gereicht, da fehlten auch die finanzielle Unterstützung und eine Rennstrecke in der Nähe. So bin ich dann halt beim Turnen hängengeblieben."


Fotostrecke: Top 10: Die längsten DTM-Karrieren

Frage: "Sie sagen selbst, dass Rennfahren eigentlich ein Einzelsport ist. Wie sehen sie dann zum Beispiel das Thema Stallorder am Wochenende in Moskau?"
Spellig: "Ich kann es aus Sicht der Hersteller verstehen. Aber für den Fan ist es schwer nachvollziehbar. Ich sage auch, dass Stallorder kein Racing ist. Das ist übrigens auch eine These, die wir morgen behandeln werden. Da wird das Thema Stallorder eine große Rolle spielen, und ich werde auch Dieter Gass damit konfrontieren. Wir haben ja auch gesehen, dass Edoardo Mortara Jamie Green vorbeilassen musste, obwohl Mortara selbst noch gute Chancen auf die Meisterschaft hat. Das ist wirklich ein sehr zweischneidiges Schwert. Ich denke, der richtige Fan will pures Racing sehen - ohne irgendwelche Ansagen vom Kommandostand."

Alte oder neue DTM?

Frage: "Wie sehen sie die Entwicklung der DTM generell - Gerade im Vergleich zwischen der alten und der neuen DTM?"
Spellig: "na ja, wieso ist die alte DTM kaputtgegangen? Das waren so hochkomplexe Rennfahrzeuge mit so viel Technik, die so unglaublich teuer waren, dass die Hersteller sich das letztendlich nicht mehr leisten konnten. Auch dieser Ansatz, das Ganze zu internationalisieren... Jetzt kann man sagen, wir sehen gerade etwas Ähnliches mit den Auslandsrennen, die man aus Fansicht auch kritisch betrachten kann. Klar, jetzt sagen die Hersteller: 'Das sind wichtige Märkte für uns.' Aber um noch einmal auf das Thema alte/neue DTM zurückkommen: Ich persönlich finde, dass wir früher mehr Typen hatten - Wobei sich das jetzt glücklicherweise schon wieder ändert. Aber früher gab es auch mehr Duelle abseits der Rennstrecke. Da ist man sich auch verbal an die Gurgel gegangen (lacht). Das war natürlich sehr unterhaltsam für die Fans!"

Timo Scheider

In der ersten Ausgabe von "Boxenfunk" ist unter anderem Timo Scheider zu Gast Zoom

"Ich glaube, man hat das seitens der ITR erkannt. Man versucht da jetzt offener zu werden. Was ich in dieser Saison aber zum Beispiel toll finde, ist die Chancengleichheit. Man hat es tatsächlich hinbekommen, mit diesem heiklen Thema Zusatzgewichte eine Rennserie zu schaffen, in der quasi alle 24 Fahrer siegfähig sind. Wir hatten noch nie so eine Ausgeglichenheit und noch nie so viele Fahrer, die oben auf dem Podium standen. Das ist absolut lobenswert. Ich würde mir aber noch mehr Rennen wünschen und vielleicht einen zusätzlichen Hersteller. Wenn ich da alleine an Opel denke: Opel hat so eine große Fangemeinde, und die hat damals in der DTM viel Stimmung gemacht. Das wäre für die ganze Rennserie gut, aber das ist natürlich Zukunftsmusik."

Frage: "Im Hinblick auf die schon angesprochene Chancengleichheit ist die Frage vielleicht etwas unfair, aber wer ist denn ihr Titelfavorit?"
Spellig: "Das ist natürlich echt schwer zu sagen... Es werden noch maximal 150 Punkte vergeben. Klar hat Marco Wittmann jetzt wieder eine gute Chance, aber am Samstag haben wir wieder gesehen, wie schnell sich das ins Gegenteil ändern kann. Ich würde mir wünschen, um das mal diplomatisch zu formulieren, dass bis zum zweiten Rennen in Hockenheim noch vier oder fünf Fahrer Chancen haben, und dass wir wirklich ein spannendes Finale sehen."

"Ich würde mir noch mehr Rennen wünschen und vielleicht einen zusätzlichen Hersteller." Andreas Spellig

Frage: "Dann abschließend noch die Frage: Warum muss der Motorsportfan morgen Abend unbedingt einschalten?"
Spellig: "Weil er ein Format erleben wird, bei dem er Rennfahrer ungeschminkt, ohne Helm und unpolitisch diskutieren sehen wird! Dazu gibt es zwei Bestandteile der Sendung, die es so auch noch nicht gegeben hat. Zum einen haben wir ein Analysetool, wie wir es auch aus dem Fußball kennen. Dort werden wir strittige Szenen behandeln. Das wird im Fall Moskau beispielsweise die Szene Glock/di Resta sein. Die werden wir mit den Rennfahrern auseinandernehmen und schauen, wie es dazu kommen konnte. Zum anderen haben wir mit 'Zündstoff' eine Rubrik, in der dann auch provokante Thesen formuliert werden, die sicherlich für viel Diskussionsstoff sorgen werden."

Frage: "Gibt es abschließend noch etwas, das sie den Lesern mit auf den Weg geben möchten?"
Spellig: "Einschalten und Keep on Racing!"