• 20.06.2012 17:09

  • von Christian Nimmervoll & Roman Wittemeier

Wurz: "Man muss realistisch sein"

Alexander Wurz analysiert Toyotas Performance in Le Mans: Warum man so oder so nicht ins Ziel gekommen wäre, der Auftritt aber dennoch erfolgreich war

(Motorsport-Total.com) - Zumindest sechs Stunden lang war Toyota bei den 24 Stunden von Le Mans ein ernstzunehmender Herausforderer der Audi-Flotte, bis ein schwerer Unfall von Anthony Davidson eine Kettenreaktion auslöste, der auch das zweite Auto zum Opfer fiel. Doch selbst wenn die beiden TS030 nicht mit anderen Autos kollidiert wären, hätten sie im Kampf um den Gesamtsieg wohl kaum eine Rolle gespielt.

Titel-Bild zur News: Nicolas Lapierre, Kazuki Nakajima, Alexander Wurz

Im Rahmen der Erwartungen ist Le Mans 2012 für Toyota positiv verlaufen

"Nein", antwortet Alexander Wurz kurz und knapp auf die Frage, ob sein Toyota mit der Startnummer sieben ohne Kollision mit dem Nissan-DeltaWing die Zielflagge gesehen hätte. Denn: "Nach Nakajimas Unfall mussten wir einige Dinge sowieso wechseln." Unter anderem die Black-Box und verschiedene elektronische Komponenten. "Wegen der Integration des Hybrid ist die ganze Elektronik sehr kompliziert. Es ist wie früher, wenn du auf deinem Computer irgendwas anschließen wolltest, was dann alles durcheinander gebracht hat", erklärt Wurz.

Unfall bremste die Vorbereitungen

Vorwurf könne man Toyota aber keinen machen: "Alles Dinge, die auf den Zeitdruck zurückzuführen sind", spricht er den späten Projektstart im vergangenen Oktober an. Dass dann in der Vorbereitungsphase in Spa-Francorchamps auch noch ein Chassis zerstört wurde, habe sich zusätzlich "extrem" ausgewirkt: "Wenn du von fünf Monaten Entwicklungszeit ein Monat wegnimmst, kannst du dir in Prozent ausrechnen, wie viel das ist. Wir haben dadurch sehr viel Zeit der Ingenieure verloren, alles genau zu verstehen und zu analysieren. Diese Energie hätte eigentlich in die Verbesserung und nicht in die Analyse fließen sollen."

"Aber wenn das Programm von Anfang an so am Zeitlimit ist, passiert das eben", zeigt der Österreicher Verständnis. "Mir war das immer bewusst, denn ich habe schon sehr früh unterschrieben. Für mich war es immer ein Plus, dass wir dann doch schon dieses Jahr in Le Mans gefahren sind. Als ich vergangenes Jahr im August Gespräche aufgenommen habe, dachte ich, dass wir diese Saison vielleicht ein Rennen fahren würden, aber es wurde immer weiter vorgezogen. Einerseits schmerzt es, andererseits muss man auch realistisch sein und sagen, dass das Dinge sind, die in der Phase normal sind."


Toyota-Drama: Führung und Unfall

Testfahrten in der Öffentlichkeit

Dass Toyota vom Tempo her ein ordentliches Qualifying und ein erstaunliches Rennen abliefern konnte, ist positiv, allerdings hat das Auto nach wie vor noch nie 24 Stunden am Stück geschafft. Aufgrund der Kürze der Zeit sei das ganz normal, aber: "Bei uns spielt sich die Entwicklungsphase mehr öffentlich ab als bei den anderen", stellt Wurz den Le-Mans-Auftritt als Test unter Rennbedingungen dar. "Diese Dinge sind ganz normal, aber normalerweise werden sie beim Testen aussortiert. Dafür hatten wir halt nicht die Zeit."

So kam es dann auch, dass Wurz in der Anfangsphase zwar an Markenkollege Stephane Sarrazin vorbeigehen konnte, auf die führenden Audis aber Boden verlor. Das war keine Rennstrategie, sondern hing mit einem technischen Defekt zusammen: "Am Start hatte ich ein kurzes Problem mit der Software. An und für sich überhaupt kein Problem, aber ich musste einen Reset machen, was drei Runden gedauert hat. Wir hatten einen Switch falsch eingestellt", gesteht der ehemalige Formel-1-Pilot.

Alexander Wurz

Alexander Wurz hat 2012 nie mit einer Chance auf den Sieg gerechnet Zoom

"Eigentlich wollte ich sofort attackieren, aber so musste ich ein bisschen warten. Da waren die Audis schon zu weit weg", fährt er fort. "Es war ähnlich wie im Vorjahr: Wenn die Autos schnell losschießen, haben sie im zweiten, dritten Stint ihre Probleme. Das haben wir wieder gesehen. Wir waren gleichauf und konnten uns heranarbeiten, bis Nicolas (Lapierre; Anm. d. Red.) dann sogar die Führung übernommen hat. Das war schon sehr cool, muss ich sagen - mehr als wir uns erwartet hätten."

PS-Leistung muss verbessert werden

Toyota habe bei der Rückkehr nach Le Mans "viel Potenzial" bewiesen, gleichzeitig gibt es aber auch noch viele Bereiche, die verbessert werden müssen. Welche konkret? "Teaminterne Sachen", weicht Wurz aus. "Aber natürlich musst du dich verbessern." Zum Beispiel auch den dritten Sektor der Strecke: "Das hängt mit der Aerodynamik zusammen, weil wir auf den Geraden schneller fahren", erklärt der 38-Jährige. "Allerdings haben wir ein Leistungsmanko, also müssen wir weniger Abtrieb fahren. Das spürt man in den Porsche-Kurven."

So ist ihm auch klar, dass sich Audi wahrscheinlich nicht hundertprozentig strecken musste, um das Toyota-Tempo zu kontern. Die meisten Experten glauben, dass die Ingolstädter bewusst Tempo rausgenommen haben, um kein Risiko einzugehen. So kam nur selten schwarzer Rauch aus dem Auspuff - beim Dieselantrieb ein Zeichen dafür, dass dessen Leistung voll ausgeschöpft wird. Die Feststellung, dass Toyota noch im Rückstand sei, "ist kein Vorwurf, sondern es ist eine Tatsache, der man sich stellen muss", meint Wurz selbstkritisch.


Fotos: 24 Stunden von Le Mans, Rennen


Keine eigenen Michelin-Reifen

Gleichzeitig wittert er schon Bereiche, in denen man bis nächstes Jahr Performance gewinnen kann. Einer sind die Reifen, um die sich Toyota mangels Zeit quasi noch gar nicht kümmern konnte: "Michelin konnte keinen Reifen für uns bauen. Wir haben den Peugeot-Reifen übernommen, der für einen Diesel mit wesentlich mehr Drehmoment ausgelegt ist. Das heißt, wir fahren Reifenmischungen, die für unser Auto noch nicht optimiert sind. Da steckt auch viel Potenzial drin", vermutet Wurz.

Doch bei TMG in Köln hat ohnehin kaum jemand damit gerechnet, schon im ersten Jahr die Zielflagge zu sehen. Hauptziele für das vergangene Wochenende waren, möglichst viel zu lernen und auch der Konzernführung in Japan zu demonstrieren, dass das Projekt Le Mans Zukunft hat. Diese Botschaft dürfte angekommen sein, was sich doppelt auswirken könnte: Bei TMG in Köln hofft man erstens, zumindest beim WEC-Lauf in Fuji ein zweites Auto einsetzen zu dürfen, und zweitens wäre mehr Geld für die Weiterentwicklung hilfreich.

"Das ist jetzt der vierte Takeoff, dem ich bei meinen Teamkollegen zuschaue." Alexander Wurz

Für Wurz persönlich war das 2012er-Rennen "eine richtige Hochschaubahn. Zuerst siehst du das tolle Duell auf der Strecke. Dann Schnitt zum Unfall. Du denkst: Was war jetzt? Wir dachten vielleicht an einen Reifenschaden, aber dann kommt das Replay vom Takeoff. Das ist jetzt der vierte Takeoff, dem ich bei meinen Teamkollegen zuschaue. Zweimal Gene, einmal Minassian, jetzt Davidson - dreimal Peugeot, einmal Toyota. Das sind alles Flugakrobaten!"

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