• 09.07.2012 16:46

  • von Roman Wittemeier

Sicherheitsdiskussion: Neue Ansätze sind gefragt

Der heftige Unfall von Anthony Davidson hat die Diskussion um die Sicherheit im LMP-Sport neu entfacht: Finnen, Löcher und ganz viel Schaumstoff?

(Motorsport-Total.com) - Der schwere Unfall von Toyota-Pilot Anthony Davidson war der große Schockmoment des diesjährigen Jubiläumsrennens in Le Mans. Wieder einmal war ein schneller LMP1-Prototyp ausgehebelt und in die Luft geschleudert worden. Unter anderem Marc Gene und Nicolas Minassian hatten bei ihren Einsätzen für Peugeot ähnliche Szenarien erlebt. ACO und FIA hatten schon damals reagiert. Im ersten Schritt kam die obligatorische Heckfinne, später die neuen Radhaus-Entlüftungen.

Titel-Bild zur News: Anthony Beltoise, Allan McNish

Viele LMP1-Crashs gingen glimpflich aus: Hier Allan McNish in Le Mans 2011

Beide Maßnahmen verhinderten den Flug des Toyota TS030 nicht. Nach Ansicht einiger Fachleute im Fahrerlager war sogar das Gegenteil der Fall. Die mächtige Heckfinne soll den Auftrieb unter gewissen Bedingungen sogar noch verstärken, heißt es. Dies war ACO und FIA seit langer Zeit bekannt. Schon im September 2010 hatte der Oreca-Technikchef David Floury seine Bedenken im Interview mit 'Motorsport-Total.com' klar zum Ausdruck gebracht.

"Ich will ganz ehrlich sein: Wir haben eine Studie anfertigen lassen, die sich mit den Auswirkungen der Flosse beschäftigt hat. Ich bin seither nicht mehr ganz so überzeugt von der Lösung", meinte der Franzose damals ganz offen. Floury sprach den zahlreichen Zweiflern aus der Seele. Aber konnten die neuen Erkenntnisse die Einführung der Heckfinne verhindern? Nein. Der ACO wollte von den Gefahren nicht viel wissen. Der Le-Mans-Veranstalter musste sichtbare Sicherheitsmaßnahmen für die Öffentlichkeit parat haben.

"Es hat sich gezeigt, dass die Flosse nur bei einem bestimmten Winkel zuverlässig wirkt. Verlässt du dieses Fenster, wird der Effekt nicht nur geringer, sondern er kann sogar ins Negative umschlagen", schilderte Floury. Genau dies ist beim Davidson-Crash an der Sarthe offenbar passiert. Der Toyota kam, angestoßen einem GT-Ferrari, quer zur Fahrtrichtung und hob ab. Ganz ähnlich soll der Testunfall von Nicolas Minassian in Le Castellet abgelaufen sein. Allerdings hatte am Peugeot des Franzosen die Hinterachse überbremst.

"Wir wissen, was Anthony in Le Mans passiert ist. Wir arbeiten an einigen Dingen", wird ACO-Sportdirektor Vincent Beaumesnil von 'Autosport' zitiert. "Es sind echte Experten involviert. Diese schauen sich nun verschiedene Lösungen an. Das geht aber nicht von heute auf morgen." Der ACO hat womöglich aus den Erfahrungen der vergangenen Monate gelernt. Man will keinen weiteren Schnellschuss setzen. Die Finne hat nicht gefruchtet, die großen Löcher in den Radhäusern ebenso wenig.

Im Gegenteil: Viele Piloten beklagten sich bei nassen Verhältnissen über die schlechtere Sicht, die durch die großen Öffnungen entsteht. Die Gischt tritt an der Vorderachse nach oben aus und bildet bei voller Fahrt auf beiden Seiten des Cockpits einen dichten Wasserschleier. Die Sicht zu den Seiten war nicht nur eingeschränkt, sondern geradezu unmöglich. Ob beim Crash von Davidson der durch die Löcher geringere Luftstau einen Unterschied ausmachte, ist unklar.

Für 2014 sind neue Maße in den Coupés vorgeschrieben. Die Cockpits sollen größer werden, die Piloten höher und weiter vorne sitzen. Die Rundumsicht soll somit verbessert werden. Dies könnte ein wichtiger Faktor werden, um das Risiko von Berühungen im Überrundungsverkehr zu vermeiden. Allerdings waren in den vergangenen Jahren in solchen Situation - wie auch vor drei Wochen in Le Mans - nicht selten Amateur-GT-Piloten die Verursacher solcher Zwischenfälle.

Anthony Davidson

Die Bilder vom Davidson-Unfall ließen noch Schlimmeres befürchten Zoom

Es sind auch an anderer Stelle neue Maßnahmen gefragt. "Bei meinem Einschlag in die Barrieren wirkten nur 10g, beim Aufprall auf der Strecke waren es allerdings 35g. Dabei habe ich mir die Verletzung zugezogen. Wir sitzen ganz tief auf dem harten Boden. Alle Kräfte wirken bei einem solchen Unfall sofort auf den Rücken", schildert Davidson gegenüber 'Autosport'. Der Brite ist nach zwei Wirbelbrüchen auf dem Weg der Besserung. Am Sonntagabend hatte er Besuch von seinen Fahrerkollegen Alex Wurz und Marc Gene ("Wir haben viel Spaß gehabt!").

Beim Thema Sicherheit im LMP1-Auto hört der Spaß allerdings auf. "Ich sitze auf schätzungsweise zehn Zentimeter dickem Zweikomponenten-Schaum", sagt Davidson, dessen Sitzschale besonders dick ausfällt, weil er sich das Cockpit mit dem deutlich größeren Wurz teilt. "Wahrscheinlich hat mich diese Schaumschicht vor noch schlimmeren Verletzungen bewahrt." Experten sollen nun prüfen, ob eine veränderte Sitzhaltung Rückenverletzungen künftig vermeiden könnte.

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