24h Nürburgring 2016: Black Falcon siegt im Mercedes-Kampf

Hochspannende Mercedes-Festspiele und engstes Rennen aller Zeiten bei den 24h Nürburgring 2016: Black Falcon führt einen Vierfachsieg der Stuttgarter an

(Motorsport-Total.com) - Im packendsten Finale in der Geschichte des 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring hat sich Black Falcon den Sieg gesichert. Ein kontroverses Manöver von Maro Engel in der letzten Runde bescherten ihm, Bernd Schneider, Adam Christodoulou und Manuel Metzger den Sieg bei der 44. Ausgabe des Langstreckenklassikers auf der Nürburgring-Nordschleife. Mercedes dominierte nach Belieben: fünf AMG GT3 lagen unter den besten Sechs. Schon zuvor hatte das Rennen eine historische Note bekommen, als ein Hagelschauer für Chaos sorgte.

Titel-Bild zur News: Bernd Schneider, Maro Engel

Black Falcon gewann das spannendste 24h-Rennen aller Zeiten Zoom

Es war das dramatischste Finale aller Zeiten in der "Grünen Hölle", als zwei Runden vor Schluss der HTP-Mercedes #29 von Christian Vietoris, Marco Seefried, Christian Hohenadel und Renger van der Zande nur fünf Sekunden vor dem späteren Siegerfahrzeug vom letzten Boxenstopp auf die Strecke zurückkam. Bis dahin hatten sich die beiden AMG-Boliden wegen unterschiedlicher Boxenrhythmen nur im Fernkampf duelliert. (Die Chronologie des Rennens)

Maro Engel fuhr binnen einer Runde die Lücke zu. Als es in die letzte Runde ging, wurden die Handschuhe ausgezogen. Engel hatte einen deutlich besseren Speed und bremste sich schließlich mit einer Dive Bomb in der Ravenol-Kurve auf der Grand-Prix-Strecke vorbei und schickte die #29 von der Strecke. Das brutale Manöver wurde von der Rennleitung untersucht, sie entschied jedoch auf "no further action". Der Sieg von Engel/Schneider/Christodoulou/Metzger ist damit amtlich.

Manöver als Rennsituation eingestuft

Bernd Schneider verteidigt seinen Teamkollegen Maro Engel: "Das Überholmanöver war genial, und das ist das, was die Zuschauer sehen wollen. Wenn man zwei Autos in der letzten Runde verloren hätte, wäre das der Super-GAU, aber es ist gutgegangen. Es tut mir aber Leid für HTP, die trotzdem einen super Job gemacht haben."

Christian Vietoris von HTP bleibt ebenfalls versöhnlich: "Bis vor zehn Minuten war es noch geil, aber dann ist es schade, dass wir das Rennen in der letzten Runde verloren haben. Feindkontakt muss nicht unbedingt sein, aber wir racen hier und jeder HTP-Pilot wäre ebenfalls in die Lücke gegangen. Der Move war hart, geht aber in Ordnung. Glückwunsch an Black Falcon."

Lediglich Renger van der Zande spricht von einem "wahren Harakiri-Manöver", das sein Team um den Sieg gebracht habe, fügt aber hinzu: "Wenigstens ist es ein schönes Zeichen, dass Mercedes uns frei kämpfen lässt." Dass bei HTP durchaus großer Ärger herrscht, zeigt die Tatsache, dass Seefried, Hohenadel und van der Zande nicht zur offiziellen Pressekonferenz nach den Rennen erschienen.

Verhagelter Rennstart

Das 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife ist sicher nicht arm an Geschichten, doch bei der Ausgabe 2016 kam ein neues Kapitel hinzu: Schon nach 45 Minuten setzte ein monumentaler Hagelschauer ein, der die Streckenabschnitte Schwedenkreuz bis Metzgesfeld quasi in eine Winterlandschaft verwandelte. 22 Autos flogen in der Aremberg-Kurve ab; Fahrzeuge auf Slicks schafften es nicht einmal mehr, den Berg aus der Fuchsröhre hinaufzukommen. Konsequenz: Die Nordschleife verwandelte sich in den teuersten Parkplatz der Welt. Der Rennleitung blieb nichts anderes übrig, als die Rote Flagge zu zeigen.

Nach einer Unterbrechung von drei Stunden mussten noch drei Einführungsrunden absolviert werden, bis auf überfluteter Strecke neu gestartet werden konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der erste Favorit bereits verabschiedet: Nick Tandy war mit dem #911 Manthey-Porsche (Tandy/Estre/Bamber/Pilet) bereits in der allerersten Runde des ersten Teils des Rennens bei Trockenheit abgeflogen. Was genau passiert war, weiß selbst der Le-Mans-Sieger nicht - im Auftakttrubel hatte es vermutlich eine Kollision gegeben, was jedoch nicht endgültig geklärt werden konnte.

Mercedes in eigener Liga

Mercedes war in diesem Rennen nicht zu schlagen. Die Dominanz hatte sich bereits in den Trainingssitzungen abgezeichnet. Nach dem Restart waren es zunächst die beiden Haribo-Mercedes #8 und #88 (jeweils Alzen/Arnold/Götz/Seyffarth), die das Tempo bestimmten. Auf feuchter und abtrocknender Strecke waren die schwarzen Mercedes auch für die markeninterne Konkurrenz nicht zu erreichen.

Doch Haribo Racing sollte kein Glück haben: Um 23:10 Uhr war die #8 von Uwe Alzen, Lance David Arnold, Maximilian Götz und Jan Seyffarth aus dem Rennen, als Seyffarth mit einem Überrundeten im Bereich Pflanzgarten II kollidierte. Das andere Fahrzeug mit derselben Fahrerbesatzung überstand einen Auffahrunfall auf einen Audi R8 dank Tonnen von Klebeband fast ohne Zeitverlust und führte das Rennen lange an, bis um kurz nach elf Uhr am Sonntagvormittag der Blitz einschlug: 92 Sekunden Zeitstrafe wegen eines Code-60-Vergehens, damit fiel #88 letztlich auf den dritten Platz zurück.

Haribo Racing Team

Starke Vorstellung, aber wieder kein Sieg: Der Haribo-Mercedes #88 Zoom

In der Nacht fanden auch Black Falcon und HTP Motorsport ihr Tempo. HTP musste die #30 (Baumann/Mücke/Buhk/Jäger) nach einem Unfall abschreiben, doch die #29 konnte sich insbesondere am Sonntagvormittag, als es für zwei Stunden feucht war, in Szene setzen und zum führenden Mercedes #4 von Black Falcon aufschließen. Dieser hatte gegen Ende der Nacht das Tempo verschärft und den Haribo-Mercedes bis zu dessen Zeitstrafe unter Druck gesetzt.

Was Black Falcon beinahe zum Verhängnis wurde, war ein unplanmäßiger Boxenstopp um etwa 6 Uhr morgens, als Manuel Metzger nach einem beeindruckenden Stint frühzeitig reingeholt werden musste, weil es Vibrationen gegeben hatte. Das brachte den HTP-Mercedes wieder in Schlagdistanz, sorgte aber gleichzeitig auch für die unterschiedlichen Boxenrhythmen der beiden Spitzenfahrzeuge. Bis zum Schlagabtausch am Ende sollten sich die beiden V8-Boliden nie sehen.

Hinter Black Falcon, HTP und Haribo sicherte der zweite Black-Falcon-Mercedes, das Fahrzeug mit der #9 (Haupt/Buurman/Engel/D. Müller), den Kantersieg der Sterne ab. Maro Engel hatte den blauen Boliden im Top-30-Qualifying auf die Pole-Position gestellt und führte zu Beginn das Rennen an. Am Ende fehlte jedoch das letzte bisschen Speed. Auf Rang sechs kam ein weiterer AMG ins Ziel, der Zakspeed-Mercedes #75 (Heyer/Asch/Ludwig/Keilwitz).


Fotos: 24h Nürburgring, Rennen


Hoffnungen von BMW schnell verraucht

Am ehesten hätte BMW die dominante Vorstellung der Mercedes brechen können, doch die vier Top-Fahrzeuge der Münchner mussten diversen kleineren und größeren Problemen Tribut zollen: Der Schubert-M6 #18 (Farfus/Krohn/J. Müller/Wittmann) führte zwischenzeitlich das Rennen an, doch bei Einbruch der Dunkelheit ging der 4,4-Liter-Biturbo spektakulär auf der Döttinger Höhe hoch. In der Rauchwolke wäre um ein Haar der #88 Haribo-Mercedes abgeflogen, weil man nichts mehr sehen konnte.

Die Teamkollegen mit der #100 (Edwards/Klingmann/Luhr/Tomczyk) konnten zunächst nicht das beeindruckende Tempo der #18 gehen. Dafür nahmen sie in der Nacht die Rolle des besten Mercedes-Verfolgers ein. Ein bitterer Unfall auf der Grand-Prix-Strecke setzte dem Treiben dann am Sonntagmorgen ein Ende, als Lucas Luhr unschuldiges Opfer einer Kollision zweier Überrundeter wurde, die sich berührt hatten.


24h Nürburgring: Müllers BMW #18 geht in Rauch auf

Riesendrama für Jörg Müller und die Schubert-Truppe: Der führende BMW #18 qualmt nach wenigen Stunden plötzlich und muss aufgeben

Die Rowe-BMW hatten ebenfalls kein Glück: Die #22 (Graf/Westbrook/Catsburg/Palttala) hatte zunächst einen Reifenschaden zu beklagen und fiel später durch einen Unfall bei einer Überrundung aus; #23 (Sims/Eng/Martin/Werner) sprang beim Restart am Samstagabend nicht an und verlor daher mehrere Minuten. Am Ende war dieses Fahrzeug bester Nicht-Mercedes auf der fünften Position.

Audi hadert mit Balance of Performance

Die Vorjahressieger von Audi hatten 2016 nichts zu lachen: Schon früh war klar, dass der R8 LMS von der Performance her chancenlos sein würde. Schon nach wenigen Stunden herrschte Frust über die BoP-Einstufung des V10-Mittelmotorboliden. In den frühen Morgenstunden wurden binnen weniger Minuten gleich drei R8 aus dem Rennen gerissen: Zunächst strandete der WRT-Audi #1 (Mies) nach einem Unfall auf einer Ölspur im Bereich Klostertal. WRT bewies Sportgeist und beendete das Rennen auf Platz 46.

Nur kurze Zeit später kam es zum Audi-GAU, als der #6 Phoenix-R8 (Haase/Rast/Winkelhock/Stippler) mit dem Land-Boliden #28 (Basseng/de Phillippi/Rockenfeller/Scheider) auf dem Grand-Prix-Kurs kollidierte. Ein Missverständnis vor einer Code-60-Zone warf beide Boliden aus dem Rennen. Auch der #5 Phoenix-Audi (Stippler/Fjordbach/Mortara/Meyr-Melnhof) sah die Zielflagge nicht - zwei Stunden vor Ende war nach einem Unfall vorzeitig Schluss.

Robin Frijns

Platz acht war für Audi in diesem Rennen das höchste der Gefühle Zoom

Bester Vertreter der vier Ringe wurde letztlich der #2 WRT-R8 (Leonard/Frijns/Sandström/Vervisch) auf Rang acht. Frederic Vervisch hatte eine Sternstunde beim Restart im Regen, als er kurzzeitig auf die dritte Position nach vorn stürmte, doch schnell sollte das Fahrzeug wieder zurückfallen und profitierte schließlich von diversen Ausfällen der Konkurrenz. Der Twin-Busch-Audi #16 (Busch/Busch/Mamerow/Rast) komplettierte die Top 10 als Zehnter.

Debakel für Porsche

Am schlimmsten von den vier großen Herstellern erwischte es Porsche: Beide Manthey-Boliden mussten die Segel streichen. Nach dem bitteren Erstrundenaus für die #911 war der GT3 R #912 (Lietz/Bergmeister/Christensen/Makowiecki) lange Zeit ein heißes Eisen im Feuer. In der Nacht konnte der Heckmotor-Sauger das Tempo plötzlich nicht mehr mitgehen und verlor Positionen. Am Sonntagvormittag war mangels Vortrieb endgültig Schluss.

Der "Frikadelle" erging es nicht besser: Zunächst verloren Abbelen/Schmitz/Huisman/Siedler wegen diverser Problemchen viel Zeit, gegen Ende der Nacht war nach einem Unfall von Schmitz endgültig Schluss. Es war schlussendlich der Falken-Porsche #44 (Dumbreck/Henzler/Ragginger/Imperatori), der die Ehre für den neuen 911 GT3 R der Baureihe 991 rettete: Platz neun nach einer unauffälligen Fahrt. Bei Regen funktionierten die Falken-Reifen gut, im Trockenen aber war der bunte 911er ohne Chance.

Bentley fährt in die Top 10

Von den Exoten stand am Ende Bentley mit Platz sieben am erfolgreichsten da. Während die #37 (Jöns/Kane/Holzer/Brück) das gesamte Pech auf sich zog (am Ende Platz 17), kam #38 (Brück/Menzel/Smith/Hamprecht) ohne größere Probleme auf die siebte Gesamtposition. Beim ersten Bentley-Einsatz von C. Abt Racing beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring ein solides Ergebnis.

Nissan verpasste die Top 10 knapp; der #35 GT-R Nismo GT3 (Krumm/Ordonez/Hoshino/Bumcombe) sah als Elfter die Zielflagge. Aston Martin ging komplett baden und verlor beide Autos noch vor Rennhalbzeit nach einer glanzlosen Vorstellung. Die Scuderia Cameron Glickenhaus verlor ebenfalls alle Fahrzeuge: Der P4/5 Competizione konnte nach einem Unfall im zweiten Qualifying das Rennen gar nicht erst aufnehmen, die beiden SCG003 mussten ihrerseits das Rennen nach Unfällen frühzeitig beenden. Der Konrad-Lamborghini lag auf Top-10-Kurs, musste aber nach einem Unfall am Sonntagmittag das Rennen beenden.

Christian Menzel, Guy Smith

Reife Leistung: Abt brachte einen Continental GT3 in die Top 10 Zoom

Die 44. Ausgabe der 24 Stunden auf dem Nürburgring blieb damit größtenteils ein Schaulaufen der deutschen Hersteller. Selten hatten "Exoten" so wenige Chancen wie bei dieser Ausgabe. Bis auf Mercedes wird jedoch niemand wirklich zufrieden auf der Eifel abreisen. Im kollektiven Gedächtnis werden sich wohl sowohl der Hagelschauer als auch das knappe Finish einbrennen. Obwohl die Nürburgring-Nordschleife schon zahlreiche Geschichten geschrieben hat, kommen noch immer weitere hinzu.