• 17.01.2024 10:48

  • von Roland Hildebrandt

Mercedes SL: Produktionsende der Baureihe 107 vor 35 Jahren

Unglaubliche 18 Jahre lang, von 1971 bis 1989, baute Mercedes den SL der Baureihe 107 - Wir erzählen seine Historie mit SLC, USA und Wankelmotoren

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Ein Mercedes SL ist stets eine sichere Bank als Geldanlage. So auch die Baureihe 107 (1971-1989). Kein SL lief jemals länger vom Band, nach einigen Jahren Durststrecke steigen die Preise für den Roadster inzwischen rasant an. Vor 35 Jahren lief das letzte Exemplar vom Band. Wir blicken zurück auf eine vielfältige Historie.

Titel-Bild zur News: Mercedes SL (Baureihe 107, 1971-1989)

Mercedes SL (Baureihe 107, 1971-1989) Zoom

Die Erfolgsgeschichte der SL-Typen der Baureihe 107 dauert vom Frühjahr 1971 bis zum Sommer 1989. In dieser mehr als 18 Jahre währenden Epoche entstehen im Mercedes-Werk in Sindelfingen insgesamt 237.287 Roadster. Der Grund für die Langlebigkeit sind neben Verzögerungen bei der Entwicklung des Nachfolgers R 129 vor allem die ungebrochene Nachfrage in den USA.

Dort wird er zum Lifestyle-Objekt der Reichen und Schönen. Und flimmert durch TV-Serien wie "Dallas", "Denver-Clan" oder "Hart aber herzlich" massenweise auf deutschen Bildschirmen. Blicken wir zurück auf die Anfänge der Baureihe 107.

Das Design des R 107 wird von einer Fülle interner und von außen kommender Anforderungen mitgeprägt. Interne Forderungen sind unter anderem der Ruf nach stärkeren V8-Motoren sowie der vorgesehene Einbau von Kreiskolbenmotoren. Besonders für den Einbau der Wankelmotoren mit ihrem hohen Mittenabtrieb muss entsprechender Bauraum vorgehalten werden.

Mercedes SL (Baureihe 107, 1971-1989)

Mercedes SL (Baureihe 107, 1971-1989) Zoom

Vorgesehen sind Drei- und Vierscheibenmotoren. Aus dem Versuchsprotokoll erfährt man, dass beispielsweise 1971 der Einbau eines Vierscheiben-Versuchsmotors KE 413 in einen SL der Baureihe R 107 mit der internen Bezeichnung 48-33 zwei Monate und vier Tage dauert. Er leistet 277 PS (204 kW) und ist damit stärker als die damals vorhandenen Hubkolbenmotoren.

Doch die Aussichten werden damals vom Chefingenieur Hans Scherenberg und seinem Spezialisten für Verbrennungs- und Schadstoffreduzierungsfragen, Kurt Obländer, skeptisch beurteilt. Natürlich sieht man die Vorteile des Kreiskolbenmotors. Aber man erkennt aufgrund aller Erfahrungen mit den Versuchsfahrzeugen auch die Nachteile.

Auffallend gegenüber dem Vorgänger ist die starke Betonung horizontaler Gestaltungselemente. Die Front zeigt im Sinne der Markenphilosophie einer vertikalen Homogenität wieder ein klassisches SL-Gesicht. Dieses ist aber durch den Einsatz horizontaler Scheinwerferelemente in seiner Ausdehnung deutlich reduziert. Die Oberkante des verchromten Grillrahmens wirkt aufgrund der weniger stark gewölbten Linienführung deutlich straffer als bei der Vorgängerbaureihe W 113, der berühmten "Pagode".

Mercedes SL (Baureihe 107, 1971-1989)

Mercedes SL (Baureihe 107, 1971-1989) Zoom

Die sich an die Leuchteinheit anschließenden Blinker mit ihren in die Seitenlinie auslaufenden Blinkergläsern erfüllen Gesetzesvorgaben, die eine Sichtbarkeit von Blinkern auch von der Seite her vorschreiben. Insgesamt fällt die Gürtellinie höher aus als beim Vorgänger. Die dadurch bedingte größere Seitenfläche wird durch starke Betonung horizontaler Elemente aufgelockert.

Das Design des R 107 erfährt während der 18-jährigen Bauzeit nur marginale Veränderungen, die vor allem ab 1985 die Frontgestaltung betreffen. Hier werden, bedingt durch den Einsatz stärkerer Motoren mit höherem Kühlluftbedarf, Spoiler angebracht, die für eine bessere Zuführung der Kühlluft sorgen.

Ebenfalls ab 1985 werden nach der Modellpflegemaßnahme ausschließlich Aluminiumräder mit 15 Zoll Durchmesser und einem glatteren Design verwendet, die eine größer dimensionierte Bremsanlage ermöglichen.

Mercedes 500 SL (R 107) nach der Modellpflege von 1985

Mercedes 500 SL (R 107) nach der Modellpflege von 1985 Zoom

Die Reaktion der Presse auf den neuen SL fällt zu Beginn kritisch aus. Der belgische Journalist Paul Frère grantelt 1971 in der "Motor Revue": "Nachdem Daimler-Benz mit dem C 111 gezeigt hat, was es zu bieten imstande ist, hätte ich auf vielen Gebieten mehr erwartet. Schon rein optisch lässt der Wagen seinen Vorgänger nicht vergessen."

Und selbst Reinhard Seifert von der eher Mercedes-freundlichen "auto motor und sport" zeigt sich in Heft 20/1971 unterwältigt: "Von einem Fortschritt der Karosserie-Stilistik kann in diesem Fall nicht die Rede sein. Den 350 SL kann man wohl kaum als schöner bezeichnen als den ruhiger und klarer gestalteten 280 SL. Die stark gewölbte Haube stört auch von innen. Da die Gürtellinie sehr hoch liegt und nach hinten ansteigt, ergeben sich Sichtverhältnisse, die man höchstens genügend bezeichnen kann. Der Innenraum wirkt enger und dunkler, als man von modernen Sportwagen gewohnt ist."


Fotostrecke: Mercedes SL/Mercedes SLC

Zur Premiere des 4,39 Meter langen, 1,79 Meter breiten und mit geschlossenem Verdeck 1,30 Meter hohen Sportwagens im Frühjahr 1971 stellt Mercedes-Benz zunächst den Typ 350 SL (147 kW/200 PS) vor. Vom Frühjahr 1973 an ist dann in den europäischen Märkten auch der Typ 450 SL (165 kW/225 PS) lieferbar. Beide Typen werden von V8-Motoren angetrieben, dieser Einsatz von Achtzylinderaggre­gaten in SL-Sportwagen ist eine Premiere.

Bereits in seinem Premierenjahr 1971 bildet der 350 SL die technische und stilisti­sche Basis für ein viersitziges Coupé, das die Oberklasse-Coupés der Baureihe 111 ablöst. Diese SLC-Typen, beginnend mit dem im Herbst 1971 präsentierten 350 SLC, haben aber einen um 360 Millimeter verlängerten Radstand (2.820 Millimeter statt 2.460 Millimeter), um die hintere Sitzreihe unterzubringen.

Mercedes-Benz 450 SLC 5.0

Mercedes-Benz 450 SLC 5.0 "Rallywagen" (1979) Zoom

Auffallend sind die Lamellen im hinteren Fensterbereich. Ein Kniff, um die Seitenscheiben im Fond herunterfahren zu können. Auch im Motorsport setzt das Werk den SLC ein: Besonders auf Langstreckenrenen können die Typen 450 SLC 5.0 und 500 SLC gewisse Erfolge verbuchen. 1981 löst der neue Mercedes SEC den SLC ab, fortan basiert das Oberklasse-Coupé wieder auf der S-Klasse. Heutzutage notiert der SLC niedriger als der SL.

Cockpit eines frühen SL

Cockpit eines frühen SL Zoom

In ihrer äußerst erfolgreichen, 18 Jahre dauernden Produktionszeit wird die
SL-Baureihe 107 mit einer ganzen Reihe verschiedener Sechs- und Achtzylindermotoren ausgerüstet. Im Juli 1974 stellt die Stuttgarter Marke den 280 SL mit einem 136 kW (185 PS) starken Reihensechszylinder vor. Damit stehen nun drei SL-Motorisierungen zur Auswahl, das ist ein weiteres Novum in der Geschichte dieser Typenklasse. Im Laufe der Zeit werden alle Motoren bei leicht geänderten Leistungswerten modifiziert, um den mittlerweile auch in den meisten europäischen Ländern verschärften Emissionsgrenzwerten besser zu entsprechen.

Mercedes SLC (1971-1981) mit US-Stoßfängern

Mercedes SLC (1971-1981) mit US-Stoßfängern Zoom

1980 wird der 500 SL (177 kW/240 PS) mit Leichtmetallmotor neues Spitzenmodell der Roadster-Familie, während der 380 SL (160 kW/218 PS) den Typ 350 SL ablöst. Eine weitere Modellpflege bringt im Jahr 1985 als Nachfolger des Typs 280 SL den 300 SL (138 kW/188 PS), zudem gibt es nun alle Motoren auf Wunsch mit Abgaskatalysator. Neu im Programm ist der 420 SL mit V8-Motor (160 kW/218 PS ohne, 150 kW/204 PS mit Katalysator).

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Die spektakulärste Neuheit ist der Typ 560 SL (170 kW/230 PS), der allerdings den Exportmärkten USA, Australien und Japan vorbehalten bleibt. Trotz des vergrößerten Hubraums ist das 5,6-Liter-Modell weniger leistungsstark als der 500 SL: Grund dafür ist die aufwendige Abgas­reinigungsanlage, womit der SL die besonders scharfen Emissionsgrenzwerte für den US-Markt erfüllt.