• 13.12.2016 09:17

  • von David Evans (Haymarket)

Kolumne: Das WRC-Erbe von Volkswagen

Zählt Volkswagen mit seiner kurzen, aber dominanten Phase zu den größten Marken der Rallye-WM? - Ein Blick auf die Umstände in den vergangenen vier Jahren

(Motorsport-Total.com) - Volkswagen-Technikdirektor Francois-Xavier Demaison wartet. Der siegreiche Polo R WRC bleibt neben ihm bei der letzten Zeitkontrolle stehen. Australien-Sieger Andreas Mikkelsen steigt aus und lächelt den Mann an, der dieses Auto gebaut hat. Zum letzten Mal, der letzte Sieg. "Toller Job, Andreas", lacht Demaison. "Aber es tut mir leid - du bist gefeuert!" Solches Gelächter hilft, die Emotionen zu verbergen. Zumindest etwas.

Titel-Bild zur News: Sebastien Ogier

Volkswagen dominierte die Rallye-WM vier Jahre lang nach Belieben Zoom

Der Rallye-Ausstieg im Zuge der Dieselaffäre beendet das erfolgreichste Engagement, wenn man die Siege und die Starts berücksichtigt, eines Herstellers in der Weltmeisterschaft. In Zahlen ausgedrückt? In den vergangenen vier Jahren wurde die Fahrer- und die Markenwertung dominiert. 43 Siege bei 52 Starts. Oder wenn man auf die Performance blickt, dann waren es 640 Bestzeiten bei 958 Wertungsprüfungen.

Und wie sieht es bei der Teamleistung aus? Kein Problem. Die Mädls und Jungs von Hannover haben 20 Doppelsiege gefeiert, beim Saisonfinale war es der letzte. Vier Mal wurden die kompletten Podestplätze belegt. Volkswagen hat die Herstellerwertung 1.346 Tage in Folge angeführt. Auf diese Erfolge angesprochen, zittert die Stimme von Teamchef Sven Smeets: "Vielleicht brauchen wir einige Stunden. Ich weiß es nicht, aber ich hoffe, wir werden nie vergessen werden."

Dominanz neu definiert

Keine Chance! Die Erfolge sprechen für sich. Dominanz in der der Rallye-Weltmeisterschaft wurde neu definiert. Man kann darüber debattieren, ob man solche Leistungen in so kurzer Zeit wieder sehen wird. Die neuen Autos im nächsten Jahr werden die Wettbewerbsfähigkeit sicher auf ein neues Level bringen. Viele haben dieses Gefühl, selbst wenn Volkswagen bis 2019 geblieben wäre, wie es ursprünglich geplant war.

Aber hätte sich diese Siegesserie fortgesetzt? Wir werden es nie wissen, aber im Service-Park gibt es sicher einige Leute, die den Volkswagen-Ausstieg begrüßen. Sie sehen es für die WRC als Chance, nach vier Jahren blau-weißer Dominanz zu wachsen. Andere, wie Kris Meeke, sind traurig darüber, dass das Auto und das Team fehlen werden. Die Weltmeisterschaft ist ohne Volkswagen nicht wertlos, aber bestimmt weniger wert.


Fotostrecke: Volkswagen: Meilensteine im Rallyesport

Wie sieht das Vermächtnis aus?

Meeke und Citroen bereiteten sich in diesem Jahr darauf vor, es mit dem Klassenprimus aufzunehmen. Und dieser fehlt jetzt. Wir werden nie wissen, ob Meeke mit dem C3 WRC Sebastien Ogier und dessen Polo R WRC herausfordern hätte können. Auf der anderen Seite spricht ein Teammitglied eines Rivalen die Realität an: "Warte sechs Monate und niemand wird sich mehr an Volkswagen erinnern." Harte Worte, aber es liegt ein Körnchen Wahrheit darin.

Es ist unausweichlich. Aber das führt uns zu der Frage an Smeets, wie das Vermächtnis von Volkswagen aussieht? Langfristig gesehen wäre es falsch, das Team mit den Größen des Sports zu vergleichen - den Lancias, Fords und in jüngerer Vergangenheit Citroen. Volkswagen hat in vier Jahren große Erfolge gefeiert, aber zählt der Hersteller wirklich zu den absoluten Größen im Rallyesport?

Andreas Mikkelsen, Sebastien Ogier

Gewohntes Bild: Die Volkswagen-Truppe feiert auf dem Podest Zoom

Lancias Erfolge zogen sich über mehrere Regeländerungen. Die Italiener gewannen von der Gruppe 4 über die Gruppe B bis zur Gruppe A. Der Stratos wird für alle Zeiten ein Meilenstein der WRC-Geschichte sein, genauso wie der Delta HF Integrale. Diese Autos gewannen zehn Titel. Der Polo kam, siegte und verschwand wieder. Und er kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Citroens Engagement stand am Scheideweg, als sich Sebastien Loeb verabschiedete und man sich Rundstreckenrennen zuwandte. Und Ford stieg ein Jahr vor Volkswagens Ankunft aus.

Keine ernsthaften Gegner für Volkswagen

Was blieb also übrig? Ein schwächerer Ford Fiesta RS WRC, wobei das M-Sport-Team regelmäßig überlegen musste, ob man das Geld in Fahrer oder das Auto investieren sollte. Und die Entwicklung des DS3 WRC war nach 2011 stark eingeschränkt. Es gab keinen Loeb, keine Messlatte. Wäre der neunfache Weltmeister 2013 die komplette Saison geblieben, hätte er Ogier einen richtigen Kampf geliefert, um seinen zehnten Titel zu holen. Was für ein Jahr wäre das gewesen!

Das könnte man auch über Ogier sagen. Hätte er sich nicht für Volkswagen entschieden, sondern für einen Zweijahresvertrag bei M-Sport, dann wäre die erste Saison von Volkswagen sicher anders verlaufen. Okay, Hyundai wollte einsteigen, aber als der i20 WRC fertig war, hatte die Polo-Dampfwalze richtig an Fahrt aufgenommen und spielerisch gewonnen. Volkswagen schwamm auf der Erfolgswelle. Es wäre falsch zu denken, dass sie ihren Angriff auf diese Weise geplant hatten. Dann hätte der Polo Jahre vor der Vorstellung bei der Rallye Sardinien 2011 geplant werden müssen.

Kris Meeke

Citroen fuhr in den vergangenen Jahren nur ein Schmalspur-Programm Zoom

Diese Rallye war zufällig auch der erste Einsatz von Prodrive mit dem Mini John Cooper Works WRC. Ein weiteres Auto, das die Rallye-Elite herausfordern wollte, aber bald wieder verschwand. Nein, wenn man Volkswagen Opportunismus unterstellen würde, läge man falsch. Aber diese Gegner stellten sich nicht gut genug auf, als der Polo schließlich auf der Straße war. Den besten Fahrer seiner Generation zu engagieren, war ein guter Start.

Sebastien Ogier der Garant für den Erfolg

Aber welcher Hersteller bestritt mit Ausnahme von Neuseeland eine komplette Saison, um die sportliche Seite aufzustellen, bevor man mit seinem eigenen Programm startet? Das machte Volkswagen 2012 mit dem Skoda Fabia S2000. Hinter dem Polo stand die geballte Kraft der Volkswagen-Ingenieure. Ironischerweise bedeutete diese Verbindung schließlich auch das Ende. Dazu kam das größte Budget in der WRC seit Jahren.

Zweifellos erleichterten diese Ressourcen die Arbeit von Demaison, aber man muss ihm zugutehalten, dass er wusste, wie er das Geld am besten verwendet. Der größte Faktor, warum Volkswagen in diesem Jahr nicht mehr gewonnen hat, lag an der Startreihenfolge der FIA. Das machte es für Ogier praktisch unmöglich, eine Schotter-Rallye zu gewinnen. Aber selbst wenn Ogier ein Handicap hatte und Jari-Matti Latvala seine eigenen Probleme, hätte Volkswagen öfter gewinnen müssen. So wie es Mikkelsen in Australien geschafft hat.

Sebastien Ogier

Garant für den Erfolg: Hätte Volkswagen ohne Ogier auch so viel gewonnen? Zoom

Diese Regel zeigte, dass sich Volkswagen auf den Superstar verlassen hat. Immer wieder brachte er dem Team den Erfolg, während Latvala oder Latvalas Auto Schwierigkeiten hatte. Egal ob Volkswagen als Gigant des Rallye-Sports in Erinnerung bleiben wird, es steht fest, dass die Beziehung des Franzosen mit seinem Auto zu den Besten der Geschichte zählt. Volkswagen stieg mit Demut ein und verlässt den Sport mit Anmut.

Die WRC muss auch dankbar sein. Volkswagen baute das Auto dieser Ära und zeigte auf, was beim Marketing alles möglich ist. Für zumindest zwei Jahre war Volkswagen praktisch der Promoter der Serie, die man selbst dominierte. Volkswagen wäre auch bereit gewesen für die Herausforderung und die neue Generation 2017. Wir allen werden dem möglichen Fünfkampf mit Citroen, Hyundai, Toyota und M-Sport nachtrauern. Volkswagen lässt auch die Möglichkeit aus, sich in den Olymp zu hieven. Und in Hannover wird das schmerzhafter sein als woanders auf der Welt.