• 18.09.2015 05:30

  • von Roman Wittemeier

CoTA-Erlebnis: Eine Runde mit dem Le-Mans-Champion

Nick Tandy fährt mit 'Motorsport-Total.com'-Redakteur Roman Wittemeier auf dem CoTA in Austin: Autoballett, Lenkradwirbel und der plötzliche Anker

Titel-Bild zur News: Porsche Cayman

Fühlt sich cool an: Im Porsche Cayman GT4 im Renntempo in Austin Zoom

Liebe Freude der schnellen Ecken,

ich bin geschüttelt und gerührt gleichzeitig. Am Donnerstagabend hatte ich das große Glück, zwischen den beiden Freien Trainings der WEC in Austin den Circuit of The Americas aus ganz besonderer Perspektive kennenlernen zu dürfen, nämlich vom Beifahrersitz. Das Auto: Porsche Cayman GT4, Mittelmotor mit 385 PS, Topspeed 295 km/h, Beschleunigung 0-100 km/h in nur 4,4 Sekunden. Der Fahrer: Le-Mans-Sieger Nick Tandy. Das Erlebnis: unschlagbar! Aber der Reihe nach.

"Wir kommen mit Vollgas im höchsten Gang auf die erste Kurve zu. Es geht enorm steil den Berg hinauf. Wir bremsen extrem spät. Das geht hier, weil es so stark bergauf geht. Die Ecke ist langsam, normalerweise zweiter Gang", sagt Nick Tandy mit einer Ruhe in der Stimme, als hätte sich der Brite gerade einen Pint Bier im heimischen Pub bestellt. Während des letzten Wortes zieht mich mein Helm nach vorn, der Anker ist brutal geworfen, der Le-Mans-Champ wirft den Wagen in die kaum erkennbare Linkskurve.

"Wir beschleunigen den Berg hinunter. Jetzt kommen die Esses - der erste Sektor ist herrlich", frohlockt der 30-jährige Porsche-Werksfahrer. Nun liegt es also vor uns, das berühmte Geschlängel von Austin, das viele Fahrer an ähnliche Passagen in Suzuka oder Silverstone erinnert. "Wir nehmen die erste Kurve sehr schnell, bremsen dann ab und schalten einen Gang runter. Für die zweite Ecke muss ich das Auto richtig anstellen, dann vor der dritten und der vierten Kurve jeweils nochmal ein ganz bisschen bremsen."

Ich staune und bin leicht irritiert. Selbst im GT4-Porsche gehen die Ecken erheblich schneller als der optische Eindruck dies vermuten lässt. Mit der Präzision eines Herzchirurgen (und auch mit der gleichen Gelassenheit) steuert Tandy den Wagen in leichten Drifts durch die zahlreichen Lastwechsel. Immer geht es auf die Randsteine, allerdings immer ganz haarscharf an den gelben Erhöhungen der Kerbs am Scheitelpunkt vorbei. Diese seltsamen künstlichen Schanzen sollten wir meiden!


WEC: Postkarte aus Austin

In Austin startet die WEC in die zweite Saisonhälfte 2015

Harte Bodenwellen seit diesem Jahr

"Es ist wichtig, dass man die Randsteine ordentlich mitnimmt, aber das Auto dabei nicht destabilisiert", erklärt Tandy während der anhaltend schnellen Fahrt. Ich verarbeite gerade gedanklich noch das Turbo-Autoballett aus den Esses, als der Brite plötzlich das linke Pedal antippt. "Wir bremsen ab für die Bergauf-Schikane. Die ist nicht ganz so eng wie sie erst einmal aussieht. Wichtig ist, dass wir einen guten Ausgang erwischen für den Sprint zur Spitzkehre."

Der Weg zur engen Kurve 11 geht über mehrere Wellen. Kurz vor dem Bremspunkt wuchtet mich eine harte Bodenwelle mit dem Helm unter das Fahrzeugdach. Hoppla - was war denn das? "Die Bumps sind viel schlimmer geworden. Das war im vergangenen Jahr überhaupt nicht wild", sagt der amtierende Le-Mans-Champion und lenkt nach einem knackigen Bremsmanöver hart nach links ein. Über den inneren Randstein der Hairpin wird schon wieder voll auf das Gaspedal getreten.

Porsche Cayman Austin Tandy Wittemeier

Nach den Runden mit Nick Tandy ging das Grinsen kaum aus dem Gesicht Zoom

Gezielt driftet der Cayman am Ausgang über den Randstein hinweg auf den Asphalt neben der eigentlichen Piste. Tandy stört das alles wenig. Tempo mitnehmen lautet die Devise. Gerade hier, wo es auf der Gegengerade nochmal richtig schnell wird. Auf dem Weg in den engen dritten Sektor des Circuit of The Americas rütteln mich noch einmal drei nicht sichtbare Bodenwellen ordentlich durch. "Wir fahren in den wichtigen zweiten Teil der Strecke. Hier ist es langsamer, aber nicht minder wichtig für eine gute Rundenzeit."

Drei Kurven verschmelzen zu einem Bogen

Tandy wirft nach dem Sprint zu Kurve 12 heftig den Anker, stellt das Auto für die enge Linkskurve passend an und driftet seicht um das Eck. Über eine weitere enge Rechtskurve geht es wieder ans Gas. Kurve 14 wird fast voll genommen, allerdings bleibt Tandy am Ausgang sehr weit innen, um das GT4-Auto passend für die folgenden Linkskurven positioniert zu haben. "Die folgenden drei Rechtskurven nehmen wir quasi als eine. Man lenkt in die erste Ecke ein und lässt das Auto dann mehr oder weniger frei laufen. Es sucht sich fast automatisch seinen Weg", lächelt der Brite und grinst mich mitten in der Kurve an.

Mir erscheint diese Passage extrem unübersichtlich. Die Kurven 16, 17 und 18 wirken zwar wie aus einem Guss, der berühmte Aussichtsturm rundet das Bild ab - aber irgendetwas stört mich an der Optik. Ah - da kommt urplötzlich die Linkskurve (Turn 19) ins Bild. Sie kommt unerwartet, just in dem Moment, als ich mich an das gleichmäßige Driften in meine Richtung gewöhnt habe. Wann bremst der Kerl? Jetzt? Immer noch nicht? Doch, er tut es. Allerdings extrem spät und sehr, sehr dosiert.

"Die Kurve 19 kann man wunderbar schneiden, da geht es innen auch mal etwas durch das Gras", schmunzelt Tandy und fängt einen Drift am Ausgang mit zackigen Lenkbewegungen wieder ein. Der Cayman hat sich gerade wieder stabilisiert, als der Le-Mans-Sieger seinen weniger beliebten Fuß aktiviert. Der Anker wird geworfen, am Ende der Runde wird der Wagen noch einmal in sich zusammen gestaucht. "Die letzte Ecke ist langsam, man muss den zweiten Gang nehmen", sagt Tandy und fügt sofort an: "Aber jetzt wieder Vollgas - und dann beginnt der Spaß von vorn!"


Fotos: WEC in Austin, Donnerstag


Nach einem weiteren schnellen Umlauf, den ich zweifellos mehr genießen kann, weil ich ja nun weiß, was auf mich zukommt, fahren wir das knallrote Spaßmobil in die Boxengasse. "Hattest du Fun?", fragt mich der Le-Mans-Champion. "Und wie", sage ich, "aber ich wundere mich, dass du so viel am Lenkrad arbeitest." Tandy schüttelt den Kopf. "Dieser Driftspaß geht nur im Cayman mit den Straßenreifen. Wenn ich das im GTE-Porsche mit den Slicks machen würde, dann wäre ich so langsam wie meine Oma!"

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